VwGH 93/18/0079

VwGH93/18/007917.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Y in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Februar 1992, Zl. VwSen-400065/2/Kl/Kf, betreffend Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §5 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §5a Abs1;
VwRallg;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §5 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrPolG 1954 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §5a Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 29. Jänner 1992 hatte die Bundespolizeidirektion Linz der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, gegenüber gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) angeordnet. U.e. war einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden.

Aufgrund dieses der Beschwerdeführerin am 29. Jänner 1992 zugestellten Bescheides war sie am selben Tag in Schubhaft genommen worden.

2. Am 30. Jänner 1992 hatte die Beschwerdeführerin bei derselben Behörde einen Antrag auf Asylgewährung gestellt.

3. Mit Bescheid vom 31. Jänner 1992, der Beschwerdeführerin am selben Tag zugestellt, hatte die Bundespolizeidirektion Linz gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 7 und Abs. 3 iVm § 4 des Fremdenpolizeigesetzes ein bis 31. Jänner 1997 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. U.e. war auch einer allenfalls gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden.

4. Am 7. Februar 1992 hatte die Beschwerdeführerin gegen ihre Anhaltung in Schubhaft Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) erhoben und den Antrag gestellt, "es möge meine Anhaltung in Schubhaft für die Zeit ab Einbringung meines Antrages auf Gewährung um Asyl am 30.1.1992 an als rechtswidrig festgestellt ... werden".

Gleichfalls am 7. Februar 1992 war die Beschwerdeführerin aus der Schubhaft entlassen worden.

5. Mit Bescheid vom 19. Februar 1992 wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 5a Abs. 1 und 6 des Fremdenpolizeigesetzes als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Die Beschwerdeführerin sei aufgrund ihres illegalen Grenzübertrittes, des Fehlens eines Reisedokumentes, ihrer Mittellosigkeit, der Unterlassung der polizeilichen Anmeldung, des Fehlens eines ordentlichen Wohnsitzes und der Befürchtung eines weiteren strafbaren Verhaltens am 29. Jänner 1992 in Schubhaft genommen worden. Die Invollzugsetzung des Schubhaftbescheides mit diesem Tag sei von der Beschwerdeführerin nicht bekämpft worden. Ihrer Behauptung, daß der weiteren Anhaltung in Schubhaft ab 30. Jänner 1992 im Hinblick auf den an diesem Tag gestellten Asylantrag Rechtswidrigkeit anhafte, sei entgegenzuhalten, daß ein Asylantrag ein fremdenpolizeiliches Handeln nicht zu verhindern vermöge. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beseitige ein Asylantrag weder kraft Gesetzes einen Schubhaftbescheid aus der Rechtsordnung noch werde dadurch dessen Vollstreckbarkeit gehemmt. Zwar sei ein Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (§ 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968), diese vorläufige Aufenthaltsberechtigung hindere aber nicht die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz. Nach § 5 Abs. 2 des Asylgesetzes 1968 sei nämlich nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst gehemmt. Abgesehen davon unterliege daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes. Eine während des laufenden Asylverfahrens zur Sicherung der Abschiebung aufrechterhaltene Schubhaft stehe daher dem Grunde nach nicht mit dem Gesetz in Widerspruch.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem nach Ablehnung von deren Behandlung (Beschluß vom 29. September 1992, B 229/92-3) dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG iVm § 87 Abs. 3 VerfGG 1953 abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer (weiteren) Anhaltung in Schubhaft ab 30. Jänner 1992 verletzt. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grund notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

Wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, hat gemäß § 5a Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

2.1. Der bekämpfte Bescheid ist nach Ansicht der Beschwerdeführerin deshalb rechtswidrig, weil es die belangte Behörde unterlassen habe darauf einzugehen, ob die verhängte Schubhaft - bezogen auf den Zeitpunkt 30. Jänner 1992 - der materiellen Rechtslage entsprochen habe. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Beschwerde an die belangte Behörde geltend gemacht, daß die Rechtmäßigkeit der Verhängung und der Anhaltung in Schubhaft wesentlich davon abhänge, ob eine eine Verwaltungsübertretung darstellende illegale Einreise nach Österreich und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich vorliege oder ob ein solches Verhalten durch wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gerechtfertigt sei. Sei letzterer Fall gegeben, so müsse davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für die Verhängung und Anhaltung in Schubhaft nicht vorlägen. Personen, die aus wohlbegründeter Furcht ihr Heimatland verließen und in Österreich Zuflucht suchten, stünden nach dem Asylgesetz unter dem Schutz Österreichs; sie erlangten nach fristgerechter Stellung eines Asylantrages eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Bei Vorliegen eines derartigen Sachverhaltes seien die Voraussetzungen für die Verhängung und die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht gegeben.

2.2. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Zum einen kommt dem Kriterium der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung für die Frage, ob die Festnahme eines Fremden zum Zweck der Schubhaft und/oder seine Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig anzusehen ist, keine rechtliche Relevanz zu; dieser Gesichtspunkt war ausschließlich in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Asylverfahren bedeutsam (vgl. § 1 Asylgesetz 1968 iVm Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Flüchtlingskonvention). Zum anderen steht der Festnahme und/oder Anhaltung eines Fremden in Schubhaft der Umstand, daß er zu diesem Zeitpunkt bzw. während dieses Zeitraumes zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt ist (§ 5 Abs. 1 Asylgesetz 1968) nicht entgegen; maßgebend für die Rechtmäßigkeit der Festnahme und/oder Anhaltung ist vielmehr allein, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes erfüllt sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0116).

Auf den Beschwerdefall bezogen war demnach von Rechtserheblichkeit nur die Frage, ob die (weitere) Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft ab 30. Jänner 1992 (bis 7. Februar 1992) zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (vom 30. bis 31. Jänner 1992) und zur Sicherung der Abschiebung (vom 1. bis 7. Februar 1992) im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder zur Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens notwendig erschien. Dies wurde von der belangten Behörde auf der Grundlage der von ihr dazu getroffenen - von der Beschwerde unbestritten gebliebenen - Tatsachenfeststellungen insofern zu Recht bejaht, als jedenfalls im Hinblick auf die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin und das Fehlen einer Unterkunft die Sicherungsmaßnahme der Anhaltung in Schubhaft ab 30. Jänner 1992 als geboten anzusehen war.

3. Der Verfahrensrüge dahingehend, daß die belangte Behörde "weder ein Erkenntnisverfahren noch Feststellungen zur Frage meiner wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung vornahm", ist angesichts der unter 2.2. aufgezeigten Unbeachtlichkeit dieses Gesichtspunktes für die hier zu beurteilende Rechtsfrage der Boden entzogen.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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