Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Landeshauptstadt Linz Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. Juli 1993 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich der Mitbeteiligten aufgrund deren Antrag gemäß § 15 Abs. 1 AWG die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln von gefährlichen Abfällen und Altölen (Spruchpunkt I). Diese Erlaubnis umfaßte die Berechtigung zum Sammeln und Behandeln gefährlicher Abfälle und Altöle mit im einzelnen aufgezählten Schlüsselnummern. Im Spruchpunkt II wurde der Mitbeteiligten eine Abfallbehandlernummer zugewiesen. Mit Spruchpunkt III wurde der Mitbeteiligten die Erlaubnis zur Bestellung eines abfallrechtlichen Geschäftsführers erteilt. Im Spruchpunkt IV wurden "allgemeine Auflagen und Bedingungen" vorgeschrieben; danach darf etwa die Zwischenlagerung der gesammelten gefährlichen Abfälle nur auf bewilligten Flächen erfolgen und die Behandlung gefährlicher Abfälle nur
mittels behördlich bewilligter Abfallbehandlungsanlagen erfolgen.
Mit Spruchpunkt V wurde der Mitbeteiligten weiters die Erlaubnis "zur thermischen Behandlung aller unter Spruchabschnitt I angeführten gefährlichen Abfälle und Altöle mittels mobiler Anlagen "System Hafner" nach Maßgabe der beiliegenden, mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen und unter Beachtung der nachstehenden Auflagen und Bedingungen" erteilt. In 63 Punkten wurden detailliert die Anforderungen an die Anlagen dargelegt. Als Rechtsgrundlage wurde § 15 Abs. 4 AWG angeführt.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es wörtlich: "Die Anforderungen an derartige Abfallbehandlungsanlagen hinsichtlich Standortauswahl und Standortbeschaffenheit, Errichtung, Betrieb, Abbau und Überwachung wurde unter sinngemäßer Anwendung der Anforderungen des § 29 AWG unter besonderer Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 AWG normierten öffentlichen Interessen festgelegt und weitgehend bereits im Projekt verwirklicht".
Dieser Bescheid wurde der Mitbeteiligten und dem abfallrechtlichen Geschäftsführer zugestellt.
Mit Eingabe vom 24. September 1993, gerichtet an die den genannten Bescheid erlassende Behörde, erklärte die Beschwerdeführerin, daß in einem Genehmigungsverfahren nach § 29 AWG, unabhängig davon, ob die Abfallbehandlungsanlage als mobil gelte oder nicht, der Beschwerdeführerin nach § 29 Abs. 5 AWG ex lege Parteistellung zukomme. Sie habe gemäß § 29 Abs. 5 Z. 3 AWG Parteistellung, darüber hinaus sei davon auszugehen, daß eine Parteistellung auch aufgrund des § 29 Abs. 5 Z. 5 AWG vorliegen könne. Nach den der Stadt Linz zur Verfügung stehenden Informationen schließe die Genehmigung das Betreiben der Anlage im Gemeindegebiet der Stadt Linz oder in der Stadt Linz unmittelbar angrenzenden Gemeinden nicht aus. Es wurde daher der Antrag gestellt, daß der Beschwerdeführerin der Genehmigungsbescheid zugestellt werde.
Diesem Zustellungsantrag gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 29. Dezember 1993 keine Folge. Einzige Partei des Verfahrens nach § 15 AWG sei der Antragsteller, sonst komme niemandem Parteistellung zu. Ein Bewilligungsverfahren nach § 29 AWG sei nicht zur Anwendung gekommen, weil ein Durchführungserlaß der belangten Behörde vom 2. Dezember 1990 vorsehe, daß die Durchführung eines Bewilligungsverfahrens gemäß § 29 AWG bei einem geplanten kurzfristigen Einsatz mobiler Anlagen aufgrund der langen Verfahrensdauer unpraktikabel sei. Aus diesem Grunde sei der Antragstellerin nach Vorlage eines ausgereiften Projektes unter der Vorschreibung einer beträchtlichen Anzahl von Auflagen und Bedingungen zur Sicherung der öffentlichen Interessen des § 1 Abs. 3 AWG die Erlaubnis auf der Grundlage des § 15 AWG erteilt worden; ein Genehmigungsverfahren nach § 29 AWG sei nicht durchgeführt worden, weshalb der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bescheidzustellung unzulässig gewesen sei.
In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, § 29 AWG regle die Genehmigung für bestimmte Abfall- und Altölbehandlungsanlagen eindeutig und abschließend und enthalte keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß mobile Anlagen von ihrem Geltungsbereich ausgenommen wären. Der bekämpfte Bescheid stelle zwar nicht formell, jedoch materiell auf § 29 AWG ab; die Beschwerdeführerin bestehe auf ihrem gesetzlichen Rechtsanspruch auf Parteistellung zur Wahrung des Schutzes der Bürger und der Umwelt. Dieser Umwelt- und Nachbarschutz könne effektiv nur standortbezogen wahrgenommen werden und folglich bedeute die rechtlich verfehlte Genehmigung nach § 15 AWG den Entzug der gesetzlich eingeräumten Parteistellung.
Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid dieser Berufung keine Folge. Ohne auf den von der Erstinstanz zitierten Erlaß einzugehen, führte sie aus, daß § 15 AWG keinen Raum lasse, aufgrund § 8 AVG jemandem Parteistellung zuzuerkennen, auf den sich die Tätigkeit der Behörde nicht bezogen habe. Der Berufungsbehörde sei es verwehrt, über den Antrag und das in der Berufung Vorgebrachte hinaus tätig zu werden, weshalb eine inhaltliche Auseinandersetzung zur Rechtsfrage des Verhältnisses des § 15 zu § 29 AWG habe unterbleiben müssen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Juli 1993 verletzt erachtet, weil ihr gemäß § 29 Abs. 5 Z. 3 und 5 AWG Parteistellung in einem nach § 29 AWG durchzuführenden Genehmigungsverfahren zukomme. Sie begehrt Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 AWG, BGBl. Nr. 325/1990, bedarf, wer gefährliche Abfälle oder Altöle sammelt (abholt oder entgegennimmt) oder behandelt (verwertet, ablagert oder sonst behandelt), hiefür einer Erlaubnis des Landeshauptmannes. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist die Erlaubnis erforderlichenfalls nur für bestimmte Abfall- oder Altölarten oder Behandlungsweisen sowie unter Bedingungen, Befristungen oder Auflagen zu erteilen, wenn deren Erfüllung oder Einhaltung für die Ausübung der Tätigkeit oder im öffentlichen Interesse geboten ist.
Gemäß § 29 Abs. 1 AWG bedarf die Errichtung sowie die Inbetriebnahme von Anlagen von Unternehmen, deren überwiegender Betriebszweck die Übernahme von nicht im eigenen Betrieb anfallenden gefährlichen Abfällen zur thermischen oder stofflichen Verwertung oder sonstiger Behandlung ist, einer Genehmigung des Landeshauptmannes. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung haben Parteistellung in diesem Verfahren u.a. die Gemeinde des Standortes und die unmittelbar angrenzenden Gemeinden der Behandlungsanlage sowie Nachbarn (§ 75 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung 1973), die Einwendungen gemäß Abs. 4 innerhalb der sechswöchigen Frist erhoben haben.
Eine dem § 29 Abs. 5 AWG vergleichbare Regelung, mit der anderen Personen als dem Bewilligungswerber Parteistellung zuerkannt wird, enthält § 15 AWG nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der Auffassung der belangten Behörde, mit Bescheid vom 2. Juli 1993 sei bloß eine Bewilligung nach § 15 AWG erteilt worden, nicht folgen. Wohl weisen die Punkte I bis IV des Bescheidspruches auf eine derartige Bewilligung hin, zumal die "allgemeinen Auflagen und Bedingungen" in IV auf gesonderte "behördlich bewilligte Abfallbehandlungsanlagen" verweisen. Demgegenüber muß aber Punkt V des Bescheides inhaltlich als Anlagenbewilligung gemäß § 29 AWG angesehen werden. Abgesehen davon, daß die Behörde zwar nicht im Spruch, aber in der Begründung ausdrücklich auf § 29 AWG verwiesen hat, handelt es sich bei Punkt V des Bescheides mit seinen 63 Auflagen eindeutig um eine Anlagengenehmigung. Die detaillierte Festlegung von Sachanforderungen an derartige Anlagen geht weit über die Möglichkeit des § 15 Abs. 4 AWG hinaus, dem Erlaubniswerber gewisse Behandlungsweisen aufzutragen sowie die Erlaubnis unter Bedingungen oder Auflagen zu erteilen. Vielmehr wird etwa durch die Vorschreibungen, daß
die Anlagen projektgemäß aufzustellen und zu betreiben sind, nur auf geeigneten Standorten betrieben werden dürfen, wie der Aufbau der Anlage zu erfolgen hat, daß ein Brandschutzplan vor der ersten Inbetriebnahme auszuarbeiten ist, wie für einen Stromausfall vorzusorgen ist, daß sanitäre Anlagen vorzusehen sind, welche höchstzulässigen Emissionen einzuhalten sind, daß eine Rauchgasreinigungsanlage vorzusehen ist, daß Bauteile, die mit wassergefährdeten Flüssigkeiten in Berührung kommen können, flüssigkeitsdicht auszuführen sind, daß Chemikalien-Bindemittel bereit zu halten sind, etc.,
eindeutig dokumentiert, daß mit diesem Bescheidpunkt die Errichtung von Anlagen genehmigt wurde. Völlig unzweifelhaft wird dies auch dadurch, daß die Genehmigung für mobile ANLAGEN "System Hafner" nach Maßnahme der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen erteilt wurde. Wenn als Rechtsgrundlage im Bewilligungsbescheid § 15 Abs. 4 AWG anstelle des § 29 AWG angeführt wurde, kann dies nur als im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerhebliche, Vergreifen im Ausdruck qualifiziert werden.
Ausgehend von einer erteilten Anlagenbewilligung hätten die Behörden nicht ohne nähere Prüfung, ob die Voraussetzungen nach § 29 Abs. 5 Z. 3 und 5 AWG (nunmehr Z. 4 und 6 des § 29 Abs. 5 AWG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 155/1994) auf Seiten der Beschwerdeführerin gegeben sind, über den Antrag auf Bescheidzustellung entscheiden dürfen. Damit, daß die belangte Behörde von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen ist, es sei nur eine Genehmigung nach § 15 AWG erteilt worden und es könne daher der Beschwerdeführerin Parteistellung gar nicht zukommen, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
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