VwGH 93/14/0062

VwGH93/14/006229.7.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 18. Februar 1993, Zl 326-3/88, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1984 bis 1986 (mitbeteiligte Partei: WS in W, vertreten durch Dr. SS, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §5;
EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im Beschwerdefall ist die Frage strittig, ob ein Dachboden (im Ausmaß von rd 192 m2) sowie einige weitere Flächen (im Gesamtausmaß von rd 54 m2) eines Gebäudes, in dessen Erdgeschoß die Mitbeteiligte bis 1986 einen Textilhandel betrieben hatte, in die Prüfung der Frage des Ausmaßes der betrieblichen gegenüber der privaten Nutzung einzubeziehen und dementsprechend - bei Einbeziehung - von einer untergeordneten betrieblichen Nutzung des Gebäudes mit der Folge seiner vollen Zuordnung zum Privatvermögen auszugehen sei oder nicht.

Anläßlich einer die Jahre 1984 bis 1986 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung machte die Mitbeteiligte geltend, daß das besagte Gebäude immer schon zur Gänze dem Privatvermögen zuzurechnen gewesen wäre und daher aus Anlaß der "Entprotokollierung" im Jahr 1985 (entsprechend ihrer Steuererklärung für dieses Jahr) keinerlei steuerliche Konsequenzen bezüglich dieses Gebäudes zu ziehen seien. Die betrieblich genutzte Fläche von 158,2 m2 (Erdgeschoß:

vermietete Fläche 85,17 m2, eigenbetriebliche Fläche bzw nach Betriebsaufgabe ebenfalls vermietete Fläche 73,03 m2) sei im Verhältnis zur privatgenutzten Fläche von 771,45 m2 (Erdgeschoß: 87,78 m2, 1. Stock 243,34 m2, 2. Stock 247,64 m2, Dachgeschoß: 192,69 m2) von untergeordneter Bedeutung (17,02 % der Gesamtnutzfläche von 929,65 m2). Demgegenüber vertrat der Prüfer die Auffassung, das Dachgeschoß wäre nicht in die Nutzflächenberechnung einzubeziehen, weil es sich dabei um einen nicht ausgebauten Dachboden handle, der keine jederzeit nutzbare Fläche darstelle. Die Dachlattung und Ziegel seien im Rohzustand belassen worden. Auch sei keine Heizung vorhanden. Die Elektroinstallationen bestünden aus Leuchtstoffröhren, die an den Dachträmen angebracht seien. Die dazuführenden Stromleitungen seien in Feuchtbauweise verlegt worden. Ohne Berücksichtigung des Dachbodens errechne sich der betrieblich genutzte Gebäudeteil mit 22,15 %. Ein Gebäudeteil dieses Ausmaßes sei aber nicht mehr von untergeordneter Bedeutung.

Gegen die den Feststellungen des Prüfers entsprechenden Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide 1984 bis 1986 brachte die Mitbeteiligte eine Berufung ein, in welcher u.a. diese Beurteilung angefochten wurde. Gestützt auf näher bezeichnete Beweisergebnisse nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der verstorbene Ehegatte der Mitbeteiligten jahrelang im Dachgeschoß des Gebäudes eine Modelleisenbahn (der Spurweite 1) betrieben hatte und das Dachgeschoß in weiterer Folge auch für sportliche Zwecke (zB Tischtennis, Fitnessgeräte) sowie von einem Sohn der Mitbeteiligten als Probelokal für seine Musikkapelle und damit privat genutzt worden sei, weshalb die Dachgeschoßfläche bei Berechnung der Nutzflächenberechnung einzubeziehen sei.

Der beschwerdeführende Präsident beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde unter Kostenzuspruch beantragte.

