VwGH 94/06/0191

VwGH94/06/019118.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der W in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Juli 1994, Zl. 03 - 12 Wi 56 - 94/1, betreffend die Verhängung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1002;
AVG §10 Abs2;
VVG §10 Abs2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ABGB §1002;
AVG §10 Abs2;
VVG §10 Abs2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. August 1968 kam D K namens der "Erbengemeinschaft nach A K" (nach dem Inhalt der Verwaltungsakten handelt es sich dabei um die - ungenannten - eingeantworteten Erben dieses Erblassers) um Widmung von Grundstücken bzw. Grundstücksteilen für Bauzwecke im Gebiet der Stadtgemeinde X (in der Folge im Hinblick auf ihre Stellung im Vollstreckungsverfahren kurz: antragstellende Gemeinde) ein. Vorgesehen war die Schaffung zahlreicher Bauplätze, aber auch von Aufschließungsstraßen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der antragstellenden Gemeinde als Baubehörde erster Instanz vom 24. Oktober 1969 wurde (der "Erbengemeinschaft", vertreten durch D K) die Widmung unter Vorschreibung von Festsetzungen und Bedingungen erteilt, darunter - soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich -, daß (1.) die Breite der Aufschließungsstraßen mit Ausnahme der westseitig verlaufenden Stichstraße bis zu einem näher bezeichneten Bauerngehöft mindestens 6,0 m zu betragen habe (reine Fahrbahnbreite); zusätzlich sei an der Ostseite (Talseite) der westlich gelegenen, in Richtung Nord-Süd verlaufenden Straße und an der Nordseite der südseitig gelegenen Verlängerungsstraße bis zum Anschluß an eine näher bezeichnete Gasse "eine Grundstücksbreite von 1,20 m" für die Erstellung des Gehsteiges kostenlos abzutreten; weiters sei für die Gehsteigherstellung in der ostseitig gelegenen Aufschließungsstraße, welche ebenfalls in der Richtung Nord-Süd verlaufe, "eine Breite von 1,20 m" an der Westseite des Straßenrandes abzutreten. Festzuhalten ist, daß dieser Bescheid an die "K"s Erbengemeinschaft" zu Handen D K (als Widmungswerber) zugestellt wurde und unbekämpft blieb; eine - gesonderte - Zustellung an die einzelnen Miteigentümer (persönlich) erfolgte nicht.

Mit der Eingabe vom 22. Februar 1993 an die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft beantragte die Gemeinde die Vollstreckung der Verpflichtung zur Grundabtretung gemäß Punkt 1. des Widmungsbewilligungsbescheides und brachte vor, daß die Beschwerdeführerin, welche Rechtsnachfolgerin dieser "Erbengemeinschaft K" sei, dieser Verpflichtung bislang nicht nachgekommen sei. Die Beschwerdeführerin brachte vor (nach dem ihr die Verhängung einer Zwangsstrafe angedroht worden war), sie habe mit dem Bürgermeister der Gemeinde vereinbart, die Angelegenheit "neu zu besprechen". Die Gemeinde erklärte in weiterer Folge, daß die Vollstreckung weitergeführt werden solle. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 3. August 1993 wurde über die Beschwerdeführerin eine Zwangsstrafe von S 10.000,-- verhängt. Dieser Bescheid blieb unangefochten.

