Normen
AVG §68 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
WehrG 1978 §37 Abs2 lita;
WehrG 1990 §28 Abs1;
WehrG 1990 §35 Abs1;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z1;
WehrG 1990 §36a Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwRallg;
WehrG 1978 §37 Abs2 lita;
WehrG 1990 §28 Abs1;
WehrG 1990 §35 Abs1;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z1;
WehrG 1990 §36a Abs4;
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. März 1994 stellte der Bundesminister für Landesverteidigung gemäß § 36a Abs. 1 Z. 1 und Abs. 4 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 690/1992 (WG) fest, daß sein Bescheid vom 5. April 1978, Zl. 239.449/1-2.5/77, mit dem der Beschwerdeführer von Amts wegen von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes befreit worden war, infolge Wegfalls der für die Befreiung maßgebenden Voraussetzungen seine Wirkung verloren habe.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen, zur
hg. Zl. 94/11/0099 protokollierten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der belangte Bundesminister hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Mit Bescheid des Militärkommandos Burgenland vom 23. März 1994 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 WG zur Ableistung des Grundwehrdienstes ab dem 5. April 1994 einberufen.
In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten, zur hg. Zl. 94/11/0098 protokollierten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung auch dieses Bescheides.
Das belangte Militärkommando hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:
1. Zum Feststellungsbescheid:
Nach § 37 Abs. 2 lit. a des Wehrgesetzes 1978, BGBl. Nr. 150, konnten Wehrpflichtige von Amts wegen von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsdenzdienstes befreit werden, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen - insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen - erfordern. Diese Befreiungsmöglichkeit findet sich nunmehr in § 36a Abs. 1 Z. 1 WG. Nach § 36a Abs. 4 WG hat im Falle der Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit der Dienstgeber den Wegfall der für die Befreiung maßgeblichen Voraussetzungen unverzüglich dem Bundesminister für Landesverteidigung mitzuteilen.
Der belangte Bundesminister begründete den bekämpften Feststellungsbescheid damit, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Tätigkeit als "Nachwuchskraft-Maschinenschlosser" und den infolge eklatanten Facharbeitermangels gegebenen dringenden Personalbedarf der Österreichischen Bundesbahnen befreit worden sei. Nunmehr sei der Beschwerdeführer als Wagenmeister tätig. Damit sei der seinerzeitige Befreiungsgrund nicht mehr gegeben.
Der Beschwerdeführer bringt vor, es lägen die Voraussetzungen für eine Abänderung oder Behebung des seinerzeitigen Befreiungsbescheides gemäß § 68 Abs. 2 oder 3 AVG nicht vor. Auch seien die Voraussetzungen für seine Befreiung von der Wehrdienstpflicht keineswegs weggefallen, da sich der maßgebende Sachverhalt in der Zwischenzeit nicht geändert habe. Der Beschwerdeführer sei bereits im Zeitpunkt seiner amtswegigen Befreiung nicht mehr Lehrling gewesen. Vielmehr sei damals seine Tätigkeit als Nachwuchskraft-Maschinenschlosser bereits beendet gewesen und der Beschwerdeführer in Ausbildung zum Wagenmeister gestanden, also zu jener Tätigkeit, die er auch derzeit noch ausübe. Diese Tätigkeit habe er auch schon in den Jahren 1983 und 1988 ausgeübt, dessenungeachtet sei der belangte Bundesminister bei der damaligen Überprüfung der Befreiungsvoraussetzungen - anders als nunmehr - nicht vom Wegfall des seinerzeitigen Befreiungsgrundes ausgegangen. Die Annahme, der Beschwerdeführer sei 1978 "als Lehrling" unabkömmlich gewesen, sei geradezu denkunmöglich. Der angefochtene Bescheid beruhe auf Willkür, weshalb der Beschwerdeführer auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt sei.
Im übrigen lägen gravierende Verfahrensmängel vor. Die belangte Behörde habe aktenwidrig und denkunmöglich angenommen, daß der Beschwerdeführer seinerzeit wegen seiner Tätigkeit als "Nachwuchskraft-Maschinenschlosser" von der Präsenzdienstpflicht befreit worden sei. In Wahrheit sei die Befreiung auf Grund seiner Beschäftigung im Fahrdienst erfolgt. Insofern sei auch der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben; die Behörde habe die zum Nachweis dafür beantragten Beweise nicht aufgenommen. Sie habe ihm auch nicht in der rechtlich gebotenen Weise Parteiengehör gewährt, da sie das Schreiben vom 9. Dezember 1993 ihm persönlich statt seinem Rechtsvertreter zugestellt habe.
