VwGH 94/13/0063

VwGH94/13/006315.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der S KG in M, vertreten durch Dr. Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, Rablstraße 32, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. November 1993, Zl. GA 7 -1455/92, betreffend Aussetzung der Einhebung, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212a Abs2 litc;
BAO §212a Abs2;
VwGG §48 Abs2 Z2;
BAO §212a Abs2 litc;
BAO §212a Abs2;
VwGG §48 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe

von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Betriebsgegenstand der beschwerdeführenden KG ist der Vertrieb von Geflügel sowie die Herstellung von Geflügelprodukten. Für die Jahre 1984 bis 1989 fand bei ihr eine Betriebsprüfung statt, in deren Rahmen u.a. festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin durch Verbuchung von Einstandspreisen, die die tatsächlich aufgewendeten Beträge deutlich überstiegen, insbesondere auch durch Zwischenschaltung einer in Liechtenstein ansässigen Gesellschaft (Domizilgesellschaft) entsprechend geringe Betriebsergebnisse ausgewiesen habe. Die Feststellungen der Betriebsprüfer führten - soweit im vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz - zu einem Mehrergebnis an Gewerbesteuer von S 128.263,--.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und nahm darin zu verschiedenen Feststellungen der Betriebsprüfung Stellung, ohne diese allerdings tatsächlich zu entkräften. So wurde etwa den Aussagen des Handlungsbevollmächtigten der liechtenstein'schen Gesellschaft P.P. über "Gefälligkeitsrechnungen" damit begegnet, dass ein solcher Ausdruck nicht dem Sprachschatz des P.P. entstamme, weil Deutsch "ungeachtet seiner guten Deutschkenntnisse, nicht seine Muttersprache sei". P.P. habe das Wort "Gefälligkeitsrechnungen" möglicherweise in dem Sinn verstanden, dass er der Beschwerdeführerin mit der Verrechnung "tatsächlicher höherer Preise" (im Zusammenhang mit der Abschöpfungsregelung des Geflügelwirtschaftsgesetzes) eine Gefälligkeit erwiesen habe.

Der Vorwurf von "unterfakturierten Gefälligkeitsrechnungen" betreffend "Gegengeschäfte" im Anlagenbereich wurde "zwar nicht bestritten"; es wurde aber darauf hingewiesen, dass diese "durchwegs ohne vorausgehende diesbezügliche Absprache" erfolgten.

Die wiederholten Aussagen des Gesellschafter-Geschäftsführers der Beschwerdeführerin vor Gericht, er wisse über die Einkaufspreise der liechtenstein'schen Gesellschaft nicht Bescheid, obwohl die diesbezüglichen Rechnungen nachweislich der Beschwerdeführerin übermittelt worden waren, wird mit dem "großen Geschäftsumfang des Unternehmens" erklärt. In gleicher Weise verantwortete sich die Beschwerdeführerin bezüglich verschiedener "Ungewöhnlichkeiten bzw. Ungereimtheiten" im Bereich des Zahlungsverkehrs und den in diesem Zusammenhang stehenden Auskünften eines Kreditunternehmens (Übernahme einer Bankgarantie für die liechtenstein'sche Gesellschaft gegenüber deren Vorlieferanten über Auftrag der Beschwerdeführerin).

Die "Preisgestaltung" bei einem Geschäftsfall mit einer besonders "auffallend hohen Preisdifferenz" wird mit menschlichem Versagen erklärt.

Gegen belastende Aussagen eines (anderen) Beschuldigten wurde eingewendet, dieser sei "nicht unter Wahrheitspflicht" gestanden und habe seine Aussage "nur vom Hörensagen" gemacht und so weiter.

