Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte einen am 25. August 1992 beim Arbeitsamt Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft eingelangten - undatierten - Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die ägyptische Staatsangehörige M als "Würstelfrau". In einem Begleitschreiben zu diesem Antrag wies der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin darauf hin, daß zur Aufrechterhaltung des Betriebes die Besetzung der weiterhin freien Dienststelle dringendst notwendig sei. Nur befähigte, geeignete und gewillte Ersatzkräfte seien zuzuweisen.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 10. Dezember 1992 gemäß § 4 Abs. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Würstelfrauen Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 vorgesehenen Voraussetzungen vorliege. Der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vor, das Arbeitsamt sei bisher nicht in der Lage gewesen, befähigte, geeignete und gewillte Ersatzkräfte zu vermitteln. Der Beschwerdeführerin seien die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht worden und sie sei daher auch nicht in der Lage gewesen, zum Ermittlungsergebnis vor Erlassung des Bescheides Stellung zu nehmen. Der hektographierte Vordruck als "Bescheid" sei mit dem bisherigen Akteninhalt nicht in Einklang zu bringen; die bloße Zitierung des Gesetzestextes sei keine Begründung. Das Arbeitsamt habe keine Behauptung aufgestellt und auch nicht unter Beweis gestellt, daß für die weiterhin freie Arbeitsstelle auch nur eine Ersatzkraft zur Verfügung stehe, welche die Anstellungserfordernisse erfülle. Für die Durchführung von Arbeitsaufträgen sei die Beschäftigung der beantragten Ausländerin notwendig; es liege im öffentlichen Interesse, daß eine Arbeitskraft für den freien Arbeitsplatz aufgenommen werde. Die Behörde habe die besondere Qualifikation der beantragten Ausländerin vollkommen unberücksichtigt gelassen. Auf Grund ihrer bisherigen schulischen Ausbildung und praktischen Erfahrung sei die beantragte Ausländerin für die weiterhin freie Arbeitsstelle besonders geeignet. Der Beschwerdeführerin sei auch nicht das Ergebnis der Sitzung eines Vermittlungsausschusses bekannt gegeben worden, sodaß sie sich zu einer behaupteten Entscheidung dieses Vermittlungsausschusses vor Erlassung der Entscheidung nicht habe äußern können.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe bereits am 17. Juli 1992 eine Beschäftigungsbewilligung für Frau M als Würstelfrau beantragt. Dieser Antrag sei mit Bescheid des Arbeitsamtes vom 23. Juli 1992 gemäß § 4 Abs. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG abgewiesen worden; der Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Nur einen Monat später, am 26. August 1992, sei neuerlich ein Antrag auf Beschäftigungsbewilligung für dieselbe Ausländerin und denselben Beschäftigungsbereich gestellt worden. Zwei Monate davor, nämlich am 9. Juni 1992 sei Frau M als Bedienerin beantragt worden. Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG sei eine Beschäftigungsbewilligung dann zu erteilen, wenn es die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zulasse und nicht wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen entgegenstünden. Als Indikator für die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes werde die Anzahl der in einem Beschäftigungsbereich als arbeitslos Vorgemerkten herangezogen und angenommen, daß für den in einem Antrag genannten Arbeitsplatz geeignete und zur Arbeitsaufnahme gewillte Personen zur Verfügung stünden. Aus diesem Grunde sei der Antrag vom 17. Juli 1992 abgelehnt worden. Es könne nicht angenommen werden, daß sich die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in einem Zeitraum von nur vier Wochen soweit verändert habe, daß dem neuerlichen Antrag vom 26. August 1992 Erfolg zukommen könne. Die Berufung sei daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Der Antrag vom 17. Juli 1992, auf den sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bezieht, ist in den von der belangten Behörde über Aufforderung nach § 36 Abs. 1 VwGG vorgelegten Akten nicht enthalten. Im Akt befindet sich lediglich ein EDV-Ausdruck, der statistikmäßig offenbar die Daten über die Erledigung eines Antrages der Beschwerdeführerin vom 17. Juli 1992 enthält. Weiters befindet sich im vorgelegten Akt der Ausdruck eines Bescheides vom 23. Juli 1992, der laut Spruch einen Antrag vom 17. Juli 1992 der Firma "S" auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Frau M gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ablehnt. Als Seite zwei und drei dieses Bescheidausdruckes ist offensichtlich die Begründung eines in einem anderen Fall ergangenen Bescheides angeschlossen. Es werden darin die §§ 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG zitiert. In weiterer Folge wird unter Hinweis auf den relevanten Teilarbeitsmarkt der "Teppichstopferinnen" die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung abgelehnt.
