VwGH 94/06/0057

VwGH94/06/005717.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Gemeinde G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. Jänner 1994, Zl. IIb1-L-1918/9-1994, betreffend Feststellung gemäß § 34 Abs. 4 des Tiroler Straßengesetzes 1989 (mitbeteiligte Partei: F in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art118 Abs3 Z4;
LStG Tir 1951 §1 Abs2;
LStG Tir 1989 §2 Abs1;
LStG Tir 1989 §2 Abs2;
LStG Tir 1989 §2 Abs3;
LStG Tir 1989 §2 Abs4;
LStG Tir 1989 §3 Abs1;
LStG Tir 1989 §3 Abs2;
LStG Tir 1989 §34 Abs1 lita;
LStG Tir 1989 §34 Abs1 litb;
LStG Tir 1989 §34 Abs4 lita;
LStG Tir 1989 §75 Abs1 litb;
LStG Tir 1989 §75 Abs3 lita;
AVG §13 Abs1;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art118 Abs3 Z4;
LStG Tir 1951 §1 Abs2;
LStG Tir 1989 §2 Abs1;
LStG Tir 1989 §2 Abs2;
LStG Tir 1989 §2 Abs3;
LStG Tir 1989 §2 Abs4;
LStG Tir 1989 §3 Abs1;
LStG Tir 1989 §3 Abs2;
LStG Tir 1989 §34 Abs1 lita;
LStG Tir 1989 §34 Abs1 litb;
LStG Tir 1989 §34 Abs4 lita;
LStG Tir 1989 §75 Abs1 litb;
LStG Tir 1989 §75 Abs3 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Antragsteller) ist Eigentümer der Grundtücke 87/3 und .13 (Haus Nr. 10 im Gebiet der beschwerdeführenden Gemeinde (in der Folge kurz: Gemeinde). Die benachbarten Grundstücke 127 und .12 (Haus Nr. 9) stehen im Eigentum des M (in der Folge kurz: Nachbar).

Mit Eingabe vom 22. September 1992 begehrte der Antragsteller, der Bürgermeister der Gemeinde als gemäß § 34 Abs. 4 lit. a des Tiroler Straßengesetzes 1989 (TStG bzw. TStG 1989) zuständige Behörde möge aussprechen, daß die zwischen den Häusern G Nr. 9 und 10 befindliche, im Eigentum des Antragstellers stehende Grundfläche nicht als öffentliche Privatstraße nach § 34 Abs. 1 lit. b TStG anzusehen sei. Er brachte vor, daß zwischen ihm und K, J und P (diese als beklagte Parteien) zu 17 Cg nnn/85 des Landesgerichtes Innsbruck ein Rechtsstreit anhängig gewesen sei, in dem das Oberlandesgericht Innsbruck (als Berufungsgericht) mit Urteil vom 30. Juni 1988 ausgesprochen habe, daß das Begehren des Antragstellers, festzustellen, die beklagten Parteien seien nicht berechtigt, über das Grundstück 87/3 und 87/13 (richtig: .13) zu gehen bzw. zu fahren, nicht berechtigt sei. Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, daß Gemeingebrauch "am betreffenden Grundstück" (Einzahl) bestehe. Zur Entscheidung über den Gemeingebrauch sei jedoch das Gericht nicht befugt, sondern habe "diese Entscheidung gegebenenfalls als Vorfrage zu beurteilen". Zuständig für die Feststellung, ob eine bestimmte Wegfläche im Gemeingebrauch stehe, sei die Verwaltungsbehörde. Nach § 34 TStG seien öffentliche Privatstraßen nicht zu einer anderen Gruppe öffentlicher Straßen gehörende Straßen, die von dem über die Straße Verfügungsberechtigten durch Erklärung gegenüber der Behörde dem Gemeingebrauch gewidmet werden oder unabhängig vom Willen des über die Straße Verfügungsberechtigten seit mindestens 30 Jahren der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses dienten. Es stehe zunächst fest, daß der Antragsteller gegenüber der Behörde zu keiner Zeit eine "Gemeingebrauchwidmung" abgegeben habe. Er sei der Auffassung, daß Gemeingebrauch an der gegenständlichen Wegfläche (die über seine Grundstücke führe) nicht bestehe. Nach § 34 Abs. 4 lit. a TStG habe die Behörde auf Antrag des über die Straße Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen, ob eine öffentliche Privatstraße nach § 34 Abs. 1 lit. b TStG vorliege.

In der mündlichen Verhandlung vom 4. März 1993 äußerte der Vertreter der Gemeinde, er verweise "auf die in dieser Sache ergangenen Urteile des Landesgerichtes bzw. Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 9.10.1987 bzw. 30.6.1988". Mehr könne er dazu nicht angeben. Er sei der Meinung, daß dieser Weg zur Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses diene. Der Nachbar erklärte: "So wie es immer gewesen ist, soll es bleiben. Wieso soll jetzt nicht mehr gegangen oder gefahren werden?".

