VwGH 94/05/0155

VwGH94/05/015520.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Marktgemeinde G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. April 1994, Zl. R/1-V-92225/01, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei F in W), zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Marktgemeinde G Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 2. Dezember 1991 wurde das Ansuchen des mitbeteiligten Bauwerbers um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die "Wiedererrichtung eines bäuerlichen Wohnhauses" auf den im Grünland gelegenen Grundstücken Nr. 512 und 513, EZ 92 des Grundbuches KG X, unter Berufung auf § 98 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 wegen Widerspruches mit dem geltenden Flächenwidmungsplan abgewiesen. Zur Begründung ihrer Auffassung stützte sich die Baubehörde erster Instanz im wesentlichen auf das Gutachten des Amtssachverständigen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung B/4, vom 18. Juli 1990, in welchem dieser zusammenfassend die Auffassung vertreten hatte, daß jener landwirtschaftliche Betrieb, für welchen das den Gegenstand des Bauansuchens bildende Wohnhaus erforderlich sei, einen jährlichen Abgang in der Größenordnung von S 75.000,-- bis S 85.000,-- erwarten lasse und die Betriebssubstanz jährlich um diesen Betrag geschmälert werde. Die geplante landwirtschaftliche Tätigkeit stelle daher lediglich ein Hobby dar.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 19. Oktober 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Auch die Berufungsbehörde verwies auf das erwähnte Gutachten des Amtssachverständigen, welches sie ausdrücklich als schlüssig erachtete.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Februar 1993 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung des Mitbeteiligten gemäß § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 Folge gegeben, der erwähnte Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde verwiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0074, wurde infolge Beschwerde der auch nunmehr im vorliegenden Beschwerdeverfahren beschwerdeführenden Marktgemeinde der vorzitierte Bescheid der Vorstellungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ausgehend von der im Zusammenhang mit dem Beschwerdefall zu beantwortenden Frage, ob im Gegenstande von einer zumindest nebenberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit des Mitbeteiligten die Rede sein könne, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß für den mitbeteiligten Bauwerber kein günstigeres Ergebnis im gegenständlichen Fall zu erzielen wäre, wenn der Sachverständige seinen Berechnungen die Annahme zugrundegelegt hätte, daß das geplante Wohnhaus mit Eigenmitteln des Mitbeteiligten finanziert werde. Es bestehe daher im Zusammenhang mit der Beantwortung der erwähnten Frage weder eine Ergänzungsbedürftigkeit des Betriebskonzeptes noch die Notwendigkeit eines ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen, wie dies von der Vorstellungsbehörde angenommen worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang gemäß § 61 Abs. 4 der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973 der Vorstellung des Mitbeteiligten stattgegeben, den bekämpften Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin verwiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 7. September 1993 seien dahingehend zu verstehen, daß zu prüfen sei, ob der Mitbeteiligte durch den Bescheid des Gemeinderates vom 19. Oktober 1992 in anderen Rechten - als die Ergänzungsbedürftigkeit des Gutachtens - verletzt worden sei oder nicht. Im Bescheid vom 23. Februar 1993 habe die belangte Behörde die Auffassung vertreten, daß für die Beurteilung der Erforderlichkeit im Sinne des § 19 Abs. 4 NÖ ROG 1976 nur das eingesetzte Fremdkapital (Zinsenbelastung) und die Kosten für die Betriebsführung zu berücksichtigen seien, nicht jedoch der Zinsenanspruch für das eingesetzte Kapital sowie die jährlichen Annuitäten (im Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen als Kapitalwiedergewinnungsfaktoren bezeichnet). Der landwirtschaftliche Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 18. Juli 1990 als Kapitalwiedergewinnungsfaktoren einen Gesamtbetrag von S 102.359,-- (für die Anschaffung der Liegenschaften, Errichtungskosten des Wohngebäudes und des Schafstalles, Sanierung des bestehenden Gebäudes an der östlichen Grundstücksgrenze, Errichtung eines Tores, Errichtung einer Einfriedung, Herstellung des Stromanschlusses und Neuanlage von Wiesen und Weiden) ausgewiesen. Daraus werde der Schluß gezogen, daß der landwirtschaftliche Sachverständige von den erwartenden Einnahmen zu Unrecht fiktive Betriebsausgaben in dieser Höhe abgezogen habe. Lasse man diese fiktiven Betriebsausgaben außer Betracht, ergebe sich somit ein Einnahmenüberschuß in der Höhe von ca. 17.000,-- bis 27.000,--Schilling. Darüberhinaus weise die selbstbewirtschaftete Fläche ein Ausmaß von 12.633 m2 auf (das Ausmaß der selbstbewirtschafteten Fläche habe die belangte Behörde durch Einsichtnahme in den diesbezüglichen Grundbuchsauszug und in eine Bestätigung der Bezirksbauernkammer Hollabrunn überprüft). Der landwirtschaftliche Sachverständige sei hingegen in seinem Ergänzungsgutachten vom 12. Juli 1991 nur von einer Fläche von

9.133 m2 ausgegangen. Er habe deshalb in seinem Gutachten eine unzureichende Eigenfutterfläche und damit ein jährliches Futterzukaufserfordernis in der Höhe von S 17.000,-- in Rechnung gestellt. Im Hinblick auf die tatsächlich vorhandene Futterfläche von 12.633 m2 verbessere sich das Betriebsergebnis jährlich somit um weitere 17.000,-- Schilling. Demnach betrage der Überschuß der Einnahmen jährlich S 34.000,-- bis S 44.000,--. Diese Beträge würden noch durch den Umstand vergrößert, daß der landwirtschaftliche Sachverständige die vorgenannten Kapitalwiedergewinnungsfaktoren teilweise doppelt verrechnet habe, da diese Kosten im Betriebskonzept bereits unter dem Posten "Abschreibung für Abnützung" berücksichtigt worden seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 2 des NÖ ROG 1976 sind nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse für Flächen, die für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, für Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen, und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden.

Zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle dürfen im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur vorgesehen werden, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.

Bereits im Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0074, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die bisherige Judikatur ausgeführt, daß im gegenständlichen Fall als Voraussetzung für die Errichtung des beantragten Baues von einer zumindest nebenberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit des Mitbeteiligten ausgegangen werden muß. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn es sich hiebei um eine planvolle, grundsätzlich auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete nachhaltige Tätigkeit handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 1978, Slg. Nr. 9513/A, und die daran anschließende ständige Rechtsprechung), wenn also nicht von vorneherein ausgeschlossen ist, daß die aus dieser Tätigkeit zu erwartenden Einnahmen auf Dauer unter den damit zusammenhängenden Ausgaben bleiben. Ob zumindest ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb vorliegt, hängt daher einerseits von der Betriebsgröße, aber auch von dem erzielbaren Beschäftigungserfolg ab (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 92/06/0036).

Ob im Gegenstande eine nebenberufliche landwirtschaftliche Tätigkeit des Mitbeteiligten im Sinne der dargestellten Rechtslage vorliegt, ist - ungeachtet einer entsprechenden Betriebsgröße - anhand des auf Grundlage des vorgelegten Projektes und des Betriebskonzeptes erstellten Sachverständigengutachtens zu beurteilen. Das Gutachten des Amtssachverständigen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, Abt. B/4, von welchem auch die belangte Behörde bei ihrer rechtlichen Beurteilung ausgeht, kommt zu einem jährlichen Abgang des projektierten Betriebes des Mitbeteiligten in einer Größenordnung von ca. 75.000,-- bis 85.000,-- Schilling auf Grund einer Deckungsbeitragsberechnung, welche sich aus dem Rohertrag (Verkaufserlös) eines Produktes abzüglich jener Kosten, die unmittelbar und direkt der Herstellung dieses Produktes zuzuordnen sind (variable Kosten) ergibt. Aus diesem Deckungsbeitrag gilt es - nach Darlegung des Sachverständigen in seinem Gutachten -, alle sonstigen Kosten eines Landwirtschaftsbetriebes "abzudecken". Ein positiver Deckungsbeitrag ist die Grundvoraussetzung für eine wirtschaftliche Betriebsführung. Um beurteilen zu können, ob die Betriebsführung wirtschaftlich ist, - führt der Sachverständige weiter aus - sind in die Kalkulation auch die Kosten einer Investition (Abschreibung und Verzinsung) miteinzubeziehen, welche durch den Deckungsbeitrag zur Gänze abgedeckt werden müssen, da "sonst der Betrieb langfristig seine gesamten Kosten nicht abdecken kann, die Differenz aus der Betriebssubstanz entnehmen muß und somit zum wirtschaftlichen Untergang verurteilt ist" (Seite 9 des Sachverständigengutachtens vom 18. Juli 1990). Ausgehend von diesen - nicht unschlüssigen - Erwägungen des landwirtschaftlichen Sachverständigen vermag daher der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, warum die vom Sachverständigen (vorhandene Eigenmittel des Mitbeteiligten vorausgesetzt) in seinem Gutachten als "Kapitalwiedergewinnungsfaktoren" errechneten Kosten einer Investition nicht bei Ermittlung der Wirtschaftlichkeit der vom Mitbeteiligten geplanten nachhaltigen landwirtschaftlichen Tätigkeit in Ansatz gebracht werden sollen. Auch im angefochtenen Bescheid finden sich hiezu keine nachvollziehbaren Begründungsdarlegungen.

Schon aus diesem Grund erweist sich daher der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.

Ohne nähere Begründung ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, warum sich - ausgehend vom Gutachten des Amtssachverständigen - das jährliche Betriebsergebnis bei einer angenommenen Vergrößerung der selbstbewirtschafteten Fläche durch den Mitbeteiligten auf 12.633 m2 um S 17.000,-- verbessert. Ebenso vermag der Verwaltungsgerichtshof die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, der landwirtschaftliche Sachverständige habe die vorgenannten "Kapitalwiedergewinnungsfaktoren" teilweise doppelt verrechnet, "da diese Kosten im Betriebskonzept bereits unter dem Posten "Abschreibung für Abnützung" berücksichtigt worden sind", ohne entsprechende ergänzende Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen nicht nachzuvollziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich veranlaßt, abschließend darauf hinzuweisen, daß der vom Amtssachverständigen gewählte Kapitalisierungszinsfuß von 4 % für den Einsatz von Eigenmitteln in einer für den Verwaltungsgerichtshof schlüssig nicht nachvollziehbaren Weise dem Gutachten zugrundegelegt wurde und daher diesbezüglich das Gutachten ebenso wie hinsichtlich der Berücksichtigung der von der belangten Behörde festgestellten Größe der selbstbewirtschafteten Fläche des Mitbeteiligten ergänzungsbedürftig ist.

Aus diesen Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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