Bei diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht.
Der angefochtene Feststellungsbescheid ist nicht nach § 68 Abs. 2 oder 3 AVG ergangen, weshalb der Hinweis auf diese Bestimmungen von vornherein verfehlt ist.
Der Hinweis auf Überprüfungen des Weiterbestehens des seinerzeitigen Befreiungsgrundes, die nach Meinung des Beschwerdeführers gemäß § 36a Abs. 5 WG in den Jahren 1983 und 1988 vorzunehmen gewesen seien, geht fehl, weil diese Bestimmung erst mit der Novelle BGBl. Nr. 690/1992 geschaffen wurde.
Mit dem über Anregung der Österreichischen Bundesbahnen vom 24. November 1977 ergangenen Bescheid des belangten Bundesministers vom 5. April 1978 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 2 lit. a des Wehrgesetzes 1978 von Amts wegen aus öffentlichen Interessen von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes mit der Beifügung befreit, der Bescheid verliere bei Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung seine Wirksamkeit. Begründet war die besagte Anregung damit, daß die Verwendung des Beschwerdeführers bei den Österreichischen Bundesbahnen öffentlichen Interessen diene. Die damalige Verwendung des Beschwerdeführers war mit "Nachwuchskraft (Maschinenschlosser)" angegeben.
Im Hinblick auf die Rechtskraft dieses Bescheides ist davon auszugehen, daß damals die Voraussetzungen für die amtswegige Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht vorlagen. Für die Rechtmäßigkeit des vorliegend bekämpften Feststellungsbescheides ist im gegebenen Zusammenhang allein entscheidend, ob das seinerzeit angenommene öffentliche Interesse an der Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht weiterhin besteht. Dabei erblickt der Beschwerdeführer offensichtlich allein schon in der Tatsache seiner Beschäftigung bei den Österreichischen Bundesbahnen als Wagenmeister ein solches öffentliches Interesse. Er übersieht dabei, daß nicht schon die Beschäftigung im öffentlichen Dienst, in welcher Funktion immer, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 1 WG an der amtswegigen Befreiung des Betreffenden von der Präsenzdienstpflicht darstellt. Das Weiterbestehen oder den Wegfall eines solchen Interesses zu beurteilen obliegt zunächst den für die Aufrechterhaltung des betreffenden, im Interesse der Allgemeinheit gelegenen, Dienstes Verantwortlichen, letztlich dem Bundesminister für Landesverteidigung bei der von ihm zu treffenden Entscheidung nach § 36a Abs. 1 Z. 1 WG. Ihre dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme, es bestehe derzeit kein zwingendes öffentliches Interesse mehr an der Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht, konnte die belangte Behörde unbedenklich auf das Schreiben der Österreichischen Bundesbahnen vom 22. November 1993 stützen. Darin wurde gemäß § 36a Abs. 4 WG mitgeteilt, daß unter anderem für Bedienstete des ÖBB-Werkstättendienstes "kein identer Sachverhalt für ein Weiterbestehen der Befreiungsgründe festgestelt werden (könne)". Mit dem Wegfall der Unabkömmlichkeit des Beschwerdeführers aus der Sicht seines Dienstgebers hatte sich der Sachverhalt jedenfalls entscheidend geändert. Dies allein schon berechtigte den belangten Bundesminister zur Feststellung, es seien nunmehr die Voraussetzungen für die seinerzeitige Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht nicht mehr gegeben. Es kommt daher im vorliegenden Fall gar nicht mehr darauf an, ob die Funktion des Beschwerdeführers bei den Österreichischen Bundesbahnen im wesentlichen ident geblieben ist oder nicht (worauf auch der belangte Bundesminister abzustellen scheint).
Aus dem zuletzt genannten Grund gehen die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, die der Sache nach dieses hier nicht relevante Thema zum Gegenstand haben, ins Leere.