Der Antragsteller verwies ergänzend zu seinen Ausführungen im Antrag vom 22. September 1992 darauf, daß die gegenständliche Grundfläche (gemeint: soweit sie als Weg verwendet werde) zur Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses nicht notwendig sei. Sämtliche Liegenschaften, die sich östlich und nördlich dieser Grundfläche befänden, könnten problemlos und besser über die öffentliche Gemeindestraße, die unmittelbar in die Landesstraße einmünde, erschlossen werden. Derzeit befänden sich östlich der Wegfläche, soweit ersichtlich, gerade acht bewohnte Gebäude und es sei daher schon aus diesem Grund ein öffentliches Interesse für die gesamte Gemeinde nicht ersichtlich. Wenn überhaupt, könnte die öffentliche Wegfläche nur zur geringfügigen Abkürzungen des Geh- oder Fahrweges von den genannten östlich bzw. nördlich gelegenen acht Gebäuden zu einem Ziel, welches sich östlich der Einmündung der strittigen Wegfläche in die Landesstraße befinde, bedeuten. Diese allfällige Abkürzung betrage weniger als 100 m und es sei daher den Bewohnern der acht Gebäude der längere Weg jedenfalls zumutbar. Dazu komme noch, daß die Benützung der gegenständlichen Wegfläche aufgrund der rechtwinkeligen Einmündung und des größeren Gefälles beschwerlich sei. Zur Stellungnahme der Gemeinde werde ausgeführt, daß der südlichste Teil der strittigen Wegfläche von der Gemeinde selbst dem Antragsteller verkauft und ihm in diesem Kaufvertrag ausdrücklich das Recht eingeräumt worden sei, diese Grundfläche einzuzäunen. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes werde deutlich, daß man bei Unterfertigung des Kaufvertrages jedenfalls von keinem dringenden Verkehrsbedürfnis ausgegangen sei, weil die Benützung der Wegfläche, wenn der Antragsteller von seinem Recht auf Einzäunung der gekauften Grundfläche Gebrauch gemacht hätte, unmöglich gewesen wäre. Zur Abklärung der Frage, ob ein dringendes öffentliches Verkehrsbedürfnis seit zumindest 30 Jahren bestehe, beantrage er die Einholung eines verkehrsplanerischen Gutachtens, die Durchführung von Erhebungen über den Umfang des Benützerkreises und die Ermittlung der genauen Wegstrecke, die gegebenenfalls für die acht Anrainer als "Umweg" in Betracht komme.

Mit Bescheid vom 29. März 1993 entschied der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als Behörde erster Instanz wie folgt:

"Es wird festgestellt, daß die zwischen den Häusern G Nr. 9 und 10 befindliche, im Eigentum des Antragstellers stehende Grundfläche als öffentliche Privatstraße nach § 34 Abs. 1 lit. b Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989, anzusehen ist."

Begründend führte die Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Gesetzeslage (§ 34 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 lit. a TStG) aus, sie habe im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß es sich "bei diesem Wegteil bereits um einen Streitgegenstand handelt, über den beim Landesgericht Innsbruck zu Aktenzahl 17 Cg 559/85 und beim Oberlandesgericht Innsbruck zu Aktenzahl 3 R 183/88 bereits zivilrechtliche Urteile ergangen sind". Dabei sei die Frage des Gemeingebrauches als Vorfrage beurteilt worden. In diesem Zivilprozeß sei ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, wobei die Behörde auf verschiedene, öffentlich-rechtlich relevante Tatsachen verweisen könne. Aus dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck ergebe sich unter anderem folgender Sachverhalt: Das Gericht habe festgestellt, daß der Bevölkerung von G samt fremden Gästen das Dienstbarkeitsrecht des Gehens, Spazierens, Wanderns, Fahrens (auch mit Lkw und landwirtschaftlichen Fahrzeugen wie Traktoren usw.) und des Viehtriebes als Servitut des Gemeingebrauches, also eine Publikumsservitut zustehe, all dies auf Grundstück Nr. 13 der KG G in einer Breite von mehr als 3,5 m gegen Norden hin zwar etwas verjüngend, weil dort der Weg auch teilweise auf der Gp 12 zum Teil verlaufe (richtig wohl: Bp 12 - anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß in der Wiedergabe der gerichtlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid sowie auch in dem dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck die Bauparzellen durchwegs als Grundstück Nr. 12 bzw. 13, also ohne Punkt oder ohne Beisatz "Bauparzelle" vor der Grundstücksnummer, bezeichnet werden, worauf in der folgenden Sachverhaltsdarstellung nicht mehr eigens verwiesen wird). Zwischen den Häusern G Nr. 9 und G Nr. 10 und in der Folge nach Süden der Liegenschaftsgrenze der Liegenschaften des Antragstellers und des Nachbarns entlang verlaufe in südlicher Richtung ein Weg, der zur G-Landesstraße führe. Nach einer Vereinbarung vom 3. Jänner 1987 (nach dem Berufungsurteil richtig: 1985) zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Nachbarn sei dieser Weg um seine halbe Breite nach Osten verlegt worden. Bis dahin sei der Weg ab der G-Landesstraße ausschließlich auf den Grundstücken Nr. 87/3 und 13 des Antragstellers verlaufen. Seit dem 3. Jänner 1987 (gemäß dem Berufungsurteil richtig: 1985) verlaufe er nunmehr in einer Breite von 1,57 m auf der Liegenschaft des Antragstellers, die zweite Weghälfte von ebenfalls 1,57 m führe über die Grundstücke Nr. 127 und 12 des Nachbarn. Nördlich der Anwesen G 9 und G 10 verlaufe der Weg ausschließlich auf dem Grund des Nachbarn, bis er in die G-Gemeindestraße, die zur Fraktion Pitzen führe, münde. Der Weg habe sich in der Natur ursprünglich als zwei aus festgefahrender Erde mit Schottergestein gebildeten Fahrspuren dargestellt, zwischen denen teilweise Grasbüschel minderer Qualität gewachsen seien. Eine solche Gestalt habe der Weg etwa im Jahre 1930 gehabt. Je mehr der Weg beansprucht worden sei, "umso schottriger und ausgeprägter verlief er".