Mit der Berufung wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO verbunden.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin bzw. deren Organe auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet sei; dies deshalb, weil durch das Verhalten der handelnden Entscheidungsträger der Beschwerdeführerin große Geldbeträge ins Ausland geflossen seien, deren Verbleib nicht geklärt sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Unter einem Verhalten im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. c BAO, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet sei, könne nur ein solches verstanden werden, welches eine Veränderung in der Vermögenssubstanz des Abgabepflichtigen bewirke. Ein dem Abgabepflichtigen vorgeworfenes Verhalten, das eine Erhöhung der Abgabenbemessungsgrundlagen zur Folge habe, sei nur insoweit von Relevanz, als es die Erfolgsaussichten der Berufung betreffe (§ 212a Abs. 2 lit. a BAO). Eine Erfolgslosigkeit der Berufung sei jedoch im Beschwerdefall nicht offenkundig. Die Vorgangsweise des Finanzamtes, den in der Berufung bestrittenen Sachverhalt auch als Verhalten der Beschwerdeführerin zu werten, das auf die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet sei, widerspreche der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes, die seinerzeit zur Aufhebung des § 254 BAO geführt habe (Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, G 119/86-19). Im Übrigen seien für das laufende Wirtschaftsjahr "positivere Ergebnisse zu erwarten ..., sodass die Einbringlichkeit der Abgabe durch Vermögenszuwachs verbessert wird".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die letztgenannte Berufung ab und verwies zur Begründung auf die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 15. Oktober 1993, Zl. 57/9-10/F-1993, betreffend dieselbe Beschwerdeführerin, denselben Sachverhalt und praktisch denselben Streitgegenstand. Die zitierte Entscheidung ist unter der hg. Zl. 94/14/0005 ebenfalls vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten und unterscheidet sich vom vorliegenden angefochtenen Bescheid nur insoweit, als es sich um Gewerbesteuer handelt, die auf Grund derselben Betriebsprüfung infolge einer Gewerbesteuerzerlegung für denselben Zeitraum gesondert vorgeschrieben wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde, deren Behandlung jedoch mit Beschluss vom 1. März 1994, B 2193/93, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde, erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 2 BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen,

a) insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

  1. b) ... oder
  2. c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

    Die belangte Behörde hat ihre abweisende Entscheidung ausschließlich auf das Vorliegen des Tatbestandes der lit. c des § 212a Abs. 2 BAO gestützt. Es erübrigt sich daher die Prüfung der Frage, ob die Berufung der Beschwerdeführerin betreffend Gewerbesteuer nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint.

    Die Beschwerdeführerin vertritt im Wesentlichen die Rechtsansicht, dass ein Verhalten, das für die Abgabenfestsetzung von Bedeutung und daher Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nicht gleichzeitig als die Abgabeneinhebung gefährdendes Verhalten im Sinn des § 212a Abs. 2 lit. c BAO angesehen werden kann.

    Diese Rechtsansicht ist verfehlt. Ebenso wie ein Verhalten des Abgabepflichtigen mehrere verschiedene materiell-rechtliche Abgabentatbestände verwirklichen kann (etwa auf dem Gebiet der Ertragsteuern und der Verkehrsteuern), kann es zusätzlich auch verfahrensrechtliche Tatbestände erfüllen. Verlagert ein Abgabepflichtiger den wirtschaftlichen Erfolg seiner Aktivitäten durch fingierte Betriebsaufwendungen - dazu gehören auch überhöhte Einstandspreise - ins Ausland und hat diese Vorgangsweise zur Folge, dass die für die Entrichtung der tatsächlich geschuldeten Abgaben erforderlichen finanziellen Mittel durch Zahlungsfluss ins Ausland dem Zugriff der österreichischen Finanzverwaltung entzogen werden, so ist ein solches Verhalten gleichermaßen für die Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen wie auch für die Abgabeneinhebung von Relevanz. Es kann daher durchaus den Tatbestand des § 212a Abs. 2 lit. c BAO erfüllen, vorausgesetzt, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung als Verhalten oder als dessen Wirkung noch anhält. Da die Beschwerdeführerin wiederholt beteuert hat, die von der Betriebsprüfung als überhöht bezeichneten Wareneinstandspreise seien tatsächlich bezahlt worden, in die Verfügungsmacht eines (dritten) Lieferanten gelangt und weder direkt noch indirekt an sie zurückgeflossen, war das der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten durchaus geeignet, ihr zuzurechnende finanzielle Mittel dem Zugriff der Finanzverwaltung zu entziehen und damit die Einbringung von Abgaben zu gefährden.

