VwGH 94/13/0019

VwGH94/13/001915.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der G. Gen.m.b.H. in R, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 30. November 1993, Zl. 6/2-2127/87-10, betreffend Umsatzsteuer 1981 - 1983, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §4 Abs1;
UStG 1972 §6;
UStG 1972 §4 Abs1;
UStG 1972 §6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Winzergenossenschaft, die durch Verschmelzung zweier Winzergenossenschaften im Jahr 1969 entstanden ist. Gemäß § 9 der Satzung hat jedes Mitglied mindestens einen Geschäftsanteil zu zeichnen. Ein Geschäftsanteil beträgt S 2.000,--. Der Vorstand der Genossenschaft ist berechtigt, die Anlieferung bzw. Beanspruchung der genossenschaftlichen Einrichtungen von der Zeichnung einer größeren Anzahl von Geschäftsanteilen abhängig zu machen, wobei jedoch für alle Mitglieder die gleichen Bedingungen zu gelten haben. Gemäß § 9 Abs. 3 der Satzung hat jedes Mitglied eine Beitrittsgebühr zu entrichten, deren Höhe vom Vorstand festgelegt wird.

Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1981 bis 1983 traf der Prüfer unter anderem folgende Feststellungen:

Gemäß den Vorstandsbeschlüssen vom 7. September 1981,

25. August 1982 und 10. Oktober 1984 bzw. der Leseordnung vom

September 1983 sei jedes Genossenschaftsmitglied berechtigt und

verpflichtet, jährlich eine Traubenmenge zwischen 2.000 kg

(= höchst zulässige Liefermenge) und 500 kg bzw. 800 kg

(= Mindestliefermenge) pro gezeichnetem Geschäftsanteil an die

Genossenschaft zu liefern.

Auf Grund eines Generalversammlungsbeschlusses einer der beiden Vorgängergenossenschaften vom 31. Mai 1964 und eines Vorstandsbeschlusses vom 22. März 1971 würden bei Neu- und Nachzeichnungen von Geschäftsanteilen zusätzlich so genannte "Baukostenbeiträge" von S 4.000,-- pro gezeichnetem Geschäftsanteil eingehoben. Diese seien nicht rückzahlbar und von der Beschwerdeführerin als sonstiger Ertrag verbucht worden. Mit den Baukostenbeiträgen würden der Genossenschaft zumindest teilweise jene Kosten ersetzt, die durch die Übernahme und Verwertung zusätzlicher Traubenmengen entstünden. Sie deckten (teilweise) jenen Investitionsbedarf ab, der durch den Ausbau zusätzlicher Anlagen verursacht werde. Durch den Ausbau der genossenschaftlichen Einrichtungen sei daher den wirtschaftlichen Einzelinteressen der beitragsleistenden Mitglieder Rechnung getragen worden. Gegen die Annahme, dass die Baukostenbeiträge "mit der Gesellschafterstellung dieser Genossenschaftsmitglieder in Zusammenhang stehen, spricht, dass in derartige Form gekleidete Mitgliedsbeiträge die Satzung der Genossenschaft bzw. das Genossenschaftsgesetz selbst nicht vorsehen". Die Baukostenbeiträge seien als Entgelt für die unternehmerische Tätigkeit der Beschwerdeführerin anzusehen. Diese bestehe in der Übernahme, Be- oder Verarbeitung und dem Verkauf des von den Mitgliedern gelieferten Lesegutes oder Weines. Die Kapazität der hiefür erforderlichen Anlagen entspreche den ursprünglich vorgesehenen Liefermengen. Erst durch die Leistung der Baukostenbeiträge werde die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, neu beitretenden oder "überliefernden" Mitgliedern ihr Mehr an Lesegut abnehmen zu können. Die Höhe des Baukostenbeitrages (S 4.000,-- pro Geschäftsanteil, somit pro zusätzlicher Anliefermenge von 2.000 kg Trauben pro Jahr) bemesse sich nach der mutmaßlich (geschätzten) Inanspruchnahme der Genossenschaftseinrichtungen durch das einzelne beitragsleistende Mitglied; es werde daher vom Ausmaß des Leistungsaustausches bestimmt. Die Baukostenbeiträge seien daher als umsatzsteuerbare Entgelte im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen und mit S 54.237,-- (1981), S 559.322,-- (1982) und S 274.576,-- (1983) der Umsatzsteuer zu unterziehen.