Im Zuge des gerichtlichen Beweisverfahrens sei auch dargelegt worden, daß dieser Weg zwischen den beiden Häusern als Viehtriebsweg verwendet worden sei (wird näher ausgeführt). Die Wiese südlich des G-Baches sei nicht nur als Weide, sondern auch zur Heugewinnung genutzt worden. Das Heu sei ebenfalls über den fraglichen Weg bis zur Gemeindestraße und von dort bis zum Anwesen der Landwirte P geführt worden. Diese Art des Viehtriebes und des Heutransportes werde "auch heute noch praktiziert". Nicht nur die Familie P, sondern auch die Bewohner der Fraktionen Pi und S, soweit sie Vieh hielten bzw. Weiderechte südlich des Gschnitztalbaches und westlich in Richtung Kirche bzw. Ortsmitte gehabt hätten und weiterhin hätten, trieben seit altersher, jedenfalls seit mehr als 30 Jahren, ihr Vieh unter anderem auch über den Weg zwischen den Häusern 9 und 10.

Die Einwohner der Fraktionen Pi (derzeit 44 Einwohner) und S (derzeit 29 Einwohner) benützten seit mehr als 30 Jahren den gegenständlichen Weg dazu, um von ihren Wohnhäusern aus auf die G-Landesstraße und von dort zur Schule, zum Postamt und zum Gemeindeamt zu kommen, welche Gebäude alle östlich der Einmündung des Weges in die G-Landesstraße lägen. Dieser Weg stelle für sie eine wesentlich kürzere Verbindung zu diesen Gebäuden dar, als wenn sie die befahrene Gemeindestraße bis zu deren Einmündung in die G-Straße östlich der Kirche und in der Folge die G-Straße ostwärts benützen würden. Der Fußweg über die Fraktion S, der östlich von diesen drei öffentlichen Gebäuden einmünde, sei ebenfalls "um wesentliches länger" als der gegenständliche Weg. Zu berücksichtigen sei aber auch, daß in der Fraktion Pi 35 Fremdenbetten und in der Fraktion S 45 Fremdenbetten den Gästen zur Verfügung stünden, die ebenfalls diesen Weg als kürzere Verbindung verwendeten. Wenn Einwohner anderer Fraktionen der Gemeinde G in Pi oder S zu tun hätten und aus Richtung Osten kämen, so komme es vor, daß sie über den streitgegenständlichen Weg gingen. Das Gericht habe auch festgestellt, daß seit mehr als 30 Jahren der Weg zwischen den Liegenschaften G 9 und 10 als Fußweg mit "zeit- und ortsüblichen Fortbewegungsmitteln" benützt werde, also mit Fahrrädern, mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken, wie Heuwägen und später auch mit Traktoren. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe mit Urteil vom 30. Juni 1988 im wesentlichen diese Feststellungen bestätigt. Im Berufungsurteil werde ausgeführt, daß aufgrund der Erhebungen des Gerichtes erster Instanz ein Gemeingebrauch am streitgegenständlichen Weg zur bejahen sei.

Der Gemeingebrauch sei eine Art öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, die - zum Unterschied zur privatrechtlichen Ersitzung z.B. eines Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde - auch durch eine sogenannten öffentlich-rechtliche stillschweigende Widmung begründet werden könne.

Gemäß § 2 Abs. 1 TStG sei eine Straße eine bauliche Anlage, die dazu bestimmt sei, den Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen einschließlich Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen. Öffentliche Straßen und Wege seien dem Gemeingebrauch gewidmete Straßen und Wege. Der Gemeingebrauch sei die jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne besondere Ermächtigung zustehende Benützung einer Straße zu Verkehrszwecken im Rahmen der Widmung. Nach den Erhebungen der Zivilgerichte habe die gegenständliche Fläche seit mehr als 30 Jahren unabhängig vom Willen des betroffenen Grundeigentümers dem allgemeinen Verkehr gedient. Der sogenannte Gemeingebrauch sei unabhängig vom Willen des über den Wegegrund Verfügungsberechtigten entstanden. Nicht erforderlich sei für die Entstehung der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit, daß die Wegbenützung entweder gegen oder aber mit dem Willen des Grundeigentümers erfolge. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes in bezug auf das Erfordernis eines "dringenden Verkehrsbedürfnisses" in den einzelnen Landesstraßengesetzen stehe fest, daß ein solches dringendes Verkehrsbedürfnis dann bestehe, wenn ohne Benützung des Weges bzw. der Straße wichtige Verkehrsbelange der Allgemeinheit (einer Gemeinde, einer Ortschaft oder auch nur eines Teiles einer Ortschaft, nicht jedoch aber der Bewohner einzelner Gebäude oder Gehöfte) nicht befriedigt oder wesentlich beeinträchtigt würden.