    Es trifft zwar zu, dass ein Verhalten, das gleichermaßen für die Festsetzung von Abgaben wie für deren Einbringlichkeit von Bedeutung ist, erst durch den Ausgang des Berufungsverfahrens seine Bestätigung findet. Es kann daher durchaus sein, dass ein von der Abgabenbehörde zunächst angenommenes Verhalten gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO sich im Zuge des Berufungsverfahrens als zu Unrecht angenommen herausstellt. Dies ändert aber nichts daran, dass es einer Aussetzung der Einbringung so lange entgegensteht, als seine Annahme gerechtfertigt erscheint. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass die Tatbestände des § 212a Abs. 2 lit. a bis lit. c BAO selbständig nebeneinander normiert sind und jeder für sich allein der Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung entgegensteht. Das bedeutet, dass auch dann, wenn der Tatbestand einer wenig erfolgversprechenden Berufung nicht gegeben ist, also das Rechtsmittel durchaus Erfolg haben kann, dennoch das Vorliegen eines Verhaltens, das auf die Gefährdung der Einbringlichkeit allfälliger Abgaben gerichtet ist, eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung unzulässig macht (arg. die Wortfolge: "die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen ...").

    Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass bei einer erfolgversprechenden Berufung dem selbständig normierten Tatbestandsmerkmal der Einbringungsgefährdung kaum Bedeutung beizumessen wäre, weil eine durch den voraussichtlichen Erfolg der Berufung nicht mehr geschuldete Abgabe in ihrer Einbringlichkeit nicht gefährdet sein kann. Es würde daher letztlich nur auf die Erfolgsaussichten der Berufung ankommen, weil eine wenig erfolgversprechende Berufung ohnedies einer Bewilligung der Aussetzung der Einhebung entgegenstünde, bei einer voraussichtlich erfolgreichen Berufung hingegen von einer Einbringlichkeitsgefährdung in der Regel nicht mehr ausgegangen werden dürfte. Ein solches, den Tatbestand des § 212a Abs. 2 lit. c BAO weitestgehend inhaltsleer machendes Auslegungsergebnis kann nicht als Sinn und Zweck der zitierten Bestimmung unterstellt werden. Vielmehr erscheint es durchaus vertretbar, dem Interesse des Abgabengläubigers an der Einbringlichkeit von Abgabenschulden ein derart hohes Gewicht beizumessen, dass ein Verhalten des Abgabepflichtigen, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet ist, unabhängig von den Erfolgsaussichten der Berufung so lange als Hindernis für die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung zu sehen ist, als es sich nicht als zu Unrecht angenommen herausstellt.

    Entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin führt dies keineswegs dazu, dass dem Rechtsinstitut der Aussetzung der Einhebung weitestgehend keine Bedeutung mehr zukäme und der damit angestrebte Rechtsschutz wegfiele. Weder das Verschweigen von Fakten und deren nachträgliches Hervorkommen noch ein Rechtsstreit über deren abgabenrechtliche Relevanz und den Inhalt abgabenrechtlicher Bestimmungen ist untrennbar mit einem einbringungsgefährdenden Verhalten des Abgabepflichtigen verbunden. Ein solches Verhalten wird dem Abgabepflichtigen daher keineswegs regelmäßig anzulasten sein. Selbst das (voraussichtliche) Fehlen der für die Abgabenentrichtung erforderlichen finanziellen Mittel ist für sich allein noch kein Grund, einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht stattzugeben. Das Fehlen finanzieller Mittel kann nämlich nicht mit einem Verhalten gleichgesetzt werden, das darauf gerichtet ist, den Zugriff der Abgabenbehörde auf vorhandene finanzielle Mittel zu verhindern. Der Anwendungsbereich des § 212a BAO wird somit durch das oben erzielte Auslegungsergebnis keineswegs dergestalt eingeschränkt, dass ihm jene Erwägungen entgegenstünden, die den Verfassungsgerichtshof seinerzeit veranlasst haben, § 254 BAO mit dem bereits zitierten Erkenntnis vom 11. Dezember 1986 als verfassungswidrig aufzuheben.

    Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994;

    Schriftsatzaufwand war nicht zuzusprechen, weil im bloßen Verweis auf die Gegenschrift in einem anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren - darin erschöpft sich die "Gegenschrift" der belangten Behörde - keine Gegenschrift im Sinne des § 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG erblickt werden kann.

    Wien, am 15. September 1999

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