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Die Baukostenbeiträge seien satzungsgemäß verwendet worden, nämlich für die gemeinsame Verwertung des Lesegutes der Mitglieder, für die Gewinnung bestgepflegter Weine, für die Hebung des Weinbaues, insbesondere durch gemeinsame Bekämpfung der Rebkrankheiten und Schädlinge und für die Schaffung der hiezu erforderlichen Einrichtungen. Durch die Baukostenbeiträge würden der Beschwerdeführerin in gleicher Weise, wie durch die gezeichneten Geschäftsanteile jene Mittel zugeführt, die sie in die Lage versetzten, den genossenschaftlichen Zweck zu verwirklichen. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass die Baukostenbeiträge im Gegensatz zu den Geschäftsanteilen nicht rückzahlbar seien und daher zu einer stärkeren Bindung des Mitgliedes an die Genossenschaft führten. Die Festlegung von Mindest- und Höchstliefermengen pro gezeichnetem Geschäftsanteil in den jährlich vom Vorstand beschlossenen Leseordnungen diene der Gleichbehandlung aller Mitglieder und damit ihrer möglichst optimalen Förderung. Von einem Entgeltscharakter der Baukostenbeiträge könnte nur dann gesprochen werden, wenn damit ein Kostenersatz für eine im Sonderinteresse einzelner Mitglieder liegende (individuelle) Benützung der Anlagen der Beschwerdeführerin geleistet würde; dies sei jedoch nicht der Fall. Die Annahme der Betriebsprüfung, mit Bezahlung des Baukostenbeitrages werde ein Lieferrecht begründet, sei unzutreffend. Vielmehr dienten die Beiträge in Verbindung mit den jährlich erlassenen Leseordnungen der Gleichbehandlung aller Mitglieder. Der Umstand, dass die Baukostenbeiträge weder in der Satzung noch im Genossenschaftsgesetz vorgesehen seien, stehe ihrer rechtlichen Beurteilung als Einnahmen der Beschwerdeführerin, die ihren satzungsgemäßen Gesamtinteressen dienten, nicht entgegen. Die Bezeichnung solcher Beiträge und die Form ihrer Einhebung sei ohne Bedeutung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde bezeichnet es zunächst als "unstrittig, dass bei Mitgliedsbeiträgen (Geschäftsanteilen), welche eine Vereinigung erhebt und zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben verwendet, deren Erfüllung zwar der Gesamtheit der Mitglieder zugute kommt, sich aber nicht als eine besondere Einzelleistung gegenüber dem einzelnen Mitglied darstellt, die wechselseitige Abhängigkeit fehlt und somit kein Leistungsaustausch vorliegt". Sie macht aber nicht deutlich, worin sie im Beschwerdefall einen Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Baukostenbeiträge bezahlenden Mitgliedern erblickt. Die unbegründet gebliebene Feststellung, es handle sich bei den Baukostenbeiträgen um das Entgelt für die Einräumung eines Lieferrechtes, vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen.

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass die gemeinsame Verwertung der von den Genossenschaftsmitgliedern erzeugten Produkte (insbesondere Trauben und Wein) zu den satzungsgemäßen Aufgaben von Winzergenossenschaften gehört. Das Recht des Mitgliedes einer Winzergenossenschaft, diese mit seinen Produkten zu beliefern, ist daher grundsätzlich kein individuell eingeräumtes besonderes Recht, sondern ein Gemeinschaftsrecht aller Mitglieder. Wenn nun dieses Recht im Interesse einer geordneten Vermarktung durch die Genossenschaft in einer für alle Mitglieder gleichermaßen geltenden Art und Weise dergestalt geregelt wird, dass bestimmte Mindest- und Höchstmengen festgesetzt werden, und diese Mengen vom Beteiligungsausmaß des einzelnen Mitgliedes, ausgedrückt in Geschäftsanteilen, abhängig gemacht werden, so hat dies noch nicht zur Folge, im eingeräumten Lieferrecht der einzelnen Mitglieder einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch zu erblicken. Auch die belangte Behörde hat die satzungsgemäße Verknüpfung des Ausmaßes der Geschäftsanteile mit dem erforderlichen bzw. zulässigen Lieferumfang (vgl. § 9 Abs. 1 lit. c der Satzung) nicht zum Anlass genommen, um sämtliche Lieferungen der Mitglieder an die Beschwerdeführerin als Ausübung eines Rechtes anzusehen, dessen Einräumung im Wege eines Leistungsaustausches zustande gekommen wäre. Lediglich in dem mit dem Erwerb eines Geschäftsanteiles zwingend verbundenen Baukostenbeitrag erblickt sie einen solchen Leistungsaustausch. Als Gründe hiefür werden genannt:

a) Die gegenüber den Kosten eines Geschäftsanteiles (S 2.000,--) relativ hohen Baukostenbeiträge (S 4.000,--) und

b) der Umstand, dass Geschäftsanteile rückzahlbar sind, während dies bei Baukostenbeiträgen nicht der Fall ist.

Beide Gründe vermögen nicht zu überzeugen. Geschäftsanteile und die mit diesen untrennbar verbundenen Baukostenbeiträge vermitteln dem einzelnen Genossenschaftsmitglied das satzungsgemäße Recht, die Beschwerdeführerin mit bestimmten Mengen seiner Produkte zu beliefern. Mit der Entrichtung des Baukostenbeitrages wird dieses Recht weder erweitert noch sonst in irgend einer Weise verändert. Einziger Umstand (und wohl auch der Grund für die Aufteilung der Beitragspflicht in zwei Beitragskomponenten) ist, dass Geschäftsanteile rückzahlbar sind, während dies auf Baukostenbeiträge nicht zutrifft. Dieser Unterschied rechtfertigt aber nicht, im Baukostenbeitrag ein umsatzsteuerbares Entgelt und in dem Erwerb des damit untrennbar verbundenen Geschäftsanteiles einen nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Mitgliedsbeitrag zu erblicken, der der Erfüllung satzungsgemäßer Gemeinschaftsaufgaben dient. Der Erfüllung dieser Aufgaben dient nämlich gleichermaßen der Baukostenbeitrag, mit dem kein eigenständiges Sonderrecht eines einzelnen Mitgliedes begründet wird. So gesehen stellt der Baukostenbeitrag, abgesehen davon, dass er nicht rückzahlbar ist, nichts anderes dar, als einen zusätzlichen Aufwand für den Erwerb eines Geschäftsanteiles.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. September 1999

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