In diesem Zusammenhang müsse auf den Flächenwidmungsplan der Gemeinde vom 12. Mai 1982, der von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 12. Jänner 1983 genehmigt worden sei, verwiesen werden. Daraus ergebe sich, daß der öffentliche Gemeindeweg, der nach den Vorstellungen des Antragstellers zu benützen sei - weshalb nach seiner Auffassung kein dringendes öffentliches Verkehrsbedürfnis an der streitgegenständlichen Wegfläche bestehe -, im Bereich der Einmündung in die Landesstraße in der "Roten bzw. in der Gelben Zone" liege. Aus dem Gefahrenzonenplan ergebe sich nämlich, daß dieser Wegbereich sowohl in der Gefährdungszone der Pi-Lawine als auch in der Gefährdungszone des X-Baches liege. Es liege somit auf der Hand, daß der Gemeindeweg im Winter bei Lawinengefahr und im Sommer bei Hochwassergefahr gesperrt werden müsse. In diesem Fall müßten die Bewohner der Fraktionen Pi und S den streitgegenständlichen Weg zwischen den Häusern 9 und 10 benützen. Ebenso liege auf der Hand, daß diese Gefahrenquellen - über den Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes hinaus - länger als seit 30 Jahren gegeben seien, sodaß Sperren auch früher notwendig gewesen seien. Aus diesem Grund müsse die Ausweichmöglichkeit über die streitgegenständliche Wegfläche unbedingt erhalten bleiben (wird näher ausgeführt).

Speziell "aus dem ganzen Beweisverfahren der Zivilgerichte und dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde" gehe eindeutig hervor, daß seit mehr als 30 Jahren die gegenständliche Straßenfläche der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses gedient habe. Die Einholung des vom Antragsteller begehrten Gutachtens sei daher entbehrlich. Zu der vom Antragsteller angeführten Möglichkeit, auf der öffentlichen Gemeindestraße zu den nördlich der gegenständlichen Grundfläche liegenden Gehöfte zu gelangen, sei zu bemerken, daß "diese Gemeindestraße" (gemeint: daß die Benützung der Gemeindestraße) einen Umweg speziell für Fußgänger und für den Viehtrieb darstellen würde, der nicht zumutbar sei. Die "gegenständliche Abkürzung" betrage 110 m. Auch habe der Antragsteller dabei nicht berücksichtigt, daß diese Gemeindestraße im Bedarfsfall gesperrt werden müsse. Die Einmündung der streitgegenständlichen Fläche in die G-Landesstraße stelle kein Problem dar: Speziell für den Fußgängerverkehr sei die rechtwinkelige Einmündung und ein geringfügig größeres Gefälle nicht beschwerlich. Sofern der Antragsteller ausführe, daß er auf der von der Gemeinde gekauften Fläche einen Zaun errichten dürfe, so sei auf die Ausführung der Zivilgerichte zu verweisen, die festgestellt hätten, "daß hier ein Durchgangsrecht zum Gehen bzw. Fahren besteht". Der Zaun müßte also so errichtet werden, daß die Zu- und Abfahrt jederzeit möglich sei. Weitere Erhebungen seien nicht notwendig geworden, weil bereits die Zivilgerichte ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt hätten. Die Behörde habe dieses Ermittlungsverfahren im gegenständlichen Verfahren weitgehendst berücksichtigen können.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er insbesondere vorbrachte, "daß eine Entscheidung anhand des im Zivilverfahren ergangenen Urteiles des Oberlandesgericht Innsbruck" nicht zulässig erscheine: Das Gericht sei zur Klärung der Frage, ob an einer bestimmten Wegfläche Gemeingebrauch vorliege, ob also die im Eigentum des Antragstellers stehende Grundfläche als öffentliche Privatstraße nach § 34 Abs. 1 lit. b TStG anzusehen sei, nicht berufen. Die Behörde habe den vom Gericht festgestellten Sachverhalt ohne weitere Würdigung bzw. Überprüfung übernommen, sodaß der Antragsteller nicht erkennen könne, von welchen Erwägungen sich letztlich die Behörde bei der Ermittlung des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltes habe leiten lassen. Die Behörde hätte die Beweise "unmittelbar" aufzunehmen gehabt (wird näher ausgeführt). Darüber hinaus hätten sich die gesetzlichen Voraussetzungen seit der Berufungsentscheidung geändert, weil sich das Berufungsgericht auf die Rechtslage gemäß dem Tiroler Straßengesetz 1951 gestützt habe. Das vom Tiroler Straßengesetz 1989 geforderte "dringende Verkehrsbedürfnis" liege nicht vor (wird eingehend näher ausgeführt). Schließlich verwies der Antragsteller darauf, daß die Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung seinen Antrag, festzustellen, daß die Grundfläche nicht als öffentliche Privatstraße anzusehen sei, hätte abweisen müssen; die positive Feststellung sei daher nicht zulässig.

Mit Berufungsbescheid vom 17. August 1993 wies der Gemeindevorstand die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Zusammenfassend trat die Berufungsbehörde der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde bei; das AVG sei nicht vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht, sodaß die Behörde berechtigt gewesen sei, die Ergebnisse anderer Verfahren zu verwerten, die auch eine gehörige Beurteilung nach dem Tiroler Straßengesetz 1989 zuließen.

