Normen
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §129b;
BauRallg;
VVG §11 Abs1;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
AVG §68 Abs1;
BauO Wr §129b;
BauRallg;
VVG §11 Abs1;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 30. September 1983 wurde dem Eigentümer des Hauses Wien XV, Goldschlagstraße 53, u.a. aufgetragen, den schadhaften Verputz und das schadhafte Mauerwerk der Rauchfangköpfe beider Gassentrakte und die schadhaften äußeren hofseitigen Fensterflügel instandsetzen zu lassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Im Rahmen einer Zwangsversteigerung erwarb die Beschwerdeführerin die Liegenschaft durch Zuschlag mit Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. Mai 1989. Mit Kaufvertrag vom 19. Juni 1989 verkaufte sie einen 453/8497 Anteil an J.G.; mit Kaufvertrag vom 17. Jänner 1990 verkaufte sie den Restanteil an die G.-Ges.m.b.H. (die Einverleibung des letztgenannten Rechtsgeschäftes ist einem Grundbuchsauszug vom 12. März 1990 noch nicht, vom 17. Mai 1990 allerdings schon zu entnehmen).
Mit Verfahrensanordnung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64 (MA 64), vom 28. Juni 1989 wurde unter Hinweis auf den Auftrag vom 30. September 1983 für die Inangriffnahme der Leistung noch einmal eine Frist von einer Woche, gerechnet ab Zustellung dieses Schreibens, gesetzt. Diese Androhung wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung zugestellt.
Mit Bescheid der MA 64 vom 29. September 1989 wurde der Beschwerdeführerin als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme aufgetragen, S 480.000,-- einzuzahlen, weil die in der Verfahrensanordnung vom 28. Juni 1989 angeführten Verpflichtungen nicht erfüllt worden waren. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, daß die Voraussetzungen des § 4 VVG gegeben seien.
Am 15. Mai 1990 erschien der Gatte der Beschwerdeführerin bei der MA 64 und erklärte, daß die Beschwerdeführerin seit Jänner 1990 nicht mehr grundbücherliche Eigentümerin sei und daß der Kostenvorauszahlungsauftrag vom 29. September 1989 nicht "rechtskräftig" zugestellt worden sei, da die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt ortsabwesend gewesen sei.
Aus diesem Grunde beantragte der Vertreter der Beschwerdeführerin am 22. Mai 1990 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid vom 29. September 1989 und holte unter einem die Berufung nach. Unter Hinweis auf das Schonungsprinzip wurde in der Berufung geltend gemacht, daß der Kostenvorauszahlungsbetrag um mindestens 3/4 höher angesetzt sei, als die voraussichtlichen Instandsetzungskosten betragen würden. Der Bescheid enthalte keinerlei Hinweise, welche Maßnahmen und Voraussetzungen der Schätzung der Kosten zugrundelägen.
Mit Schreiben vom 23. Februar 1994 brachte die MA 64 der Beschwerdeführerin die von der Magistratsabteilung 25 ermittelten Kosten zur Kenntnis. Diese Aufgliederung lautete:
"Rauchfangköpfe samt allen Nebenarbeiten ca. 20 m3 S 250.000,--
Fenster inst., ohne Unterschied der Größe samt Anstrich u.
