VwGH 94/11/0096

VwGH94/11/009623.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 26. Jänner 1994, Zl. 215.488/0-II/D/14/94, betreffend Eintragung in die Psychotherapeutenliste, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §52;
PsychotherapieG §1 Abs1;
PsychotherapieG §17 Abs5;
PsychotherapieG §21 Abs1 Z7;
PsychotherapieG §26 Abs1 idF 1991/045;
PsychotherapieG §26 Abs2;
PsychotherapieG §26 Abs3;
PsychotherapieG §3;
PsychotherapieG §6;
AVG §39 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §52;
PsychotherapieG §1 Abs1;
PsychotherapieG §17 Abs5;
PsychotherapieG §21 Abs1 Z7;
PsychotherapieG §26 Abs1 idF 1991/045;
PsychotherapieG §26 Abs2;
PsychotherapieG §26 Abs3;
PsychotherapieG §3;
PsychotherapieG §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 28. Februar 1993 auf Eintragung in die Psychotherapeutenliste gemäß § 26 Abs. 1 und 3 des Psychotherapiegesetzes, BGBl. Nr. 361/1990, abgewiesen.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt seine kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 PsychotherapieG (in der hier maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 45/1991) hat der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz nach Anhörung des Psychotherapiebeirates bis längstens 30. Juni 1993 auch jene Personen in die Psychotherapeutenliste einzutragen, die auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit eine psychotherapeutische Qualifikation im Sinne des § 1 Abs. 1, die inhaltlich einer nach diesem Bundesgesetz absolvierten Psychotherapieausbildung gleichzuhalten ist, erworben haben (Z. 1), sofern auch die in den Z. 2 bis 4 genannten Voraussetzungen vorliegen.

Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, hat der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz die Eintragung mit Bescheid zu versagen (§ 26 Abs. 3 PsychotherapieG).

Die belangte Behörde ging, gestützt auf das (mit 16. Juli 1993 datierte) Gutachten des Psychotherapiebeirates, davon aus, daß es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei nachzuweisen, daß sie eine psychotherapeutische Qualifikation im Sinne des § 1 Abs. 1 PsychotherapieG, die inhaltlich einer nach diesem Gesetz absolvierten Psychotherapieausbildung gleichzuhalten ist, erworben habe. Aus dem Gutachten ergebe sich schlüssig und nachvollziehbar, daß die Beschwerdeführerin weder eine ausreichende Selbsterfahrung noch ausreichende psychotherapeutisch-theoretische Kenntnisse noch ausreichende psychotherapeutische Supervision und Praxis nachweisen könne.

Soweit die Beschwerde ausführt, das Gesetz stelle nicht auf den Nachweis einer Psychotherapieausbildung mit dem nunmehr vorgesehenen Ausmaß und Inhalt ab, sondern ausschließlich auf den Erwerb einer inhaltsgleichen Qualifikation durch berufliche Tätigkeit, ist ihr grundsätzlich beizupflichten. Der hier maßgebende Abs. 1 des § 26 PsychotherapieG stellt, anders als der Abs. 2, nicht auf den Erwerb einer psychotherapeutischen Qualifikation durch Ausbildung, sondern durch berufliche Tätigkeit ab. Das hat seinen Grund offensichtlich darin, daß eine Ausbildung zum Psychotherapeuten, wie sie das PsychotherapieG vorsieht, zuvor rechtlich nicht geregelt war, weshalb im gegebenen Zusammenhang auch nicht ohne weiteres an eine solche Ausbildung angeknüpft werden konnte. Da aber eine "aufgrund beruflicher Tätigkeit erworbene" Qualifikation auch auf der vorangegangenen einschlägigen Ausbildung beruht, ist diese Ausbildung als wesentliches Element der erlangten psychotherapeutischen Qualifikation zu berücksichtigen. Je nach Umfang und Intensität dieser Ausbildung wird es einer entsprechend längeren oder kürzeren einschlägigen Berufstätigkeit bedürfen, um beim Betreffenden eine Qualifikation, wie sie eine Ausbildung nach dem PsychotherapieG vermittelt, annehmen zu können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1994, Zlen. 93/11/0125, 94/11/0074). Die belangte Behörde hat daher zu Recht auch auf die von der Beschwerdeführerin absolvierte einschlägige Ausbildung als ein Element der behaupteten psychotherapeutischen Qualifikation Bedacht genommen.

Wenn die Beschwerde die Ansicht der belangten Behörde, eine psychotherapeutische Ausbildung müsse "zumindest in einer eigenständigen Methode erfolgt" sein, als anhand des Gesetzes nicht nachvollziehbar bezeichnet, verkennt sie, daß das Gesetz nicht auf irgendeine durch berufliche Tätigkeit erworbene psychotherapeutische Qualifikation abstellt, sondern auf eine solche im Sinne des § 1 Abs. 1, also auf die Fähigkeit zur Behandlung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit WISSENSCHAFTLICH-PSYCHOTHERAPEUTISCHEN METHODEN. Das setzt begrifflich voraus, daß zumindest die Handhabung EINER (eigenständigen) wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methode erlernt wurde und Gegenstand der beruflichen Tätigkeit war.