Dagegen erhob der Antragsteller Vorstellung, in der er der Sache nach sein Berufungsvorbringen wiederholte.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 1994 hat die belangte Behörde den Berufungsbescheid behoben. Begründend führte sie aus, die belangte Behörde habe bereits mit Bescheid vom 31. August 1992 rechtskräftig festgestellt, daß es sich beim gegenständlichen Wegteil nicht um einen Bestandteil einer öffentlichen Straße handle. Dennoch habe die Berufungsbehörde die Berufung als unbegründet abgewiesen, weil die Tatsache der Benützung dieser Fläche als Weg mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck festgestellt worden "und die Zulässigkeit des Gemeingebrauches gegeben" sei. Dies sei auch mit dem genannten Bescheid vom 31. August 1992 als zutreffend erkannt worden, "nicht jedoch die Qualifikation als öffentliche Privatstraße". Wie sich aus § 34 Abs.1 lit. b TStG ergebe, sei Voraussetzung für eine öffentliche Privatstraße das DRINGENDE öffentliche Verkehrsbedürfnis. Ein solches sei jedoch "in keiner Weise nachgewiesen" worden. Der Umstand, daß ein Teil des Gemeindeweges in einer Gefahrenzone liege und "irgendwann eine Sperre des Gemeindeweges nach sich ziehen würde, was bislang noch nie der Fall" gewesen sei, sei ebenso für die Qualifikation als öffentliche Privatstraße unerheblich, wie die Tatsache, daß der "Weg" (im angefochtenen Bescheid unter Anführungszeichen), wie er von der Behörde richtig bezeichnet worden sei, seit über 30 Jahren dem Gemeingebrauch diene. Dies habe, wie das Gericht festgestellt habe, zur Begründung einer Servitut führen können, "weshalb die hauptsächliche Argumentation aufgrund des Gerichtsurteiles" verfehlt sei. Eine Servitut des Gemeingebrauches könne auch über eine Wiese führen, die aber mangels "technischen Zustandes nie zur Straße werden" könne. Wohl habe die Berufungsbehörde § 2 TStG 1989 zitiert, aber ohne Bezug auf die tatsächliche Beschaffenheit der Fläche und den Gesetzesinhalt zu nehmen. Dieser laute in den erläuternden Bemerkungen wie folgt: "Eine Straße ist nach den Begriffsbestimmung des Abs. 1 eine bauliche Anlage. Nach der umfangreichen Judikatur des VwGH zum Begriff "bauliche Anlage" im Sinne des Baurechtes ist darunter eine Anlage zu verstehen, zu deren Herstellung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in einer gewissen Verbindung gebracht und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren. Ein Weg ist nach der Begriffsbestimmung des Abs. 2 hingegen nur eine Anlage. Ein Verkehrsweg, der nur dadurch entsteht, daß ein bestimmter Grundstreifen regelmäßig von Fußgängern, Fahrzeugen oder Tieren benützt wird, ist weder als Straße noch als Weg im Sinne des im Entwurf vorliegenden Gesetzes anzusehen." Bei Berücksichtigung dieser Voraussetzungen könne es "keinesfalls zur bekämpften Feststellung kommen", ganz abgesehen von der "wichtigsten Voraussetzung des dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses". Wäre nach Ansicht der Gemeinde tatsächlich ein solches gegeben, so hätte sie gemäß § 12 TStG 1989 die Verpflichtung bzw. die Aufgabe, eine Gemeindestraße zu widmen und herzustellen.

Mit Antrag vom 11. Dezember 1991 an die belangte Behörde hatte der Antragsteller den Ausspruch begehrt, daß die zwischen den Häusern G 9 und 10 befindliche, in seinem Eigentum stehende Fläche nicht als "öffentliche Straße" (im Antrag unter Anführungszeichen) im Sinne des Tiroler Straßengesetzes anzusehen sei. Er brachte dazu zusammenfassend vor, die Fläche, die sich zwischen den Häusern G 9 und G 10 befinde, stehe teilweise in seinem Eigentum und sei nicht als "öffentliche Straße" gewidmet. Die Voraussetzungen für eine "Öffentlicherklärung" dieser Flächen seien nicht gegeben (wurde näher ausgeführt, insbesondere unter Hinweis darauf, daß kein dringendes Verkehrsbedürfnis bestehe). Über Aufforderung der belangten Behörde führte der Antragsteller aus, zuständige Behörde zur Beurteilung der Frage, ob Gemeingebrauch vorliege bzw. ob ein Teil der Grundfläche als "öffentliche Straße" anzusehen sei, sei die Landesregierung (verwiesen wird auf § 3 Abs. 2 und auf § 34 Abs. 1 und Abs. 4 TStG). Beantragt wurde nun der Ausspruch, daß die zwischen den beiden Häusern befindliche, im Eigentum des Antragstellers stehende Grundfläche nicht als "öffentliche Straße" im Sinne des Tiroler Straßengesetzes anzusehen sei und auch keine öffentliche Privatstraße nach § 34 Abs. 4 lit. a TStG vorliege. Mit dem genannten Bescheid vom 31. August 1992 entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Es wird festgestellt, daß es sich bei den Grundstücksteilen zwischen den Häusern Nr. 9 und 10 in G nicht um Teile einer öffentlichen Straße handelt".

Begründend führte die belangte Behörde aus: Wie sich aus dem Akteninhalt und dem Vorakt der Gemeinde G und der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sowie aus dem Grundbuchsstand ergebe, befänden sich die gegenständlichen Wegflächen im Privateigentum. Dieser Umstand alleine sei jedoch nicht maßgeblich für die "Qualifikation eines öffentlichen Weges". Voraussetzung für dieselbe sei die Widmung im Sinne des Tiroler Straßengesetzes als Landesstraße, Gemeindestraße, öffentliche Interessentschaftsweg oder öffentliche Privatstraße. Da es ebenso unbestritten sei, daß eine solche Widmung durch Gesetz oder Verordnung oder Bescheid bzw. Vertrag niemals erfolgt sei, sei die oben angeführte Feststellung zu treffen. Hinsichtlich der Frage des Gemeingebrauches sei jedoch darauf hinzuweisen, daß dieser auch ohne öffentlich-rechtliche Widmung vorliegen könne, worüber bereits die Gerichte befunden hätten.