Die Prüfung der behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz fällt gemäß Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit
Artikel 144 Abs. 1 B-VG in die ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Zum Einberufungsbefehl:
Die Beschwerde bekämpft den Einberufungsbefehl zunächst mit dem Hinweis auf die seinerzeitige Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht. Diese Befreiung sei nach wie vor rechtswirksam. Der in dieser Sache ergangene Feststellungsbescheid des Bundesministers für Landesvereidigung sei Gegenstand einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; solange darüber nicht entschieden sei, sei von der rechtswirksamen Befreiung des Beschwerdeführers von der Präsenzdienstpflicht auszugehen. Mit dem Einberufungsbefehl werde der Beschwerdeführer entgegen der Regel des § 28 WG, wonach der Grundwehrdienst sechs Monate dauere, zur Ableistung des Grundwehrdienstes in der Dauer von acht Monaten herangezogen. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 WG für einen solcherart "verlängerten" Grundwehrdienst seien jedoch nicht gegeben. Weiters lägen beim Beschwerdeführer besonders rücksichtswürdige familiäre und wirtschaftliche Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG vor. In dieser Sache sei eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sowie ein Verfahren über einen weiteren Befreiungsantrag des Beschwerdeführers beim belangten Militärkommando anhängig. Solange darüber nicht endgültig entschieden sei, könne der Beschwerdeführer nicht zum Grundwehrdienst einberufen werden. Schließlich sei der Einberufungsbefehl dem Beschwerdeführer entgegen dem Gebot des § 35 Abs. 1 WG erst zehn Tage vor dem Einberufungstermin zugegangen. Für das Unterschreiten der Vier-Wochen-Frist liege keine ausreichende Begründung vor.
Das Vorbringen läßt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Einberufungsbefehls erkennen.
Mit der Erlassung des Feststellungsbescheides des Bundesministers für Landesverteidigung vom 15. März 1994 durch Zustellung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 17. März 1994 (sohin vor Erlassung des gegenständlichen Einberufungsbefehls) stand für das belangte Militärkommando bindend fest, daß der seinerzeitige Befreiungsbescheid seine Rechtswirksamkeit verloren hat. Der Feststellungsbescheid war mit seiner Zustellung in Rechtskraft erwachsen. An der damit gegebenen Bindungswirkung vermochte die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nichts zu ändern. Diese Bindungswirkung entfiel erst auf Grund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1994,
Zlen. AW 94/11/0017, 0018.
Die Behauptung, der Beschwerdeführer werde durch den Einberufungsbefehl zur Ableistung des Grundwehrdienstes in der Dauer von acht Monaten einberufen, findet keine Grundlage im Einberufungsbefehl. Dieser trifft keine Anordnung über die Dauer des vom Beschwerdeführer abzuleistenden Grundwehrdienstes.
Ob beim Beschwerdeführer Befreiungsgründe im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG vorlagen oder nicht, ist für die Rechtmäßigkeit des Einberufungsbefehls ohne Belang. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert weder das Vorliegen solcher Befreiungsgründe noch ein sei es bei den Verwaltungsbehörden sei es bei den Höchstgerichten anhängiges Verfahren über einen Befreiungsantrag die Erlassung eines Einberufungsbefehls. Erst ein rechtskräftiger Befreiungsbescheid wäre ein rechtliches Hindernis für die Erlassung eines Einberufungsbefehls (vgl. die Erkenntnisse vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/11/0103, und vom 25. Jänner 1994, Zlen. 93/11/0209, 0210, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen).
Die Unterschreitung der gemäß § 35 Abs. 1 Z. 1 WG bei der Einberufung zum Grundwehrdienst zu beachtenden Vier-Wochen-Frist ist nach dieser Bestimmung nur nach Maßgabe militärischer Erfordernisse zulässig. Das belangte Militärkommando ist vom Vorliegen derartiger Erfordernisse ausgegangen und hat dazu unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 1 WG auf das Lebensalter des Beschwerdeführers, der am 11. Mai 1994 sein 35. Lebensjahr vollendete, und auf den dringenden Personalbedarf im Bereich des Truppenübungsplatzes Bruckneudorf hingewiesen, jener militärischen Dienststelle, bei der der Beschwerdeführer laut Einberufungsbefehl den Grundwehrdienst abzuleisten haben wird.
Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer am 11. Mai 1994 sein 35. Lebensjahr vollendete, somit gemäß § 28 Abs. 1 WG eine Einberufung zu einem späteren Einberufungstermin nicht mehr in Betracht gekommen wäre, und da es auf der Hand liegt, daß angesichts der (in der Gegenschrift zutreffend erwähnten) allgemein bekannten Auswirkungen der Änderung des Zivildienstgesetzes die gesteigerte Notwendigkeit besteht, sämtliche verfügbaren tauglichen Wehrpflichtigen zur Leistung des Grundwehrdienstes heranzuziehen, um die dem Bundesheer übertragenen Aufgaben im erforderlichen Ausmaß erfüllen zu können, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, die Unterschreitung der Vier-Wochen-Frist des § 35 Abs. 1 WG sei im vorliegenden Fall durch militärische Erfordernisse im Sinne dieser Bestimmung gerechtfertigt. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen ist dem Vorbringen, der Einberufungsbefehl sei infolge nicht gehöriger Gewährung von Parteiengehör mit Rechtswidrigkeit behaftet, der Boden entzogen.
Die Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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