Normen
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Juli 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.
Als maßgeblichen Sachverhalt stellte die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführerin bisher achtmal rechtskräftig gerichtlich verurteilt worden sei, und zwar am 16. November 1983 vom Strafbezirksgericht Wien wegen Betrugs zu einer Geldstrafe, am 1. Februar 1985 vom selben Gericht wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe, am 24. August 1990 vom Bezirksgericht Bruck/Leitha neuerlich wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe, am 27. Dezember 1990 vom Bezirksgericht Hernals wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe, am 9. September 1991 vom Strafbezirksgericht Wien wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe, am 16. Oktober 1991 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, bedingt auf drei Jahre, am 30. September 1991 vom Bezirksgericht Bruck/Mur wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen, bedingt auf drei Jahre, sowie zuletzt am 20. Oktober 1992 vom Bezirksgericht Baden wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen. Solcherart sei die Beschwerdeführerin mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen verurteilt worden. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt; auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. seien gegeben.
Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei zweifellos ein bedeutsamer Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin, die sich seit 1973 mit ihrer Familie in Österreich aufhalte. Angesichts der zahlreichen Rechtsbrüche, die sich die Beschwerdeführerin habe zuschulden kommen lassen, sei diese Maßnahme aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen (hier: zur Verhütung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig. Den - wenn auch beträchtlichen - Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie könne angesichts des maßgeblichen Sachverhaltes kein solches Gewicht beigemessen werden wie den öffentlichen Interessen an der dringend gebotenen Erlassung dieser Maßnahme. Was diese Interessen anlange, so sei insbesondere zu bedenken, daß der Beschwerdeführerin nicht nur zahlreiche Eingriffe in fremdes Vermögen, sondern auch Delikte gegen Leib und Leben zur Last lägen. Selbst rechtskräftige Verurteilungen hätten sie nicht davon abgehalten, unmittelbar darauf neuerlich straffällig zu werden, was deutlich zeige, wie negativ die Beschwerdeführerin gegenüber der österreichischen Rechtsodnung eingestellt sei. Damit lägen auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 FrG nicht vor. Schließlich hätte der Beschwerdeführerin die Staatsbürgerschaft vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht verliehen werden können, da dem § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 entgegengestanden wäre.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 und 2 FrG lauten:
§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
- 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
- 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen.
- 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
- 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
(2) Ein Aufenthaltsverbot darf außerdem nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftfsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist.
2. Von der Beschwerde unbekämpft blieb die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde, daß im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) FrG verwirklicht, die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Verhängung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. dringend geboten, somit zulässig sei. Diese Rechtsansicht begegnet keinen Bedenken. Strittig zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage der Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus dem Blickwinkel der Abs. 1 und 2 des § 20 FrG.
3.1. In bezug auf § 20 Abs. 1 FrG betont die Beschwerde das hohe Ausmaß der Integration der Beschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen. Die Beschwerdeführerin sei im Alter von 19 Jahren mit ihrem Gatten nach Österreich gekommen und lebe hier seit dem Jahr 1973. Der Ehe entstamme ein Sohn, der bereis eine eigene Familie mit drei Kindern habe, die sich ebenfalls in Österreich aufhalte. Außerdem sei ein Bruder der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet verheiratet. Auch sämtliche nähere Verwandte des Gatten der Beschwerdeführerin lebten in Österreich, so zwei Schwestern mit je vier Kindern sowie drei Brüder mit insgesamt elf Kindern. Alle Neffen und Nichten besuchten österreichische Schulen und seien teilweise bereits berufstätig. Die familiären und sonstigen Bindungen der Beschwerdeführerin seien intensiv.
