Normen
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Beschwerde gegen den Bescheid wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß vom 14. September 1993, 93/15/0090, stellte der Gerichtshof das Verfahren betreffend die von der Antragstellerin erhobene Beschwerde gegen den im Spruch dieses Beschlusses genannten Bescheid (in der Folge: Bescheid) ein, weil die Antragstellerin dem an sie ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht nachgekommen war, als sie innerhalb der gesetzten Frist zwar zwei weitere Ablichtungen der Beschwerde vorlegte, auf denen jedoch sowohl die Bezeichnung des Rechtsanwaltes als auch dessen Unterschrift fehlen und weiters die zurückgestellte Ablichtung des Bescheides nicht wieder vorlegte.
Im fristgerecht zur Post gegebenen Antrag wird unter Vorlage zweier ordnungsgemäßer Ausfertigungen der Beschwerde sowie der zurückgestellten Ablichtung des Bescheides die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln begehrt. Unter einem wird Beschwerde gegen den Bescheid erhoben.
Aus den Ausführungen der Antragstellerin und der beigeschlossenen eidesstattlichen Erklärung ergibt sich folgender, vom Gerichtshof als bescheinigt angesehener Sachverhalt:
Unmittelbar nach Zustellung der hg Verfügung betreffend die Behebung von Mängeln am 17. Juni 1993 habe die bei ihrem Rechtsanwalt als Kanzleileiterin beschäftigte MS diese Verfügung mit dem Datum versehen und in weiterer Folge die zwei fehlenden Ausfertigungen der Beschwerde sowie die Urkunde über das Vollmachtsverhältnis innerhalb offener Frist an den Gerichtshof übersandt. Auf Grund eines Versehens habe es die Kanzleileiterin verabsäumt, die beiden Ausfertigungen der Beschwerde von ihrem Chef unterschreiben zu lassen sowie die zurückgestellte Ablichtung des Bescheides wieder vorzulegen. Der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln liege daher lediglich ein minderer Grad des Vergehens (gemeint wohl: Versehens) zugrunde, welches nicht als Verschulden angelastet werden könne. Der Kanzleileiterin seien in ihrer beinahe zehnjährigen Tätigkeit keinerlei Fehler oder Versäumnisse unterlaufen, insbesondere habe sie noch nie einen Auftrag zur Behebung von Mängeln nur teilweise erfüllt. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, daß die Kanzleileiterin bereits unzählige Beschwerden korrekt und entsprechend den Vorschriften eingebracht habe. Die Antragstellerin sei daher durch ein unvorgesehenes und unabwendbares Ereignis gehindert gewesen, dem Auftrag zur Behebung von Mängeln fristgerecht zu entsprechen, weswegen ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln zu bewilligen sei.
Der Antragstellerin ist folgendes entgegenzuhalten:
Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis .... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den hg Beschluß vom 14. September 1992, 92/15/0118, 0119, 0120, sowie das hg Erkenntnis vom 16. März 1993, 89/14/0254, beide mwA), gibt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Rechtsanwalt dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muß die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im allgemeinen noch im besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens eines Kanzleibediensteten Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen der Antragstellerin innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Nun hat jedoch die Antragstellerin keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, ob und in welcher Weise ihr Rechtsanwalt seine Kanzleileiterin kontrolliert bzw in welcher Weise er der ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen ist. Aus den Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist vielmehr ersichtlich, daß das Bestehen einer solchen Pflicht ihrem Rechtsanwalt nicht bewußt ist. Wie sich nämlich aus der eidesstattlichen Erklärung der bei ihrem Rechtsanwalt beschäftigten Kanzleileiterin MS ergibt, hat SIE SELBST bereits unzählige Beschwerden "jeweils korrekt und entsprechend den Vorschriften eingebracht". Die Einbringung von Beschwerden ist aber wohl Sache des Rechtsanwaltes und nicht der bei ihm beschäftigten Kanzleileiterin.
Dem Rechtsanwalt der Antragstellerin fällt daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln zur Last, das einen minderen Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs 1 VwGG übersteigt, weswegen der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war.
Die unter einem nunmehr erhobene Beschwerde gegen den Bescheid war mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen entschiedener Sache gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen, weil der Gerichtshof das Verfahren über die denselben Verwaltungsakt bekämpfende Beschwerde bereits mit Beschluß vom 14. September 1993 eingestellt hat.
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