Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der am 24. April 1971 geborene Beschwerdeführer leistete in der Zeit ab dem 2. Jänner 1992 seinen ordentlichen Präsenzdienst. In der Zeit ab dem 27. Mai 1992 war er zu einem Assistenzeinsatz an der österreichisch-ungarischen Grenze eingeteilt. Am 21. Juni 1992 erlitt der Beschwerdeführer während der sogenannten "Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme" bei einem Sprung in das Schwimmbecken des S Bades eine Querschnittslähmung. Am 1. Juli 1992 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Vater den Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG) für die Folgen dieses Unfalles.
In dem darüber vom Landesinvalidenamt für Oberösterreich (LIA) geführten Verfahren wurden zum Anspruch des Beschwerdeführers Stellungnahmen des Bundesministeriums für Landesverteidigung sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abgegeben, wobei das zuerst genannte Ministerium die Rechtsauffassung vertrat, der Unfall des Beschwerdeführers sei in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Präsenzdienstleistung gestanden, während seitens des Bundesministers für Arbeit und Soziales eine ablehnende Entscheidung des LIA angeregt wurde.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1993 stellte das LIA fest, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gesundheitsschädigung gemäß den §§ 1 und 2 des HVG nicht als Dienstbeschädigung anerkannt werde, weshalb ein Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem HVG nicht bestehe. In der Begründung seines Bescheides folgte das LIA der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, wonach sich aus dem Sachverhalt keine "wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse" ergäben, die für eine Anerkennung als Dienstbeschädigung nach dem HVG sprechen würden. Die "Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme" folge einer Phase von drei Tagen Intensivdienst inkl. anschließender Ruhezeit und dauere 24 Stunden. Der Besuch des Schwimmbades durch den Beschwerdeführer während dieser Zeit gehe nicht auf einen Befehl zurück, der Beschwerdeführer hätte auch einer anderen "privaten Freizeitgestaltung" nachgehen können. Der Umstand, daß der Besuch des Schwimmbades kostenlos im Rahmen der Truppenbetreuung angeboten worden sei, vermöge nicht den vom Gesetz und von der Rechtsprechung geforderten, über den bloß zeitlichen und örtlichen Zusammenhang hinausgehenden unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang zu begründen. Unmittelbare Ursache für den Unfall des Beschwerdeführers sei der Sprung ins Schwimmbecken während eines freiwilligen Schwimmbadbesuches gewesen und nicht etwa eine dienstlich angeordnete Schwimmausbildung. Das Baden und Schwimmen sei den privaten, "eigenwirtschaftlichen" Tätigkeiten zuzuordnen.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, beim Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der ungarischen Grenze habe es sich um einen Sondereinsatz gehandelt, für welchen von Gesetzes wegen die gesamte Einsatzzeit unter den Begriff der Dienstleistung zu subsumieren sei. Auch seien die Wehrmänner vom Militärkommando zum Besuch des Bades ermuntert worden, für dessen Kosten auch das Militärkommando aufgekommen sei. Auf diese Weise seien die Wehrmänner auch jederzeit erreichbar und für Einsatzzwecke verfügbar gewesen. Dieser Assistenzeinsatz stelle bereits den unmittelbaren Zusammenhang zu den "wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen" her. Es habe sich somit keinesfalls um eine "Freizeitgestaltungsmöglichkeit im landläufigen Sinne" gehandelt.
Im Zuge des Berufungsverfahrens übermittelte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales der belangten Behörde am 27. Mai 1993 eine weitere, dem Verteidigungsminister gegenüber abgegebene Stellungnahme, wonach ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Versorgungsleistungen nach dem HVG für die Unfallsfolgen nicht zu Recht bestehe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 1993 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 82 Abs. 1 HVG keine Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde nach einer Darlegung des Verlaufes des Verwaltungsverfahrens davon aus, daß für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" (§ 2 Abs. 1 HVG) der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend sei. Im Verhältnis zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Präsenzdienst genüge nicht schon eine entfernte (mittelbare) Kausalität, es müsse vielmehr ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben sein, damit eine Versorgungsberechtigung nach dem HVG bestehe. Der folgenschwere Badeunfall des Beschwerdeführers habe sich während der "Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme" im Schwimmbad S ereignet. Obwohl auch für diese Zeit einige "einschränkende bzw strengere Regelungen" bestünden, sei deren Gestaltung weitgehend der Einflußnahme durch militärische Vorgesetzte entzogen. Es seien in dieser Zeit auch Betätigungen zulässig, die nicht im Rahmen der Truppenbetreuung angeboten würden. Der Beschwerdeführer habe das Bad aus privaten Gründen besucht und habe sich aus freien Stücken entschlossen, in das Becken zu springen. Bei diesem Sachverhalt fehle - anders als bei einer dienstlich angeordneten Schwimmausbildung - ein für den Präsenzdienst typisches Ereignis, und es kämen auch nicht der Dienstleistung eigentümliche Verhältnisse als Ursache für die erlittene Gesundheitsschädigung in Betracht. Zu den Ausführungen, wonach sich Soldaten des Bundesheeres im Falle eines Einsatzes gemäß § 2 Abs. 1 lit. b und c des Wehrgesetzes im Sinne der einschlägigen Vorschriften der ADV ab dem Verlassen bis zum Wiederbetreten ihres Garnisonsortes nach Einsatzende im Dienst befänden, sei festzuhalten, daß es nach der Rechtsprechung unerheblich sei, ob die Tätigkeit, während derer die Gesundheitsschädigung im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Präsenzdienst eingetreten sei, zum Dienst im Sinne des Wehrgesetzes und der ADV gehöre oder nicht. Die Gesundheitsschädigung des Beschwerdeführers stelle daher keine Dienstbeschädigung gemäß § 2 HVG dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen "Rechtswidrigkeit" (gemeint offenbar: des Inhaltes) erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Vorbringen in seinem Recht auf Anerkennung seiner am 21. Juni 1992 erlittenen Querschnittslähmung als einer Dienstbeschädigung nach dem HVG verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 2 Abs. 1 HVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid unbestritten davon aus, daß der Beschwerdeführer seinen Unfall im Zuge der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes erlitten hat, wobei er ab dem 27. Mai 1992 einen "Assistenzeinsatz" an der ungarischen Grenze leistete. Die belangte Behörde läßt ferner in der Begründung des angefochtenen Bescheides durchblicken, daß dieser "Assistenzeinsatz" auf "§ 2 Abs. 1 lit. b und c des Wehrgesetzes" beruht habe. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit den Rechtsgrundlagen dieses Einsatzes und seiner wehrrechtlichen Folgen auf die (u.a. versorgungsrechtliche) Stellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde jedoch aus rechtlichen Erwägungen für entbehrlich erachtet: da es mit Rücksicht auf den Unfallshergang an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen den der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnissen und der Gesundheitsschädigung fehle, komme es rechtlich nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer im Unfallszeitpunkt im Dienst befunden habe oder nicht.