Das in den vorgelegten Akten der belangten Behörde befindliche Konzept nennt ebenso wie eine darin befindliche, unterfertigte Ausfertigung nur den Antragsteller als Adressaten; tatsächlich wurde der Bescheid auch der Gemeinde mit dem Beisatz "zur Kenntnis" zugestellt (wie sich aus dem in den Gemeindeakten befindlichen Ausfertigung mit einem entsprechend ergänzten Verteiler ergibt). Die Zustellung an den Antragsteller und die Gemeinde erfolgte jeweils am 8. September 1992 (Rückscheine im Akt der belangten Behörde). In den Akten der belangten Behörde befindet sich weiters ein diesbezüglicher Schriftverkehr mit dem rechtsfreundlichen Vertreter des Nachbarn, welcher bemängelte, daß der Bescheid vom 31. August 1992 "mit Nichtigkeit behaftet" sei; insbesondere wäre der Nachbar als Eigentümer der anderen Hälfte der Straße als Partei zuzuziehen gewesen.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Vorstellungsentscheidung vom 27. Jänner 1994. Geltend gemacht wird inhaltliche Rechtswidrigkeit, beantragt wird (aber), den angefochtenen Bescheid gemäß "§ 42 Abs. 2 lit. a), c) VwGG" aufzuheben. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich in dem ihr zustehenden Recht verletzt, die zwischen den Häusern Gschnitz Nr. 9 und 10 befindliche, im Eigentum des Antragstellers stehende Grundfläche als öffentliche Privatstraße nach § 34 Abs. 1 lit. b TStG festzustellen.

Die belangte Behörde hat (lediglich) ihre Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie der Antragsteller, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Da eine gehörige Behandlung der Sache aufgrund der Unvollständigkeit der von der belangten Behörde vorgelegten Akten nicht möglich gewesen wäre, hat der Verwaltungsgerichtshof die Gemeinde um Übermittlung der bezughabenden Verwaltungsakten ersucht. In Entsprechung dieses Ersuchens hat die Gemeinde Ablichtungen der diesbezüglichen Verwaltungsakten sowie des mehrfach genannten Berufungsurteiles des Oberlandesgerichtes Innsbruck vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Gemeinde bringt in ihrer Beschwerde vor, nach den (zu ergänzen: von den Gemeindebehörden übernommenen) Feststellungen der Zivilgerichte sei "das streitgegenständliche Grundstück" seit über 30 Jahren allgemein, ohne Einschränkung auf einen bestimmten Kreis von Benützungsberechtigten und unabhängig von einer ausdrücklichen Erlaubnis des Verfügungsberechtigten zum Befahren mit Fahrrädern, landwirtschaftlichen Fuhrwerken und Traktoren benützt worden. Gemäß § 1 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes 1951 sei damit das gegenständliche Wegstück zur öffentlichen Straße geworden. Das Tiroler Straßengesetz 1951 sei deshalb anzuwenden, weil das Ende der 30jährigen Frist "zumindest in den Geltungsbereich" dieses Gesetzes falle. Eine Widmung nach dem Tiroler Straßengesetz 1989 sei deshalb nicht mehr erforderlich, weil "Kraft der damals bestandenen gesetzlichen Möglichkeiten (TStG 1951)" der Gemeingebrauch durch eine sogenannte öffentlich-rechtliche stillschweigende Widmung begründet worden sei. Sofern der angefochtene Bescheid "bestreite", daß es sich bei der fraglichen Fläche um eine bauliche Anlage im Sinne "der Judikatur zum geltenden Tiroler Straßengesetz 1989" handle, müsse dem entgegnet werden, daß im Verfahren keine wie immer gearteten Feststellungen "über die Zustandsbeschreibung in dem bereits angeführten Gerichtsurteil hinaus" erfolgt seien. Auszugehen sei deshalb von der Feststellung, daß der streitgegenständliche Weg zum Befahren mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Traktoren und auch Lkw-Fuhren geeignet erscheine.

2. a) Gemäß § 1 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes vom 16. November 1988, LGBl. Nr. 13/1989 (TStG 1989

- Paragraphenzitate ohne nähere Bezeichnung beziehen sich auf dieses Gesetz) gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über öffentliche Straßen auch für öffentliche Wege, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 ist eine Straße eine bauliche Anlage, die dazu bestimmt ist, dem Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen einschließlich Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist ein Weg eine Anlage, die dazu bestimmt ist, dem Verkehr von Fußgängern, von Fahrzeugen mit Ausnahmen von Kraftfahrzeugen und von Tieren zu dienen. Gemäß Abs. 3 sind öffentliche Straßen und Wege dem Gemeingebrauch gewidmete Straßen und Wege.

Gemäß § 3 Abs. 2 hat die Behörde auf Antrag a) des Straßenverwalters, b) des Eigentümers der betreffenden Grundfläche oder Anlage oder c) desjenigen, dem ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht an der betreffenden Grundfläche oder Anlage zusteht, das zu deren Gebrauch oder Nutzung berechtigt, mit schriftlichem Bescheid festzustellen, ob eine Grundfläche oder eine Anlage Bestandteil einer öffentlichen Straße ist oder nicht. In einem solchen Verfahren haben die in den lit. a bis c genannten Personen Parteistellung (Behörde ist diesbezüglich gemäß § 75 Abs. 1 lit. b die Landesregierung).