Mit Bescheid vom 9. November 1993 wurde abermals zwecks Erfüllung der bescheidmäßigen Verpflichtungen zur Grundabtretung (Abtretungen für die Herstellung eines Gehsteiges) eine Zwangsstrafe von S 10.000,-- verhängt. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie unter anderem vorbrachte, daß A K im Jahr 1967 verstorben und "rund 20 - 25" gesetzliche Erben hinterlassen habe. Die "Erbengemeinschaft", vertreten durch D K, habe zwar um die Widmung dieser Grundstücke angesucht, D K sei jedoch nicht bevollmächtigter Vertreter der R S (ebenfalls eine Erbin des A K und Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin) gewesen. Auch die "Erbengemeinschaft" sei nicht bevollmächtigt und ermächtigt gewesen, ein diesbezügliches Widmungsansuchen für R S zu stellen. Der Widmungsbewilligungsbescheid vom 24. August 1969 sei demnach mangels entsprechender Bevollmächtigung "in rechtwidriger Weise erlassen worden" (wurde näher ausgeführt); es ist "nicht im mindesten der Nachweis einer Zustimmung aller Miteigentümer im Widmungsverfahren erbracht" worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte sie zusammengefaßt nach Darstellung der betriebenen Auflage, des Ganges des Vollstreckungsverfahrens und der Bestimmungen der §§ 5 und 10 Abs. 2 VVG aus, daß sowohl die Auflage Punkt 1. im Widmungsbewilligungsbescheid als auch die im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid angeführte Verpflichtung ausreichend konkretisiert sei. Dem Einwand in der Berufung, wonach das Widmungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil einerseits D K durch R S, die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, nicht bevollmächtigt gewesen und andererseits der Nachweis der Zustimmung aller Miteigentümer im Widmungsverfahren nicht erbracht worden sei, sei entgegenzuhalten, daß gegen Vollstreckungsverfügungen nur aus den in § 10 Abs. 2 VVG genannten Gründen Berufung ergriffen werden könne. Die Frage der Rechtsmäßigkeit des zu vollstreckenden Titelbescheides könne im Vollstreckungsverfahren nicht mehr aufgeworfen werden. Hinsichtlich der in der Berufung angekündigten Einbringung einer Berufung gegen den Widmungsbewilligungsbescheid vom 24. Oktober 1969 sei festzustellen, daß eine Berufung bislang nicht erhoben worden und daher der Widmungsbewilligungsbescheid rechtskräftig sei. Aus einem Vergleich der Planunterlagen, vor und nach der erfolgten Grundstückteilung, ergebe sich, daß die nun im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstücke Teile der "im ursprünglichen Titelbescheid angeführten Grundstücke" darstellten. Die Beschwerdeführerin sei demnach Eigentümerin einiger, "sich im maßgeblichen Bereich (auf den sich die Auflage 1. des Titelbescheides bezieht) befindlichen Grundstücke". Sie sei demnach verpflichtet, Grundflächen der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke abzutreten. Demnach sei die Vollstreckung zulässig. Die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin sei nicht schon bei der Verhängung der Zwangsstrafe, sondern erst bei deren Vollstreckung zu berücksichtigen (wurde näher ausgeführt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die antragstellende Gemeinde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten ist davon auszugehen, daß es sich bei der "Erbengemeinschaft" nicht etwa um eine juristische Person handelte, sondern um die (möglicherweise wegen ihrer Anzahl ungenannt gebliebenen) Miterben nach A K, die durch die bereits vor Einbringung des Widmungsansuchens vom 22. August 1968 erfolgte Einantwortung bereits (außerbücherliches) Eigentum (Miteigentum zu ideellen Anteilen) an den fraglichen Grundflächen erworben hatten.

Die Beschwerdeführerin bringt im Beschwerdeverfahren nur mehr vor, der Titelbescheid sei ihr gegenüber nicht wirksam, weil ihre Rechtsvorgängerin R S "dem Einschreiter im Widmungsverfahren, D K, keine Vollmacht" erteilt habe und "dieser Mangel durch die Rechtsnachfolge der Beschwerdeführerin nach R S auf diese übergegangen und auch für diese relevant" sei. Demnach habe die belangte Behörde diesen Einwand zu Unrecht ungeprüft gelassen.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht, weil sie damit der Sache nach ein Vollstreckungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 2 VwGG behauptet: Es trifft zwar - wie die belangte Behörde an sich mit Recht ausführt - zu, daß Rechtswidrigkeiten, die im Titelverfahren unterlaufen sind (so auch z.B. das Einschreiten eines Vertreters ohne Vollmacht) im Vollstreckungsverfahren nicht mehr bekämpft werden können. Das gilt aber nicht für einen Mangel, der zugleich eine ordnungsgemäße Zustellung des Titelbescheides hinderte.

Da somit die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die zur entsprechenden rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das Vorbringen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, vergleiche man die auf einer näher bezeichneten, in den Verwaltungsakten einliegenden Vollmacht vom 21. Jänner 1968 mit einem ebenfalls im Verwaltungsakt einliegenden Grundbuchsauszug, so sei "daraus ersichtlich, daß Frau R S die Vollmacht als Sechste von oben gelesen unterfertigt haben" müsse, woraus sich ergebe, daß sie D K bevollmächtigt habe, vermag die Unterlassung der Feststellung des strittigen rechtserheblichen Sachverhaltes im angefochtenen Bescheid nichts zu ändern und diesen Mangel nicht zu sanieren (siehe die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 607, wiedergegebene hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des eingeschränkten Begehrens an Schriftsatzaufwand; Ersatz für die für die überzählige dritte Ausfertigung der Beschwerde entrichteten Stempelgebühren war nicht zuzuerkennen. Die antragstellende Gemeinde ist nämlich nicht mitbeteiligte Partei dieses Beschwerdeverfahrens und wurde es auch nicht dadurch, daß sie zunächst - versehentlich - als mitbeteiligte Partei angesehen und dem Verfahren beigezogen wurde, sodaß auch nicht auf den Inhalt der von ihr erstatteten Gegenschrift einzugehen ist. Der Zuspruch von Aufwandersatz im Sinne des § 59 Abs. 2 VwGG für die Vorlage der Akten des Widmungsverfahrens durch die Gemeinde (die nicht obsiegende belangte Behörde ist) ist im Gesetz nicht vorgesehen.

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