Schon damit hat die belangte Behörde in einer für den Verfahrensausgang wesentlichen Frage die Rechtslage verkannt, denn es macht entgegen der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gekommenen Auffassung der belangten Behörde einen gegebenenfalls entscheidenden Unterschied, ob sich der jeweilige Versorgungswerber die geltend gemachte Gesundheitsschädigung "im Dienst" oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat. So ist etwa der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1976, Slg. 8972/A, zugrunde gelegene tödliche Badeunfall eines Präsenzdieners, wie damals ausdrücklich festgestellt wurde, "nicht im Dienst, sondern in der Freizeit" eingetreten, wobei sich die Freizeitgestaltung weitgehend der Einflußnahme durch militärische Vorgesetzte entzogen habe. Dieses - im Bescheid des LIA gegen den Beschwerdeführer ins Treffen geführte - Erkenntnis eignet sich daher schon wegen des unterschiedlichen Sachverhaltes nicht ohne weiteres zur Widerlegung des vom nunmehrigen Beschwerdeführer geltend gemachten Versorgungsanspruches.
Der belangten Behörde ist jedoch einzuräumen, daß der Verwaltungsgerichtshof auch in Fällen, in denen die Gesundheitsschädigung unbestritten "im Dienst" erlitten wurde, regelmäßig zusätzlich zum Vorliegen des zeitlichen und örtlichen Zusammenhanges den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der Präsenzdienstleistung gefordert hat. Dieser ursächliche Zusammenhang wurde etwa im Falle einer vom Präsenzdiener gesetzten, für die Gesundheitsschädigung ursächlichen rechtswidrigen Handlung (tätlicher Angriff gegenüber einem Dienstvorgesetzten, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1967, Zl. 1246/66), im Falle der bloßen Einnahme einer im Speiseraum des Militärkommandos servierten Mahlzeit (Linsengericht, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1986, Zl. 85/09/0208), im Falle eines nicht mehr als Wegunfall zu qualifizierenden Sturzes über eine unbeleuchtete Kellerstiege am Heimweg in die Kaserne (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1988, 88/09/0112), sowie im Falle einer für die Militärbehörden völlig unerwarteten somnambulen Attacke (Fenstersturz eines Schlafwandlers, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0088) verneint.
Von diesen Fällen unterscheidet sich - die Richtigkeit der diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen vorausgesetzt - der vorliegende Beschwerdefall insofern wesentlich, als sich der Unfall des Beschwerdeführers zwar in einer "Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme", aber im Rahmen einer von seinen militärischen Vorgesetzten offenbar empfohlenen und auch finanzierten, seiner körperlichen Ertüchtigung und seiner Rekreation für dienstliche Zwecke dienenden Gestaltung eines einem "Intensivdienst" vorangehenden Tages ereignet hat. Auf die Förderung des Besuches des Schwimmbades im Rahmen einer "militärischen Truppenbetreuung" wurde insbesondere auch in der vom Bundesministerium für Landesverteidigung stammenden Stellungnahme zum Beschwerdefall nachdrücklich hingewiesen; in diese Richtung weist aber auch die von der belangten Behörde gebrauchte Formulierung, für die Zeit ohne dienstliche Inanspruchnahme hätten für den Beschwerdeführer "einschränkende bzw strengere Regelungen" gegolten.
Eine abschließende Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen des erforderlichen Kausalzusammenhanges wird indes erst möglich sein, wenn im fortgesetzten Verfahren ermittelt und geklärt sein wird, worin derartige Regelungen mit Rücksicht auf den gegebenen "Assistenzeinsatz" bestanden haben. Da die belangte Behörde es in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, vor Erlassung des die Berufung des Beschwerdeführers erledigenden Bescheides nachvollziehbare und vom Verwaltungsgerichtshof kontrollierbare Feststellungen zu treffen, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Der damit zuerkannte Schriftsatzaufwand umfaßt auch die vom Beschwerdeführer gesondert geltend gemachten Portogebühren, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.
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