Gemäß § 34 Abs. 1 sind öffentliche Privatstraßen jene nicht zu einer anderen Gruppe öffentlicher Straßen gehörenden Straßen, die

  1. a) von dem über die Straße Verfügungsberechtigten durch Erklärung gegenüber der Behörde dem Gemeingebrauch gewidmet werden oder
  2. b) unabhängig vom Willen des über die Straße Verfügungsberechtigten seit mindestens 30 Jahren der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses dienen.

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde auf Antrag des über die Straße Verfügungsberechtigten oder der Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, mit Bescheid festzustellen,

  1. a) ob eine öffentliche Privatstraße nach Abs. 1 lit. b vorliegt oder

    b welchem Verkehr eine öffentliche Privatstraße nach Abs. 1

    lit. b gewidmet ist (Behörde ist diesbezüglich gemäß § 75 Abs. 3 lit. a der Bürgermeister).

Gemäß § 83 Abs. 1 sind Straßenbaubewilligungsverfahren sowie Enteignungsverfahren, in denen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eine Entscheidung der Behörde erster Instanz erlassen worden ist, nach den Vorschriften des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 1/1951 (TStG 1951) zu Ende zu führen. Alle anderen Verfahren sind nach diesem Gesetz durchzuführen.

b) Durch das Verfahren nach § 3 Abs. 2 soll im Einzelfall festgestellt werden, ob eine bestimmte Grundfläche oder eine bestimmte Anlage Bestandteil einer Straße nach § 3 Abs. 1 ist oder nicht (vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles etwa: Ob es sich eine unmittelbar dem Verkehr dienende Fläche im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a handelt). Von diesem Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 2 ist das Verfahren nach § 34 Abs. 4 lit. a zu unterscheiden: Während es beim erstgenannten Verfahren um die Feststellung der Zugehörigkeit eines bestimmten Straßenteiles zu einer öffentlichen Straße geht, betrifft das andere Verfahren die Feststellung, ob eine ganze Straße eine öffentliche Straße einer bestimmten Straßengruppe darstellt oder nicht (siehe dazu die in Gstöttner, Tiroler Straßengesetz (1989), Seite 31 wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen).

Daher ist die Auffassung der belangten Behörde, eine Feststellung gemäß § 3 Abs. 2 stehe einer Feststellung gemäß § 34 Abs. 4 lit. a entgegen, verfehlt. Insbesondere kann aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Abgrenzung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde eine Entscheidung der Landesregierung iS des § 3 Abs. 2 zwar die Frage des Vorliegens einer öffentlichen Straße als Vorfrage beurteilen, niemals aber bindende Wirkung für die im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vorzunehmende Feststellung gemäß § 34 Abs. 4 lit. a leg. cit. entfalten.

c) Hingegen vermag sich der Verwaltungsgerichtshof dem in der Gegenschrift wiederholten Vorbringen des Antragstellers, die Behörden hätten im Hinblick auf den Wortlaut seines Antrages (begehrte negative Feststellung) keine positive Feststellung treffen dürfen, sondern hätten allenfalls seinen Antrag abweisen müssen (weshalb der Bescheid schon deshalb zutreffend aufgehoben worden sei), nicht beizutreten. Das Vorliegen eines Antrages des (oder der) über die Straße Verfügungsberechtigten oder auch der Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, ist zwar Voraussetzung für eine bescheidmäßige Feststellung gemäß § 34 Abs. 4 lit. a, eine derartige inhaltliche Bindung an den Wortlaut des Antrages, wie sie dem Antragsteller vorschwebt, kann aber dieser gesetzlichen Bestimmung nicht entnommen werden. Besteht ein entsprechendes Feststellungsinteresse (wie es durch eine Antragstellung manifest wird), wäre es auch unzweckmäßig, ohne zwingende Notwendigkeit gegebenenfalls mehrere diesbezügliche Verfahren nebeneinander oder nacheinander abzuführen.

d) Für den von der Beschwerdeführerin angestrebten Rückgriff auf § 1 Abs. 2 TStG 1951 in einem Verfahren gemäß § 34 Abs. 4 lit. a TStG 1989 bietet das Gesetz (TStG 1989) keine Handhabe. Darauf, daß die in § 1 Abs. 2 TStG 1951 umschriebene 30jahres-Frist bereits vor Inkrafttreten des TStG 1989 vollendet gewesen sei, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, kommt es (mangels entsprechender Anordnung im TStG 1989) nicht an. Damit kann auch dahingestellt bleiben, ob die Befriedigung eines DRINGENDEN Verkehrsbedürfnisses Voraussetzung für das Entstehen einer öffentlichen Straße im Sinne des § 1 Abs. 2 TStG 1951 war oder nicht (verneinend das oftmals genannte Berufungsurteil, das allerdings ein dringendes Verkehrsbedürfnis aus anderen Gründen annahm; bejahend sichtlich die in Gstöttner, aaO, Seite 256 zu § 80 wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen, die davon ausgehen, daß die Voraussetzungen für die stillschweigende Widmung nach dem TStG 1989 mit jenen im bisherigen Tiroler Straßengesetz übereinstimmten und eine stillschweigende Widmung einer Straße für den Gemeingebrauch demnach anzunehmen sei, wenn die Straße unabhängig vom Willen des über sie Verfügungsberechtigten seit mindestens 30 Jahren zur Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses dem Gemeingebrauch diene). Die Beurteilung der belangten Behörde, daß es im Beschwerdefall auf ein DRINGENDES Verkehrsbedürfnis ankomme, war daher zutreffend.