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht. Die beschwerdeführende Partei sei in ihrem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, weiters in ihrem Recht auf Erlassung eines Sachbescheides auf Grund ihrer Berufung gegen den negativen Bescheid des Arbeitsamtes verletzt worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (wie erwähnt allerdings offenbar nur teilweise) vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zum Vorbringen in der Beschwerde, der Erledigung der Behörde erster Instanz mangle der Bescheidcharakter, weil die Ausfertigung der Erledigung kein eigenhändiges Handzeichen enthalte, aus welchem zu entnehmen sei, daß der Genehmigende und der Fertigende ident seien, darauf hinzuweisen, daß es nach § 18 Abs. 4 vierter Satz AVG genügt, bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, den Namen des Genehmigenden beizusetzen; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Diesen Erfordernissen entspricht der Bescheid des Arbeitsamtes, denn er enthält die Beisetzung des genehmigenden Organwalters "AR" (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 2. September 1993, 93/09/0171).
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung eines Antrags gemäß der zitierten gesetzlichen Grundlage hängt davon ab, daß die durch den bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid erledigte Sache mit der dem zurückgewiesenen Antrag zugrundeliegenden Sache ident ist. Hiebei ist bei Beurteilung der Identität der Sache von dem im Vorbescheid angenommenen Sachverhalt unter Bedachtnahme der darauf angewendeten Rechtsvorschriften auszugehen. Der der materiellen Rechtskraft fähige Abspruch eines Bescheides besteht nicht nur aus dem Spruch des Bescheides allein, sondern aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung, insoweit sich aus ihr der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt ergibt. Einer neuen Sachentscheidung steht die Rechtskraft eines früher in derselben Angelegenheit ergangenen Bescheides dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1988, 88/01/0056, vom 14. Dezember 1983, 83/09/0106, und vom 11. Juni 1984, 84/04/0202).
Mit dem angefochtenen Bescheid und der "Zurückweisung der Berufung gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache" hat die belangte Behörde eine Formalentscheidung getroffen, deren rechtliche Voraussetzungen die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift schon grundsätzlich mit ihrem Vorbringen bestreitet, wonach ihr erstmals im angefochtenen Bescheid vorgehalten worden sei, daß über einen früher gestellten Antrag ("angeblich vom 17.7.1992") eine sachliche Erledigung bestehen "soll". Aufgrund der Vorgangsweise der belangten Behörde sei es der Beschwerdeführerin verwehrt worden, zum Akteninhalt vor Bescheiderlassung zur Wahrung ihrer Rechte Stellung zu nehmen.
Diesem Vorbringen kommt bereits Berechtigung zu, zumal es nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten (die bezüglich des "Erstverfahrens" nur den EDV-Ausdruck eines Antrages und die - unvollständige - Ausfertigung eines Bescheides enthalten) auch für den Verwaltungsgerichtshof in keiner nachprüfbaren Weise erkennbar ist, daß hinsichtlich des Antrages vom 20. August 1992 auf Beschäftigungsbewilligung der Frau M und dem seinerzeitigen - nach den Ausführungen der belangten Behörde - am 23. Juli 1992 erledigten Antrag vom 17. Juli 1992 "Identität der Sache" besteht. Dieser zuletzt genannte Antrag soll im übrigen laut angefochtenem Bescheid gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 6 AuslBG abgewiesen worden sein, währenddessen der im Akt enthaltene Bescheidausdruck vom 23. Juli 1992 im Spruch lediglich von einer Abweisung gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG spricht. Wegen fehlender - richtiger - Begründung des Bescheides vom 23. Juli 1992 ist auch nicht nachvollziehbar, ob die im angefochtenen Bescheid zum Beleg der Identität der Sache wiedergegebene seinerzeitige Begründung den Tatsachen entspricht. Außerdem ist über die Erlassung des Bescheides vom 23. Juli 1992 in den vorgelegten Akten kein Nachweis vorhanden (vor allem kein Rückschein über eine erfolgte Zustellung). Damit erweist sich aber der angefochtene Bescheid unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG als rechtswidrig.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß auf dem Boden der Rechtsauffassung der belangten Behörde, die Berufung nicht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen, sondern mit der Maßgabe abzuweisen gewesen wäre, daß der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides auf "Zurückweisung wegen entschiedender Sache" zu lauten habe (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, E. 178 zu § 66 Abs. 4 AVG).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)