Der beschwerdeführende Präsident äußerte sich zu dieser Gegenschrift, worauf die Mitbeteiligte replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen zählt, ist im allgemeinen für das Wirtschaftsgut als Ganzes zu beantworten. Es ist entweder zur Gänze dem Betriebsvermögen oder zur Gänze dem Privatvermögen zuzurechnen. Bei einer Liegenschaft bzw. bei einem Gebäude greift jedoch nach Schrifttum und Rechtsprechung eine anteilsmäßige Zurechnung Platz. Das Gebäude ist, soweit es betrieblich genutzt wird, notwendiges Betriebsvermögen, und, soweit dies nicht der Fall ist, Privatvermögen. Dies gilt allerdings nicht, wenn ein entweder der betrieblichen oder der privaten Nutzung dienender Gebäudeteil im Verhältnis zum Gesamtgebäude nur von untergeordneter Bedeutung ist. In einem solchen Fall ist eine einheitliche Betrachtung geboten: Dient der übrige Teil des Gebäudes betrieblichen Zwecken, dann stellt auch der untergeordnete, nicht betrieblich genutzte Teil notwendiges Betriebsvermögen dar, dient hingegen der übrige Teil privaten Zwecken, dann bildet auch der untergeordnete, betrieblich genutzte Teil ein Wirtschaftsgut des Privatvermögens. Untergeordnete Bedeutung eines betrieblich genutzten Gebäudeteiles in einem sonst privaten Zwecken dienenden Gebäude unterstellt der Verwaltungsgerichtshof in der Regel dann, wenn die Nutzfläche des betrieblich genutzten Teiles 20 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes nicht überschreitet (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Jänner 1983, 82/14/0100, 0103, 0104).

Der beschwerdeführende Präsident vertritt die Ansicht, daß in die so anzustellende Nutzflächenberechnung im Beschwerdefall Flächen einbezogen worden seien, die nicht als Nutzfläche zu qualifizieren seien. Als Nutzfläche sei die gesamte Grundfläche der eine Einheit bildenden Wohnräume oder Geschäftsräume samt Nebenräumen abzüglich der Wandstärke und der Tür- und Fensternischen anzusehen. Bei Wohnräumen blieben Treppen oder Balkone oder Terrassen sowie Keller- und Dachbodenräume, soweit sie nicht bewohnbar ausgestattet seien, außer Ansatz. Bei gemischt genutzten Grundstücken seien für die Ermittlung der betrieblich genutzten Fläche außerdem Waschanlagen, Klosette, Stiegen und Gänge auszuscheiden. Dachbodenräume und Kellerräume würden nur insoweit berücksichtigt, als sie ausschließlich betrieblichen Zwecken (Lagerung etc) dienten. Das Dachgeschoß werde nur dann berücksichtigt, wenn es benützbar sei, dh wenn es zu Wohnzwecken, zu Arbeits- oder Lagerzwecken genutzt werden könne. Im vorliegenden Fall seien nicht nur die Dachbodenfläche mit 192 m2, sondern auch die im 2. Stock gelegene, als Loggia bezeichnete Balkonfläche mit 11,63 m2 und mehrere im Erdgeschoß gelegene Flächen im Gesamtausmaß von 42,16 m2 (so "der Keller" mit 20,66 m2, ein Abstellraum mit 3,85 m2, ein Abstellraum mit 3,17 m2, ein Gartenraum mit 3,50 m2 und eine Holzlage mit 10,98 m2) als private Nutzflächen angesehen worden.

Nun eignet sich zwar der Großteil dieser Kriterien - insbesondere, soweit darin die Eignung für Wohnzwecke angesprochen wird - nicht zur Beurteilung, in welchem Ausmaß ein Gebäude betrieblich oder privat genutzt wird. Dennoch ist der Ansicht des beschwerdeführenden Präsidenten im Ergebnis zuzustimmen, daß ein unausgebauter Dachboden, wenn auch mit ebenem Boden und Beleuchtung, aber ohne jede Isolierung und Verkleidung der Dachhaut schon mangels Schutzfunktion hinsichtlich Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Verschmutzung nur eine so geringfügige private oder betriebliche Nutzung zuläßt, daß die Nutzfläche des Dachbodens für die Frage nach der privaten oder betrieblichen Nutzung von Gebäudeteilen vernachlässigt werden kann.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

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