e) Davon ausgehend, war jedoch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, daß das Vorliegen des im § 34 Abs. 1 lit. b näher umschriebenen dringenden Verkehrsbedürfnisses "nicht nachgewiesen" worden sei unzutreffend. Ein solches dringendes Verkehrsbedürfnis setzt voraus, daß ohne Benützung des Weges bzw. der Straße wichtige Verkehrsbelange der Allgemeinheit (einer Gemeinde, einer Ortschaft oder auch nur eines Teiles einer Ortschaft, nicht aber der Bewohner einzelner Gebäude oder Gehöfte) nicht befriedigt oder wesentlich beeinträchtigt werden. Eine nur geringfügige Wegabkürzung vermag ein dringendes Verkehrsbedürfnis nicht zu begründen, wohl aber eine ins Gewicht fallende (siehe dazu Krzizek, Wegerecht, Seite 106 und die auf den Seiten 108 bis 110 dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die Verfahrenslage läßt eine abschließende Beurteilung dieser Kriterien nicht zu. Die erstinstanzliche Behörde hat zwar festgestellt, daß der fragliche Verkehrsweg für einen näher umschriebenen Personenkreis eine "wesentlich kürzere Verbindung" zur Schule, zum Gemeindeamt und zum Postamt darstelle, und hat auch diese "Abkürzung" mit 110 m beziffert, die Richtigkeit dieser vom Beschwerdeführer bestrittenen Feststellungen läßt sich aber mangels Feststellung aller maßgeblichen topographischen Gegebenheiten (die auch im Berufungsverfahren nicht nachgeholt wurde) nicht beurteilen. Gleiches gilt sinngemäß hinsichtlich des Bereiches der im Flächenwidmungsplan vorgesehenen Gefahrenzonen. Die belangte Behörde hat zwar mit ihrer Gegenschrift ein näheres Vorbringen erstattet, aus dem das Ausmaß der "Abkürzung" beurteilt werden könnte, und hat eine diesbezügliche Skizze vorgelegt; auch hat die Gemeinde über Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes - um eine Veranschaulichung der örtlichen Gegebenheiten zu ermöglichen - Ablichtungen der Katastralmappe und der Gefahrenzonenpläne und anderes topographisches Material vorgelegt, dem Verwaltungsgerichtshof ist es aber im Beschwerdeverfahren verwehrt, mangelnde Tatsachenfeststellungen nachzuholen (siehe dazu die bei Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 550 wiedergegebene Judikatur). Der Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid auf die Gefahrenzonen im Flächenwidmungsplan und der anschließende Hinweis, es liege somit auf der Hand, daß der Gemeindeweg im Winter bei Lawinengefahr und im Sommer bei Hochwassergefahr gesperrt werden müsse, läßt offen, ob nun der Gemeindeweg tatsächlich gesperrt wurde und wenn ja, in welchem (räumlichen wie zeitlichen) Umfang. Der Antragsteller hat in seinen Rechtsmitteln daher zutreffend darauf verwiesen, daß auch diesbezüglich nähere Feststellungen erforderlich wären, um die Frage eines dringenden Verkehrsbedürfnissen am fraglichen Verkehrsweg beurteilen zu können.

f) Die belangte Behörde irrt aber auch in der Frage, wie die bauliche Beschaffenheit eines Weges sein muß, um eine Erklärung zur öffentlichen Privatstraße vornehmen zu können. Zunächst zeigen schon die Begriffsdefinitionen des § 2 Abs. 3 und 4, daß der Gesetzgeber Straßen und Wege gleichrangig behandelt, weshalb - anders als die belangte Behörde meint - auch ein Weg zur öffentlichen Privatstraße im Sinne des 6. Abschnittes des Tiroler Straßengesetzes 1989 erklärt werden kann (§ 34 Abs. 1 lit. a und b TStrG). Ein Weg bedarf aber - entgegen der Annahme der belangten Behörde - keiner "baulichen Anlage", da dies in § 2 Abs. 1 leg. cit. nur von Straßen (im engeren Sinne) gefordert wird. Ein Weg im Sinne einer Anlage besteht vielmehr schon dann, wenn er in der Natur als solcher für jedermann eindeutig wahrnehmbar ist, das heißt, die dauernde Benützung die für einen Weg charakteristische Gestaltung seiner Fläche bewirkt hat. Eine von Menschenhand vorgenommene Gestaltungsmaßnahme (allenfalls im Sinne einer straßenbaulichen Maßnahme, wie etwa Planierung, Oberflächengestaltung) wird für einen Weg im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. nicht gefordert. Sie wird auch in den Fällen des § 34 Abs. 1 lit. b (also wenn keine ausdrückliche Widmung des Eigentümers der Wegparzelle für den öffentlichen Verkehr vorliegt) in der Regel gar nicht erwartet werden können. Die Begriffsumschreibung des § 2 Abs. 2 soll offenbar nur sicherstellen, daß der Weg nicht nur auf Plänen, sondern auch in der Natur als solcher erkennbar (und daher benützbar) ist.

3. Demnach war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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