Normen
MRK Art10;
MRK Art19;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
MRK Art10;
MRK Art19;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein am 6. März 1941 geborener türkischer Staatsbürger, der nach der Aktenlage seit 1972 ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz (nunmehr Hauptwohnsitz; siehe Art. VII Z. 2 iVm Art. VIII Z. 5 des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994) im Gebiet der Republik Österreich hat, hat am 7. April 1992 - nachdem ein früherer Antrag mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. November 1985 rechtskräftig abgewiesen worden war - um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Oktober 1992 wurde dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), für den Fall zugesichert, daß er binnen zwei Jahren aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausscheidet.
Mit undatiertem Bescheid der Tiroler Landesregierung, dem Beschwerdeführer am 7. Juli 1994 zugestellt, wurde die genannte Zusicherung gemäß § 20 Abs. 2 StbG widerrufen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 20 Abs. 1 StbG ist einem Fremden - bei Vorliegen der in Z. 1 bis 3 genannten weiteren Voraussetzungen - die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist.
Bei der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft handelt es sich um einen der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft vorgelagerten Verwaltungsakt, der für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründet, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft auch die sonstigen Voraussetzungen (insbesondere des § 10 Abs. 1 StbG) gegeben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0020).
Gemäß § 20 Abs. 2 StbG ist die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderliche Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Ein Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft kommt somit nur in Frage, wenn eine gesetzliche Verleihungsvoraussetzung, die zur Zeit der Zusicherung erfüllt war, nachträglich weggefallen ist.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer am 17. März 1993 seine Gattin durch mehrere Schläge und Fußtritte (vorsätzlich) mißhandelt (und dadurch fahrlässig am Körper verletzt) hat und deswegen am 21. Juli 1993 vom Bezirksgericht Innsbruck (gemäß § 83 Abs. 2 StGB) zu einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von S 3.600,--, im Nichteinbringungsfalle zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen, verurteilt wurde. Sie hat die Rechtsansicht vertreten, daß aufgrund dessen die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht mehr vorliege.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Die in der genannten Bestimmung geforderte positive Einstellung zur Republik Österreich bezieht sich auf die politische Gesinnung des Bewerbers und soll insbesondere gewährleisten, daß nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0072). Da die Begehung einer Körperverletzung im Familienkreis keinesfalls Rückschlüsse auf eine antidemokratische politische Gesinnung zuläßt, kann die Ansicht der belangten Behörde, aufgrund der vom Beschwerdeführer begangenen Körperverletzung sei die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht mehr gegeben, nur so verstanden werden, daß die Behörde aus dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers den Schluß zog, dieser bilde eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG vorzunehmenden Beurteilung, ob der Einbürgerungswerber eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet, vom Gesamtverhalten des Werbers, welches wesentlich durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte, sondern darauf ab, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften mißachten; aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit der Allgemeinheit erlassenen Gesetzen in deutlicher Weise zum Ausdruck (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1012, mit weiteren Nachweisen). Indem die belangte Behörde eine derartige Prognose - unter Einbeziehung der vom Beschwerdeführer vor der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft begangenen Straftaten - nicht erstellt, sondern lediglich ausgeführt hat, der Verleihung der Staatsbürgerschaft stehe im Hinblick auf die Verurteilung vom 21. Juli 1993 das Einbürgerungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG entgegen, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das den Ersatz von Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Beschwerde nur zweifach einzubringen und der angefochtene Bescheid nur einfach vorzulegen war.
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