Verglasung ca. 38 Loch a S 8.560,-- S 325.280,--
Summe S 575.280,--
plus 20 % S 115.056,--
S 690.336,--
gerundet S 690.000,--"
Die Beschwerdeführerin äußerte sich dazu am 7. April 1994 dahingehend, daß es sich beim schadhaften Mauerwerk der Rauchfangköpfe um Flächen handle, welche nach Quadratmeter und nicht nach Kubikmeter zu beurteilen seien. Von einer Kostenaufgliederung könne bei der Knappheit des Textes nicht die Rede sein. Auch sei nicht erkennbar, was unter "allen Nebenarbeiten" zu verstehen sei. Eine Aufgliederung müsse zumindest eine Kostentrennung für die Instandsetzung und für Nebenarbeiten wie Baustelleneinrichtung, die Rüstung und Schuttentfernung enthalten, um eine Vergleichsbasis zu haben. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sei bei ähnlichen Vorhaben mit Kosten in der Höhe von maximal S 50.000,-- zuzüglich 20 % USt zu rechnen. Hinsichtlich der Fenster wurde auf eine Zeichnung eines Werkmeisters vom 15. November 1985 verwiesen, aus welcher sich klar und deutlich ergebe, daß lediglich 12 Normalfenster und 4 Klofenster schadhaft und nur 5 Fenster und ein Klofenster erneuerungsbedürftig seien. Daher könne von "ca. 38 Loch" Fenster keine Rede sein. Die S 8.560,-- zuzüglich USt seien für die Klofenster indiskutabel und auch für die 17 Normalfenster weit überhöht. Es fehle jede Detaillierung. Man müßte mit S 70.000,-- bis 80.000,-- das Auslangen finden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Der Bescheid wurde an die Beschwerdeführerin als Haus- und Grundeigentümerin gerichtet. Der Beschwerdeführerin, der gemäß § 4 VVG der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten erteilt wurde, sei eine Kostenaufgliederung zur Kenntnis gebracht worden, welche allenfalls durch einschlägige Kostenvoranschläge von Professionisten, keinesfalls mit Argumenten, die sich auf Erfahrungen des täglichen Lebens stützen, widerlegt werden könnten.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde legte Kopien der Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Durch den Titelbescheid vom 30. September 1983 wurde der Eigentümer dieser Liegenschaft verpflichtet, u.a. die eingangs angeführten Instandsetzungmaßnahmen auszuführen. Gemäß § 129b der Bauordnung für Wien (BO) wird die Wirksamkeit sämtlicher aufgrund der Bestimmungen dieses Gesetzes erlassenen Bescheide durch einen Wechsel der Person des Eigentümers nicht berührt. Daraus folgt im vorliegenden Fall, daß auch die Beschwerdeführerin, so lange sie Eigentümerin war, dieser Instandsetzungsverpflichtung entsprechen mußte.
Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen.
Die vom Gesetz geforderte Androhung der Ersatzvornahme erfolgte gegenüber der Beschwerdeführerin durch das Schreiben der MA 64 vom 28. Juni 1989. Mit dem Ablauf der dort gesetzten Frist begann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Vollstreckungsverfahren gegenüber der Beschwerdeführerin, weshalb sie als (seinerzeitige) Eigentümerin zur ungeteilten Hand mit den anderen Eigentümern, insbesondere auch mit ihren Rechtsnachfolgern, zur Vorauszahlung der Kosten verpflichtet war (siehe die Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1169, insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Slg.Nr. 12.942/A).
Die Berufungsbehörde wies die Berufung gegen den Kostenvorauszahlungsauftrag vom 29. September 1989 nicht wegen Verspätung zurück, weil sie offenbar davon ausgegangen ist, daß die Berufungsfrist tatsächlich erst zwei Wochen vor der Postaufgabe der Berufung am 22. Mai 1990 zu laufen begann oder die Berufung vorzeitig, also ohne Zustellung des erstinstanzliches Bescheides, erhoben wurde (eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist dem vorgelegten Akt nicht zu entnehmen). Daraus folgt aber jedenfalls, daß die belangte Behörde nicht davon ausgegangen ist, daß der erstinstanzliche Bescheid zu einer Zeit zugestellt worden ist, als die Beschwerdeführerin noch Hauseigentümerin war.
Dies schadet allerdings nach dem oben Gesagten nicht, weil das Vollstreckungsverfahren schon mit der Zustellung der Androhung begonnen hat und somit auch noch durch den angefochtenen Bescheid die Verpflichtung zum Kostenersatz ausgesprochen werden konnte.
Die Beschwerdeführerin meint nun, daß auf sie als Ersteherin im Rahmen einer Versteigerung die Verpflichtung des Titelbescheides nicht übergegangen sei. Der Bescheid vom 30. September 1983 sei gegenstandslos geworden.