Nicht begründet ist auch der Einwand, es sei der hier anzuwendenden Übergangsbestimmung das Erfordernis einer "Absolvierung der entsprechenden Theorie und der vorgeschriebenen Selbsterfahrung" nicht zu entnehmen. Im Hinweis auf eine "Qualifikation im Sinne des § 1 Abs. 1" in § 26 Abs. 1 PsychotherapieG kommt zum Ausdruck, daß Voraussetzung für eine Eintragung in die Psychotherapeutenliste aufgrund dieser Übergangsbestimmung eine durch berufliche Tätigkeit (einschließlich vorangegangener Ausbildung) erworbene Qualifikation ist, die im wesentlichen einer durch eine Ausbildung nach diesem Gesetz vermittelten Qualifikation gleichwertig ist. Für die letztere Qualifikation ist aber ein Mindestausmaß an theoretischen Kenntnissen und entsprechender Selbsterfahrung charakteristisch (vgl. die Regelungen der §§ 3 und 6 PsychotherapieG über das psychotherapeutische Propädeutikum und das psychotherapeutische Fachspezifikum). Das Gesetz stellt somit auch im Rahmen der Übergangsbestimmung des § 26 Abs. 1 auf "entsprechende Theorie und Selbsterfahrung" ab.

Es mag durchaus zutreffen, daß die notwendigen theoretischen Kenntnisse auch "im Rahmen" einer praktischen Berufsausübung erworben werden können. Der Verwaltungsgerichtshof vermag allerdings die Relevanz dieses Vorbringens im Beschwerdefall nicht zu erkennen, behauptet doch die Beschwerdeführerin selbst nicht etwa, die erforderlichen theoretischen Kenntnisse im Rahmen ihrer Berufstätigkeit erworben zu haben. Im Verfahren vor der belangten Behörde hat sie sich dazu im wesentlichen auf die beigebrachten Belege über die von ihr absolvierte Ausbildung berufen.

Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob das Gutachten des Psychotherapiebeirates geeignet ist, ein Sachverständigengutachten im Sinne des AVG zu ersetzen, ist dahin zu beantworten, daß nach dem PsychotherapieG die Entscheidung über eine Eintragung in die Psychotherapeutenliste auf der Grundlage eines Gutachtens des Psychotherapiebeirates zu ergehen hat (§ 17 Abs. 5 und § 26 Abs. 3 iVm § 21 Abs. 1 Z. 7). Diese Verwaltungsvorschrift, die anordnet, wie die psychotherapeutische Qualifikation des Betreffenden zu ermitteln ist, ist gemäß § 39 Abs. 1 AVG insoweit für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens maßgebend. Somit bleibt insofern kein Raum für die - subsidiären (§ 39 Abs. 2 Einleitungssatz AVG) - Bestimmungen des AVG über den Beweis durch Sachverständige.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die in der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 20 Abs. 4 PsychotherapieG mangels ausreichender Determinierung der fachlichen Qualifikation der Beiratsmitglieder. Es kann dahinstehen, ob der Bestimmung des § 20 Abs. 4 PsychotherapieG, wonach dort aufgezählte Beiratsmitglieder zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sein müssen, "in der Anfangsphase" mangels Eintragung der Mitglieder in die Psychotherapeutenliste gar nicht habe Rechnung getragen werden können. Das angesprochene Problem bestand in der Zeit unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes am 1. Jänner 1991. Das im Beschwerdefall maßgebliche Gutachten wurde aber erst lange Zeit danach (am 22./30. Juni 1993) erstellt. Nach der Aktenlage handelte es sich dabei bereits um die 25. Sitzung des Eintragungsausschusses des Psychotherapiebeirates und um die 18. Vollsitzung des Psychotherapiebeirates.

Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen versucht die Beschwerdeführerin, das Gutachten des Psychotherapiebeirates als unschlüssig und nicht nachvollziehbar darzutun. Dieses Vorbringen ist schon aus folgendem Grund nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:

Laut Gutachten hat die Beschwerdeführerin unter anderem keine ausreichende psychotherapeutische Praxis, wie sie für die Annahme einer Qualifikation im Sinne des § 1 Abs. 1 PsychotherapieG erforderlich wäre, aufzuweisen. Dieser Umstand ist nach der Aktenlage evident. Die Beschwerdeführerin ist laut ihrem Antrag vom 28. Februar 1993 seit September 1991 psychotherapeutisch tätig. Den Umfang dieser in einer Einzelpraxis ausgeübten Tätigkeit gibt sie mit "6 Patienten (6 Stunden)" pro Woche an. Diese vom Beginn der psychotherapeutischen Tätigkeit bis zur Erstellung des Gutachtens (Ende Juni 1993, somit weniger als zwei Jahre) dauernde Praxis erreicht nicht einmal das gesetzlich vorgeschriebene Mindestausmaß für den praktischen Teil der Ausbildung im Rahmen des psychotherapeutischen Fachspezifikums (gemäß § 6 Abs. 2 insgesamt 1.600 Stunden, davon mindestens 600 Stunden psychotherapeutische Tätigkeit mit verhaltensgestörten oder leidenden Personen). Daß angesichts des (in der Beschwerde zu Recht betonten) Vorranges der beruflichen Tätigkeit bei Anwendung des § 26 Abs. 1 PsychotherapieG eine solche Tätigkeit, die nicht einmal an das im PsychotherapieG vorgeschriebene Mindestausmaß an praktischer Ausbildung heranreicht, nicht eine Qualifikation vermitteln kann, die der durch eine Ausbildung nach diesem Gesetz erlangten gleichwertig ist, ist offenkundig und bedarf keiner näheren Begründung. Damit erübrigt es sich, auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen im Detail einzugehen.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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