VwGH 94/03/0126

VwGH94/03/012612.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde 1.) der C in M und 2.) der B in K, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. März 1994, Zl. Agrar11-81/2/1994, betreffend Vorschreibung von Waldschutzmaßnahmen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
JagdG Krnt 1978 §71;
JagdRallg;
AVG §59 Abs1;
JagdG Krnt 1978 §71;
JagdRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Punkt I.2. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von 13.100 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 29. März 1994 wurden den Beschwerdeführerinnen als Jagdausübungsberechtigten der Eigenjagd "G" aufgrund der Gefährdung des Waldes durch Wild gemäß § 71 des Kärntner Jagdgesetzes 1978, LGBl. Nr. 76 (im folgenden kurz: JG), u.a. folgende Auflage erteilt:

"I.2. Auf Parzelle Nr. 131, im südöstlichen Parzellenteil der Parzelle Nr. 79/1, und im südwestlichen Parzellenteil der Parzelle Nr. 117/1, KG S, in allen schälgefährdeten Beständen der I. und II. Altersklasse sind mindestens 400 Stämme pro ha in entsprechender Verteilung mittels Schälschutzwickel zu schützen."

Gegen diesen Punkt des Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 2 JG hat, wenn eine Gefährdung des Waldes durch Wild vorliegt (Abs. 3), die Bezirksverwaltungsbehörde den Jagdausübungsberechtigten von Jagdgebieten, die zum Einzugsbereich des den Wildschaden hauptsächlich verursachenden Wildes gehören, die erforderlichen Maßnahmen (Abs. 4) vorzuschreiben. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel zu wahren, insbesondere das jeweils gelindeste zielführende Mittel zu wählen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die widmungsgemäße Bewirtschaftung und Benützung des Grundstücke nicht unmöglich gemacht wird.

Der Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat folgenden Wortlaut:

"Eine Gefährdung des Waldes im Sinne des Abs. 2 liegt vor, wenn die Einwirkungen des Wildes durch Verbiß, Verfegen oder Schälen

  1. a) in den Beständen ausgedehnte Blößen verursachen oder auf größeren Flächen die gesunde Bestandesentwicklung unmöglich machen oder wesentlich verschlechtern oder eine standortgemäße Baumartenmischung (Abs. 3a) gefährden;
  2. b) die Aufforstung oder Naturverjüngung auf aufforstungsbedürftigen Flächen innerhalb der aus den forstrechtlichen Bestimmungen sich ergebenden Fristen oder die Aufforstung bei Neubewaldungen innerhalb einer nach den standortlichen Gegebenheiten angemessenen Frist gefährden;
  3. c) Naturverjüngungen in Naturverjüngungsbeständen nicht aufkommen lassen."

Abs. 4 leg. cit. lautet:

"Als Schutzmaßnahmen im Sinne des Abs. 2 kommen in Betracht:

  1. a) die Austreibung des zu Schaden gehenden Wildes aus dem Schadensgebiet;
  2. b) die Maßnahmen nach § 72 und § 68 Abs. 2
  3. c) Maßnahmen der Äsungsverbesserung und Reviergestaltung nach § 3 Abs. 3, Maßnahmen nach § 61 Abs. 1, 2, 4a und 7;
  4. d) technische Maßnahmen zum Schutz von Waldflächen oder Einzelpflanzungen vor Wildeinwirkungen, wie die Anbringung eines geeigneten Verbiß- oder Schälschutzes oder die Errichtung von Wildzäumen u.ä."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde aufgetragen, "in allen schälgefährdeten Beständen" auf bestimmten Parzellen(teilen) bestimmte Maßnahmen zu setzen. Damit ist aber die auferlegte Verpflichtung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit festgelegt. Die von § 59 Abs. 1 AVG geforderte Deutlichkeit bedeutet für Leistungsbefehle Bestimmtheit - nicht bloß Bestimmbarkeit - in dem Sinne, daß aufgrund des Bescheides, ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens und neuerlicher Entscheidung, eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. März 1988, Zl. 87/03/0223). Diesem Erfordernis wird mit der von der belangten Behörde gewählten Spruchfassung nicht Rechnung getragen, weil zur Beurteilung, auf welcher Fläche die "schälgefährdeten Bestände" vorliegen, jedenfalls ein Ermittlungsverfahren notwendig ist. Auch der Ausspruch "im südöstlichen Parzellenteil" sowie im "südwestlichen Parzellenteil" läßt die erforderliche Bestimmtheit vermissen. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Im übrigen sei für das fortgesetzte Verfahren auf folgendes verwiesen:

Die belangte Behörde stützt die Vorschreibung der Anbringung von Schälschutzwickeln auf das Gutachten eines forstlichen Sachverständigen, welcher zur Schälschadenssituation ausgeführt habe, es seien zur Feststellung der aktuellen Schälschadenssituation im Eigenjagdgebiet G mehrere Schälschadensflächen erhoben worden. Aus der Zusammenstellung der Schälschadensprozente für die Jahre 1990, 1992 und 1993 ergebe sich, daß die aktuelle Schälschadenssituation tolerierbar sei, zumal im Jahr 1993 auf den fünf herangezogenen Probeflächen nur ein geschälter Stamm festgestellt worden sei. Die gravierenden Schäden der vorangegangenen Jahre zeigten jedoch, daß auf Parzelle Nr. 131 KG S eine durchschnittliche Beschädigung der vorhandenen Stämme durch Schälung von ca. 50% gegeben sei. Auf Parzelle 79/1 sei im Jahr 1990 der Bestand zu 88% geschält gewesen. Es sei daher festzustellen, daß im Bereich der Probeflächen auf den Parzellen Nr. 131, 79/1 und 117/1 ein derartig großer Anteil der vorhandenen Stammzahl durch Schälung geschädigt sei, daß der Anteil der gesunden Stämme weniger als 6/10 der vollen Überschirmung ausmache. Es sei damit der Zustand der flächenhaften Gefährdung des Bewuchses durch jagdbare Tiere - hier durch Schälung - gegeben. Aus forstfachlicher Sicht sei es daher erforderlich, in allen schälgefährdeten Beständen der I. und II. Altersklasse auf Parzelle Nr. 131, im südöstlichen Teil der Parzelle 79/1 und im südwestlichen Teil der Parzelle 117/1 mindestens 400 Stämme pro Hektar in entsprechender Verteilung mittels Schälschutzwickel zu schützen.

Aufgrund dieses Gutachtens folgerte die belangte Behörde, daß eine flächenhafte Gefährdung des Waldes durch Wild gegeben sei, sodaß entsprechende Schutzmaßnahmen vorgesehen werden müßten. Ein entsprechender Schutz der verbleibenden und nicht geschälten Stämme sei notwendig. Das Anbringen von Schälschutzwickeln sei das gelindeste zielführende Mittel iSd § 71 Abs. 2 JG, da nur damit das Erreichen eines gesunden Endbestandes von zumindest 400 Stämmen gewährleistet werden könne. Andere Schutzmaßnahmen, wie ein Austreiben des Wildes oder andere, im JG angeführte Maßnahmen könnten einen effizienten Schutz der Bäume nicht permanent sicherstellen und trügen die Gefahr weiterer Schälschäden in sich, die sich im Laufe der Jahre summieren und schließlich dazu führen könnten, daß die für eine gesunde Bestandesentwicklung erforderliche Mindeststammzahl an ungeschälten Stämmen nicht mehr vorhanden sei.

Mit Recht bekämpften die Beschwerdeführerinnen die auf das Gutachten des forstlichen Sachverständigen gestützte Annahme, die in Rede stehende Vorschreibung sei zum Schutz des Waldes vor weiteren Schälschäden erforderlich, als unschlüssig. Aus dem von Sachverständigen erhobenen Befund ergibt sich nämlich, daß sich seit dem Jahr 1992 die Schälschadenssituation so weit verändert hat, daß nunmehr, im Jahr 1993, auf allen Probeflächen insgesamt nur mehr ein geschälter Stamm festgestellt wurde. Bei diesem Befund ist für den Verwaltungsgerichtshof - ohne nähere Begründung durch den Sachverständigen - nicht schlüssig nachvollziehbar, warum es dennoch zur Vermeidung weiterer Schälschäden der im angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Vorkehrungen bedarf (vgl. bereits hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/03/0105). Zudem hat es die belangte Behörde auch unterlassen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides jene Erwägungen darzulegen und insbesondere die hiefür erforderlichen Sachverhaltsgrundlagen darzustellen, auf Grund derer sie zu dem Ergebnis kam, durch die in Rede stehenden Maßnahmen sei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel entsprochen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

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