Normen
AVG §52;
ForstG 1975 §17 idF 1987/576;
ForstG 1975 §17;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 idF 1987/576;
ForstG 1975 §17;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Am 1. Jänner 1994 beantragte der Mitbeteiligte bei der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (BH) die Erteilung einer Rodungsbewilligung für die Parzelle Nr. 795/23 KG K. mit einer Fläche von 1304 m2. Er beabsichtige, das Grundstück als Bauparzelle zu veräußern.
Die belangte Behörde holte die Stellungnahme eines forsttechnischen Sachverständigen ein. Dieser legte dar, an das Waldgrundstück mit einem Ausmaß von 1304 m2 schlössen im Norden und Westen bebaute Grundstücke, im Osten ein weiteres Waldgrundstück an. Das Grundstück sei zur Zeit mit Kiefer, Eiche, Traubenkirsche und anderen Sträuchern "größtenteils" bestockt. Im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde sei das Waldgrundstück als Baugebiet ausgewiesen. Das "Bewaldungsprozent" der Gemeinde betrage 25,5 und liege somit bedeutend über dem Bezirksdurchschnitt von 15,9. Die Katastralgemeinde K., in der das Waldgrundstück liege, weise ein Bewaldungsprozent von 41,7 aus. Der Waldentwicklungsplan weise die Kennziffern 122 aus; es liege somit erhöhte Wohlfahrts- und Erholungsfunktion vor.
Ersatzaufforstungsflächen würden nicht angeboten. Im vorliegenden Fall bestehe ein Rodungsinteresse, weil die Fläche im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen sei.
Mit Bescheid vom 28. Juni 1994 erteilte die BH die beantragte Rodungsbewilligung. Begründend wurde dargelegt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß durch die beantragte Rodung die Wirkung des Waldes und die Walderhaltung im gegenständlichen Bereich nicht beeinträchtigt würden. Auf Grund dieser Tatsache und unter Berücksichtigung aller Umstände für die geltend gemachte Verwendung der gerodeten Fläche überwiege nach Ansicht der Forstbehörde das öffentliche Interesse am antragsgemäßen Verwendungszweck das öffentliche Interesse an der Walderhaltung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 FG gestützte Beschwerde.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach § 17 Abs. 3 FG können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein. Gemäß § 17 Abs. 4 FG hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter diesen Voraussetzungen die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
§ 17 FG verpflichtet die Forstbehörde zu einer Interessenabwägung. Eine solche Interessenabwägung setzt voraus, daß festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht und welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist. Im Zuge der von § 17 FG vorgeschriebenen Interessenabwägung ist auch zu prüfen, ob für das Vorhaben, um das es geht, die Inanspruchnahme von Waldflächen überhaupt und bejahendenfalls in welchem Umfang erforderlich ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1993, Zl. 93/10/0081 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Entsprechende Feststellungen und eine darauf aufbauende Interessenabwägung fehlen im Beschwerdefall zur Gänze; dem angefochtenen Bescheid kann nicht einmal mit Sicherheit entnommen werden, in welcher angestrebten Verwendung der Waldfläche nach den Annahmen der belangten Behörde das die Interessen an der Walderhaltung übersteigende öffentliche Interesse bestehen soll. Die nach Erhebung der Amtsbeschwerde durchgeführten Ermittlungen und die Darlegungen der Gegenschrift vermögen im Verwaltungsverfahren durchgeführte Ermittlungen und darauf aufgebaute Darlegungen der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu ersetzen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Im Hinblick auf die Darlegungen der Gegenschrift sind aus Gründen der Prozeßökonomie folgende Hinweise geboten:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse jedenfalls dann vor, wenn Grundflächen der Verwirklichung eines nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Bauvorhabens dienen sollen. Dieser Umstand vermag aber noch nicht das Überwiegen dieses öffentlichen Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung zu begründen. Selbst wenn nämlich die Rodungsfläche in einem bereits bestehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauplan ausgewiesen ist, bedeutet dies noch nicht, daß eine Verwirklichung dieser anderen Widmung entgegen dem Grundsatz der Walderhaltung auf jeden Fall zulässig wäre; es hat vielmehr die Forstbehörde festzustellen, ob die erforderliche Rodungsbewilligung auf Grund der forstrechtlichen Vorschriften als im öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen ist. Die Verwirklichung der von der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung einer Waldfläche ist in jedem Fall von der Entscheidung der Forstbehörde abhängig, die auf einer dem Gesetz entsprechenden Interessenabwägung beruhen muß (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1989, Zl. 89/10/0133, vom 25. November 1991, Zl. 89/10/0037, vom 30. April 1992, Zl. 91/10/0191, und vom 18. April 1994, Zl. 94/10/0007).
Eine solche Interessenabwägung erfordert insbesondere die Feststellung der Tatsachen, die zur Festlegung der Baulandwidmung geführt haben (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 27. Juni 1988, Zl. 87/10/0080, und vom 25. November 1991, Zl. 89/10/0037, und die dort jeweils angeführte Vorjudikatur). Weiters ist darauf hinzuweisen, daß die gesetzlich gebotene Bedachtnahme insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung zwingend Ausführungen über die gegebene Waldausstattung einerseits und über die Wirkungen des Waldes auf der zur Rodung beantragten Fläche in bezug auf diese Fläche und den umgebenden Wald andererseits verlangt, weil erst dadurch die Gewichtung des Interesses an der Walderhaltung auf der betreffenden Fläche ermöglicht wird. Ein Gutachten, das zwar die im Waldentwicklungsplan festgelegte Wertziffer und das "Bewaldungsprozent" nennt, die Wirkungen des Waldes auf der zur Rodung beantragten Fläche aber nicht beschreibt, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine taugliche Grundlage für die Interessenabwägung bieten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/10/0001). Schließlich ist noch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach nicht von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Rodung einer Waldfläche für Bauzwecke die Rede sein kann, wenn in der Gemeinde eine ausreichende Baulandreserve auf Nichtwaldflächen vorhanden ist, die für eine Verbauung zur Verfügung steht (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. November 1990, Zl. 90/10/0156, und vom 18. April 1994, Zl. 94/10/0007).
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