VwGH 93/18/0473

VwGH93/18/047328.10.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in T, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. August 1993, Zl. III 100-4/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes,

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrPolG 1954;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrPolG 1954;

 

Spruch:

A. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B. den Beschluß gefaßt:

Die in eventu gestellten Anträge auf Zurückweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, auf Widerruf des Aufenthaltsverbotes und auf Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes werden zurückgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 6. August 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde auf das Wesentliche zusammengefaßt aus: Der Beschwerdeführer sei jeweils mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 6. Mai 1992 wegen Übertretung des Meldegesetzes, des Fremdenpolizeigesetzes und des Paßgesetzes bestraft worden, weil er 1) zwischen 16. Februar 1992 und 6. März 1992 in B, O 33, in einer Wohnung Unterkunft genommen und es unterlassen habe, sich binnen drei Tagen anzumelden, 2) sich vom 16. Februar 1992 bis 5. Mai 1992 ohne den erforderlichen Sichtvermerk im Bundesgebiet aufgehalten habe, und 3) am 16. Februar 1992 entgegen dem österreichischen-türkischen Sichtvermerksabkommen sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist sei. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 28. August 1992 sei der Beschwerdeführer wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes bestraft worden, weil er sich seit 6. Mai 1992 weiterhin ohne erforderliche Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet aufgehalten habe. Sämtliche Bestrafungen seien in Rechtskraft erwachsen. Die den Bestrafungen zugrunde liegenden Sachverhalte bzw. das daraus ersichtliche Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die Annahme, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG).

Wenngleich das Aufenthaltsverbot einen Eingriff in "das Leben" des Beschwerdeführers darstelle, sei dieser aufgrund des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers insgesamt zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers (Hinweis auf seinen immer noch andauernden rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet) dringend geboten und daher zulässig (§ 19 FrG).

Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Der Beschwerdeführer sei seit etwa eineinhalb Jahren in Österreich aufhältig; er arbeite seit 19. November 1992 als Tankwart, vorher sei er als Hilfsarbeiter in einem Restaurant und in einem Reinigungsservice beschäftigt gewesen. Aufgrund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 24. Mai 1991 sei ihm ein Befreiungsschein (gültig bis 9. April 1997) ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet dementsprechend integriert und mit ebensolchen "sonstigen Bindungen" an das Bundesgebiet versehen. Familiäre Bindungen habe der Beschwerdeführer außer zu seiner Gattin noch zu seinem Vater und zu einem weiteren (namentlich genannten) Verwandten, in dessen Tankstelle er arbeite. Die bezeichneten Bindungen des Beschwerdeführers träten allerdings gegenüber den durch die unrechtmäßige Einreise und den anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich beeinträchtigten öffentlichen Interessen in den Hintergrund, wobei zum Nachteil des Beschwerdeführers besonders ins Gewicht falle, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum heutigen Tag kein rechtmäßiger sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen "Rechtswidrigkeit" erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Grund aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:

"§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

2. im Inland mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung, einer Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes 1969, BGBl. Nr. 423, des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist;

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen.

  1. 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
  2. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."
  3. 2. Der Beschwerdeführer ist nach den in der Beschwerde

    unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zweimal wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes und je einmal wegen Übertretung des Paßgesetzes und des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden. Schon aufgrund der zweimaligen Bestrafung nach dem Fremdenpolizeigesetz ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Satz) FrG verwirklicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0318). Daß die belangte Behörde dies nicht erkannte und das den genannten rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers zugrunde liegende Gesamt(fehl)verhalten unmittelbar dem § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG subsumierte, bewirkte keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers, da sich im Ergebnis nichts ändert: Die belangte Behörde durfte in jedem Fall die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme für gerechtfertigt halten (Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet).

    Zu dem Beschwerdeeinwand, der Beschwerdeführer habe gemäß § 24 Paßgesetz sichtvermerksfrei einreisen dürfen, genügt der Hinweis, daß er wegen unerlaubter Einreise rechtskräftig bestraft wurde, womit für die belangte Behörde (aufgrund der Rechtskraftwirkung) die unrechtmäßige Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet bindend feststand. Gleiches gilt in bezug auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich bis zu dem vom rechtskräftigen Straferkenntnis vom 28. August 1992 umfaßten Zeitpunkt.

    Die rechtliche Annahme der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte, vermochte die Beschwerde nicht zu entkräften. Daß er zum besagten Zeitpunkt im Besitz eines österreichischen Sichtvermerkes gewesen sei, wurde von ihm nicht einmal behauptet. Sein Hinweis, daß er bereits am 6. Mai 1992 einen Sichtvermerk beantragt habe, führt nicht weiter, ist doch die Stellung eines solchen Antrages keinesfalls mit der Erteilung eines Sichtvermerkes gleichzusetzen.

3.1. Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG anlangt, so hat die belangte Behörde mit der Begründung, daß die Maßnahme insbesondere im Hinblick auf den lang andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt und das darin zutage tretende Beharren auf einem rechtswidrigen Verhalten im Interesse der öffentlichen Ordnung (hier: eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten sei, eine zutreffende Rechtsansicht geäußert (vgl. dazu auch das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 93/18/0318).

3.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde (auch) auf alle - nunmehr auch in der Beschwerde geltend gemachten - zugunsten des Beschwerdeführers sprechende Gesichtspunkte Bedacht genommen. Die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich fällt mangels Erlaubtheit nicht maßgebend ins Gewicht. Die aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie der Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers in Österreich und die Integration dieser Personen sind aus dem Blickwinkel der Z. 1 und 2 des § 20 Abs. 1 FrG zweifellos von nicht geringer Bedeutung. Wenn die belangte Behörde trotzdem zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, so kann diese Beurteilung mit Rücksicht auf das im angefochtenen Bescheid zu Recht als sehr gewichtig bewertete öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - gegen das der Beschwerdeführer nicht nur durch das Verharren in seinem unerlaubten Aufenthalt, sondern auch durch seine unter Mißachtung des Paßgesetzes 1969 erfolgte Einreise in das Bundesgebiet verstoßen hat - nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Nach dem Gesagten liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor. Da dies bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Eventualanträge waren zurückzuweisen, da es dem Verwaltungsgerichtshof an einer diesbezüglichen Zuständigkeit fehlt.

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