Während es sich bei der Beziehung zwischen den Ehepartnern sowie der zwischen Eltern und Kindern und deren Kindern jedenfalls um als vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG umfaßte Verhältnisse handelt, wird dies für über diesen engen Kreis hinausreichende Familienbeziehungen nicht ohne weiteres zu bejahen sein. So wird man die in der Beschwerde ins Treffen geführten Beziehungen der Beschwerdeführerin zu ihren Geschwistern und Schwägern sowie Neffen und Nichten unter dem hier maßgeblichen Gesichtspunkt der Existenzsicherung der Familie vom Schutzumfang des § 20 Abs. 1 FrG nur dann als erfaßt ansehen können, wenn zu der verwandtschaftlichen Beziehung noch das Moment des Zusammenlebens i.S. einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft hinzutritt. Daß letzteres hinsichtlich der genannten nahen und nicht mehr so nahen Angehörigen der Beschwerdeführerin oder auch nur eines Teiles derselben zutreffe, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Auf dem Boden dieser Rechtslage war von der belangten Behörde zu prüfen, ob die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin, ihres Gatten, ihres Sohnes und dessen Kinder schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Dies ist, wenngleich die Auswirkungen auf die Lebenssituation der Genannten ausgehend von deren z.T. langem Aufenthalt in Österreich und der damit anzunehmenden Integration sowie vom Vorliegen intensiver Bindungen zueinander und auch sonstiger Bindungen als beträchtlich zu werten sind - und von der belangten Behörde tatsächlich dahingehend gewertet wurden -, zu verneinen. Denn, wie im angefochtenen Bescheid gleichfalls zutreffend dargetan, sind die hier maßgeblichen für das Aufenthaltsverbot sprechenden öffentlichen Interessen angesichts der zahlreichen der Beschwerdeführerin zu Last liegenden Rechtsbrüche, welche eine grobe und beharrliche Mißachtung des Eigentums, aber auch der körperlichen Integrität anderer Menschen zum Ausdruck bringen, von solchem Gewicht, daß sie die gegenläufigen privaten (familiären) Interessen der Beschwerdeführerin überwiegen. Die zuungunsten der Beschwerdeführerin ausgegangene Interessenabwägung kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3.2. Was die Frage der allfälligen Unzulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG anlangt, so führte die belangte Behörde dazu im angefochtenen Bescheid aus, daß der Beschwerdeführerin vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) nicht verliehen hätte werden können, somit das Aufenthaltsverbot auch von daher gesehen nicht unzulässig sei.
Die Beschwerde wendet dagegen ein, daß die Beschwerdeführerin "vor der ersten Verurteilung vom 16. November 1983 die österreichische Staatsbürgerschaft (hätte) erwerben können".
Mit diesem Argument übersieht die Beschwerde, daß die von der belangten Behörde angenommene "Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" i.S. des § 20 Abs. 2 FrG nicht in der ersten Verurteilung der Beschwerdeführerin am 16. November 1983 (wegen Betruges) besteht, sondern in der achtmaligen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung wegen Diebstahles (sechsmal), Körperverletzung (einmal) und Nötigung (einmal) in den Jahren 1983 bis 1992. Der für die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG gegeben sind, entscheidende Zeitpunkt ("vor" Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes) war somit der der Rechtskraft der vorletzten dieser acht Verurteilungen im Jahr 1991. Bezogen auf diesen Zeitpunkt hatte die belangte Behörde zu beurteilen, ob bei der Beschwerdeführerin sämtliche der im § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG angeführten Voraussetzungen vorliegen. War das Vorliegen auch nur einer dieser (kumulativen) Voraussetzungen zu verneinen, so stand der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin § 20 Abs. 2 FrG nicht entgegen.
Die im bekämpften Bescheid vertretene Rechtsansicht, die Beschwerdeführerin habe im maßgeblichen Zeitpunkt die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG - derzufolge die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden kann, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet - nicht erfüllt, erweckt keine Bedenken, hat sie doch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthsofes für sich (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 92/01/1012, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Art und Häufigkeit der geradezu regelmäßig begangenen, sich auf einen Zeitraum von vielen Jahren bis in die jüngste Vergangenheit erstreckenden Straftaten lassen ein Charakterbild der Beschwerdeführerin erkennen, das zweifelsohne den Schluß rechtfertigt, sie sei gegenüber den zum Schutz des Eigentums, der Gesundheit, und der Sicherheit erlassenen Vorschriften negativ eingestellt und bilde solcherart eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit. Daraus folgt, daß aufgrund des Verleihungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG die Verhängung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG nicht unzulässig war.
4. Der in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrüge (Unterlassen von Ermittlungen zum "hohen Integrationsgrad der Beschwerdeführerin bezüglich sämtlicher Verwandter in Österreich") ist nach den vorstehenden Ausführungen unter
II. 3. 1. der Boden entzogen.
5. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)