Dabei verkennt sie allerdings, daß die auf einer Liegenschaft haftenden, auf öffentlich-rechtlichen Titeln beruhenden Lasten ohne Rücksicht auf das Rangverhältnis zur Forderung des betreibenden Gläubigers und ohne Rücksicht darauf, ob sie bücherlich eingetragen sind oder nicht, jedenfalls ohne Anrechnung auf das Meistbot vom Ersteher übernommen werden müssen. Diese Lasten sind stets in den Versteigerungsbedingungen zur Orientierung der Kauflustigen anzuführen. Auch wenn dies unterbleibt, sind diese Lasten ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen (Heller-Berger-Stix, EO-Kommentar4, II, 1185; siehe auch SZ 34/64).
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht es die Beschwerdeführerin an, daß die belangte Behörde sich mit ihrer in der Beschwerde wiederholten Äußerung vom 7. April 1994 nicht auseinandergesetzt hat; es liege keine Kostenaufgliederung vor und der Grundsatz der Kostenminimierung sei verletzt worden. Der Instandsetzungsauftrag aus 1983 habe nur einige und nicht sämtliche Fenster betroffen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sich auch die Käuferin des größeren Liegenschaftsanteiles der Beschwerdeführerin gegen einen Kostenvorauszahlungsauftrag in der Höhe von S 690.000,-- zunächst durch eine an den Verfassungsgerichtshof und von diesem dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde zur Wehr gesetzt hat. Grundlage jenes Berufungsbescheides war dieselbe Kostenaufgliederung durch die Magistratsabteilung 25 (MA 25-EV 15/958/93), die hier zugrundegelegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof wies die an ihn abgetretene Beschwerde mit Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/05/0013 ab. Wörtlich wurde in jenem Erkenntnis folgendes ausgeführt:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß dann, wenn die voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme im Wege einer "amtlichen Kostenschätzung" ermittelt werden, die verpflichtete Partei konkrete Umstände für die angebliche Unrichtigkeit der Annahme der Behörde über die Höhe der voraussichtlichen Kosten angeben müsse und den Verpflichteten die Beweislast für die Behauptung der preislichen Unangemessenheit der Kostenersatzvornahme trifft (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. November 1984, Zl. 84/07/0279, vom 25. März 1987, Zl. 87/01/0049, u.a.). In einem weiteren Erkenntnis vom 12. März 1992, Zl. 91/06/0219, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß die amtliche Kostenschätzung jedenfalls so aufgeschlüsselt sein müsse, daß dem Verpflichteten die Möglichkeit der Überprüfung und damit der Konkretisierung der preislichen Unangemessenheit gegeben sei.
Dem zuletzt genannten Erfordernis entspricht die eingeholte Kostenschätzung gerade noch, sie enthält den Umfang der erforderlichen Arbeiten einschließlich des Stückpreises pro Fensterloch. Da es die Beschwerdeführerin unterlassen hat, zu der ihr übermittelten Kostenaufschlüsselung eine Äußerung abzugeben, konnte die belangte Behörde davon ausgehen, daß gegen die Kostenaufschlüsselung keine sachlichen Einwände mehr vorlagen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 90/06/0171)."
Im gegenständlichen Verfahren hat es die Beschwerdeführerin allerdings nicht unterlassen, zu dieser Aufgliederung Stellung zu nehmen. Insbesondere hat sie unter Hinweis auf eine aus dem Jahre 1985 stammende Skizze die Anzahl der sanierungsbedürftigen Fenster bestritten. Aufgrund dieser Äußerung hätte aufgeklärt werden müssen, warum die Behörde zur Annahme gelangt ist, daß 38 Fenster instandzusetzen seien und warum alle 38 Fenster, die unterschiedlich groß sind, gleiche Sanierungskosten hätten. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, daß Titel ein Bescheid aus dem Jahre 1983 war, also Verschlechterungen an anderen Fenstern gegenüber der Beschwerdeführerin zu keinen Kostenerhöhungen führen können.
Dadurch, daß die belangte Behörde auf die Äußerung der Beschwerdeführerin nicht einging, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des von der Beschwerdeführerin gestellten Begehrens.
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