VwGH 94/10/0114

VwGH94/10/011430.8.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und die Beschwerde des G in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der OÖ LReg vom 15. April 1991, Zl. N-200070/10-I/Mö-1991, betreffend Entschädigung nach dem OÖ Natur- und Landschaftsschutzgesetz, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §1;
B-VG Art140 Abs1;
EMRK Art6 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §28;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
AVG §1;
B-VG Art140 Abs1;
EMRK Art6 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §28;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beschwerde werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von für die Schottergewinnung genutzten Grundstücken. Er begehrte unter anderem in Ansehung dieser Grundstücke Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile (Ertragsminderung), die er infolge der Feststellung einer Konglomeratwand als Naturdenkmal erlitten habe. Der dieses Entschädigungsbegehren abweisende Bescheid der OÖ Landesregierung vom 6. September 1985 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1987, Zl. 86/10/0172, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Mit Ersatzbescheid dieser Behörde vom 15. April 1991 wurde das Entschädigungsbegehren gemäß § 28 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 - Oö NSchG 1982, LGBl. für Oberösterreich Nr. 80, neuerlich als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer begehrte mit der an das Bezirksgericht gerichteten Eingabe vom 21. Mai 1991 die gerichtliche Festsetzung des Entschädigungsbetrages. Der Antrag wurde mit Beschluß dieses Gerichtes vom 21. Juni 1991 als unzulässig zurückgewiesen. Das Kreisgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Beschwerdeführers mit Beschluß vom 2. September 1991 Folge und trug dem Erstgericht die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Gegen diese Entscheidung erhob die OÖ Landesregierung Revisionsrekurs. Der OGH gab (unter Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. 7431/1974) mit Beschluß vom 15. Jänner 1992, 2 Ob 569/91, dem Revisionsrekurs Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her. Die ausdrücklich zwischen der Entscheidung der Landesregierung über das Bestehen des Anspruches und "gegebenenfalls" auch über das Ausmaß der Entschädigung differenzierende Regelung des § 28 Abs. 4 Oö NSchG 1982 lasse nach Wortsinn und logischer Konsequenz desselben nur den Schluß zu, daß das Gericht nur über die Höhe der Entschädigung abzusprechen habe. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluß vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, darauf hingewiesen, daß dann, wenn in einer Entschädigungsregelung zwischen einer Entschädigung dem Grunde und einer solchen der Höhe nach differenziert werde, nur hinsichtlich der letzteren Frage die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben sei. Für eine über diesen eindeutigen Sinn hinausgehende Auslegung bestehe kein Raum.

Mit dem vorliegenden Antrag an den Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der OÖ Landesregierung vom 15. April 1991. Begründet wird der Antrag damit, daß der OGH völlig überraschend und unerwartet entgegen der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und entgegen dem Wortlaut des § 28 Abs. 4 Oö NSchG 1982 dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen und in Konsequenz dessen den Antrag an das Bezirksgericht als unzulässig zurückgewiesen habe. Gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag bringt der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde gegen den genannten Bescheid ein.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde und der (angeblichen) Versäumung der Beschwerdefrist entstanden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 28 Abs. 4 Oö NSchG 1982 betreffend die Anrufbarkeit der ordentlichen Gerichte. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daraufhin mit Beschluß vom 30. April 1992, Zl. A 41/92, gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, näher bezeichnete Wendungen in § 28 Abs. 4 leg. cit. als verfassungswidrig aufzuheben. Dem Antrag wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994, G 192/92, nicht Folge gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 VwGG setzt begrifflich die Versäumung dieser Frist voraus. Diese Voraussetzung läge dann nicht vor, wenn der Beschwerdeführer ungeachtet der Abweisung seines Entschädigungsbegehrens durch den angefochtenen Bescheid berechtigt wäre, die Entscheidung des zuständigen Bezirksgerichts hierüber zu verlangen. Da die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes in derselben Angelegenheit und damit die Einbringung einer Beschwerde ausschließt (vgl. den hg. Beschluß vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0181, Slg. Nr. 13.142/A, mit weiteren Judikaturhinweisen), kann in einem solchen Fall die Beschwerdefrist gar nicht versäumt werden.

§ 28 Abs. 4 Oö NSchG 1982 lautet:

"Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und gegebenenfalls über das Ausmaß der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages nach Anhörung wenigstens eines Sachverständigen mit Bescheid zu entscheiden. Für die Ermittlung der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages sind die Bestimmungen der §§ 4 bis 9 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäß anzuwenden. Innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides kann der Eigentümer die Festlegung des Ausmaßes der Entschädigung bzw. des Einlösungsbetrages bei dem nach der örtlichen Lage des Grundstückes zuständigen Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen beantragen. Mit dem Einlangen des Antrages beim Bezirksgericht tritt der Bescheid der Landesregierung außer Kraft. Der Antrag kann nur mit Zustimmung der Landesregierung zurückgezogen werden."

Der Verwaltungsgerichtshof ging in seinem Beschluß vom 30. April 1992, A 41/92, (in Übereinstimmung mit der Ansicht des OGH) davon aus, daß nach dieser Regelung im Falle der Verneinung des Entschädigungsanspruches (dem Grunde nach) und der damit verbundenen Abweisung des Entschädigungsbegehrens die Anrufung des Bezirksgerichts ausgeschlossen sei. Der Verwaltungsgerichtshof erblickte darin einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK und stellte an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, zur Beseitigung der angenommenen Verfassungswidrigkeit jedenfalls im dritten Satz des § 28 Abs. 4 Oö NSchG 1982 die Worte "des Ausmaßes" als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Verfassungsgerichtshof gab diesem Antrag mit Erkenntnis vom 23. Juni 1994, G 192/92, keine Folge. Er sprach aus, daß die Zuständigkeit des Bezirksgerichts in der Entschädigungsfrage nicht auf die Höhe des Anspruches beschränkt, sondern umfassend sei, somit auch den Fall der Abweisung eines Entschädigungsbegehrens (dem Grunde nach) umfasse.

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist davon auszugehen, daß in Ansehung des vorliegend angefochtenen Bescheides die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben ist. Damit kommt gegen diesen Bescheid eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht. Konnte somit die Beschwerdefrist gar nicht versäumt worden sein, so fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG. Er ist aus diesem Grund zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Hinsichtlich des im vorliegenden Fall entstandenen verneinenden Kompetenzkonfliktes wird der Beschwerdeführer auf § 46 VerfGG hingewiesen.

Der getroffenen Entscheidung steht das hg. Vorerkenntnis vom 21. Dezember 1987, Zl. 86/10/0172, nicht entgegen. Ihm lag zwar noch die (unzutreffende) Auffassung zugrunde, daß im Falle der verwaltungsbehördlichen Verweigerung einer Entschädigung die ordentlichen Gerichte nicht angerufen werden könnten. Diese Auffassung wurde allerdings bloß stillschweigend vorausgesetzt, sie fand in der Begründung des Erkenntnisses nicht explizit ihren Niederschlag. Daher liegt auch kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1986, Zl. 85/10/0158).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte