VwGH 93/09/0042

VwGH93/09/004218.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerden des Landesarbeitsamtes Wien gegen die Bescheide des UVS NÖ vom 20.1.1993,

Zlen. Senat-TU-92-004 (Beschwerdezahl 93/09/0042) und Senat-TU-91-023 (Beschwerdezahl 93/09/0043), betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mP jeweils J in W; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), den Beschluß gefaßt:

Normen

AuslBG §28a idF 1990/450;
AVG §6 Abs1;
AVG §73;
Errichtung von Landesarbeitsämter und Arbeitsämter 1976 §1 Abs1;
Errichtung von Landesarbeitsämter und Arbeitsämter 1976 §1 Abs2;
VStG §24;
VStG §51 Abs7;
VwGG §34 Abs1;
AuslBG §28a idF 1990/450;
AVG §6 Abs1;
AVG §73;
Errichtung von Landesarbeitsämter und Arbeitsämter 1976 §1 Abs1;
Errichtung von Landesarbeitsämter und Arbeitsämter 1976 §1 Abs2;
VStG §24;
VStG §51 Abs7;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die beiden Beschwerde werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden vorliegenden Beschwerden wegen ihres inneren Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Mit Bescheiden vom 19. bzw. 20. September 1991 hat der Magistrat der Stadt Wien als Strafbehörde erster Instanz den Mitbeteiligten (mP) als gemäß § 9 VStG für eine Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wien Verantwortlichen wegen der nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verbotenen Beschäftigung von je drei Ausländern an einer Baustelle in Hintersdorf (NÖ) zu Geldstrafen verurteilt.

Die mP hat dagegen Berufungen erhoben, welche vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gemäß § 6 AVG zuständigkeitshalber an den Unabhängigen Verwaltungssenat Niederösterreich (die belangte Behörde) weitergeleitet wurden.

Mit den beiden angefochtenen Bescheiden vom 20. Jänner 1993 stellte die belangte Behörde fest, daß sie gemäß § 51 Abs. 1 VStG zur Entscheidung über die Berufungen der mP nicht zuständig sei. Dies deshalb, weil die erstinstanzliche Strafbehörde (zutreffend) vom Wiener Firmensitz der Gesellschaft m.b.H. als Tatort ausgegangen sei. Zuständig zur Erledigung der beiden Berufungen sei daher der Unabhängige Verwaltungssenat Wien.

Gegen diese beiden Bescheide hat das Landesarbeitsamt Wien unter Bezugnahme auf § 28a AuslBG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die beiden vorliegenden Amtsbeschwerden erhoben. Obwohl sich das beschwerdeführende Landesarbeitsamt der Begründung der belangten Behörde anschließe, daß der Tatort Wien und zuständig für die Erledigung der beiden Berufungen daher der Unabhängige Verwaltungssenat Wien sei, treffe die belangte Behörde "die Entscheidungspflicht". Es könne nicht Sinn von gesetzlichen Bestimmungen sein, daß über Berufungen nicht entschieden werde.

Gemäß § 28a AuslBG in der Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 hat "das Landesarbeitsamt" im Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und ist berechtigt, gegen Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Auf Grund gesetzlicher Ermächtigung im Arbeitsmarktförderungsgesetz wurden durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 27. August 1976, BGBl. Nr. 508/1976, Landesarbeitsämter und Arbeitsämter errichtet und ihre Sprengel festgesetzt. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung wurden "für den Bereich der einzelnen Bundesländer" insgesamt neun Landesarbeitsämter errichtet, darunter "in Wien für das Bundesland Niederösterreich und die Gemeinde Bruckneudorf des Bundeslandes Burgenland" und "in Wien für das Bundesland Wien". Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung haben die Landesarbeitsämter die ihnen auf Grund gesetzlicher Vorschriften übertragenen Aufgaben zu besorgen und sind unmittelbare Oberbehörden der Arbeitsämter.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß der Gesetzgeber in § 28a AuslBG nicht etwa sämtlichen neun Landesarbeitsämtern in allen Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG Parteistellung und Beschwerdelegitimation eingeräumt hat, sondern jeweils nur dem einen Landesarbeitsamt, in dessen nach der genannten Verordnung festgesetztem örtlichen Sprengel ein Verwaltungsstrafverfahren anhängig ist bzw. in letzter Instanz zum Abschluß gebracht wird. Dem Landesarbeitsamt Wien fehlt es daher an der Beschwerdelegitimation gegen einen letztinstanzlichen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Niederösterreich, weshalb die beiden vorliegenden Amtsbeschwerden gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen waren.

Darüber hinaus könnte den beiden Beschwerden aber auch aus den nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein. Das beschwerdeführende Landesarbeitsamt geht selbst davon aus, daß die belangte Behörde völlig zutreffend ihre Unzuständigkeit zur Erledigung der beiden Berufungen der mP festgestellt hat. Unzutreffend ist jedoch die vom Landesarbeitsamt Wien daraus gezogene rechtliche Folgerung, dadurch sei ihr "Parteienrecht" auf eine Entscheidung über die beiden Berufungen durch den nach übereinstimmender Ansicht der belangten Behörde und des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat Wien verletzt worden.

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

§ 6 Abs. 1 AVG ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden. Für den Bereich des AVG hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu ausgesprochen, daß es der Partei, die die Rechtsmeinung der abtretenden Behörde nicht teilt, freisteht, auf der Erledigung des Antrages durch diese zu beharren. Damit löst sie deren - durch die Abtretung nach § 6 Abs. 1 AVG vorerst erloschene - Entscheidungspflicht neuerlich aus (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 1984, Zl. 83/01/0399, und vom 3. April 1989, Zl. 89/10/0085).

Nun ist allerdings § 73 AVG betreffend die Entscheidungspflicht innerhalb bestimmter Fristen gemäß § 24 VStG in Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden, in denen gemäß Art. 132 B-VG auch eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist; die Folgen einer Nichterlassung der beantragten Berufungsentscheidung regelt vielmehr § 51 Abs. 7 VStG. Diese Regelungen für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens hindern das beschwerdeführende Landesarbeitsamt aber nicht, als Partei der beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durch die Berufungen der mP anhängig gemachten Verfahren auf einer bescheidmäßigen Erledigung dieser Berufungen zu beharren, gegen welche ihm sodann das Beschwerderecht gemäß § 28a AuslBG offen steht.

Die beiden vorliegenden Beschwerden erweisen sich jedoch, wie bereits zu Beginn der Erwägungen näher ausgeführt, als unzulässig, weshalb sie spruchgemäß zurückzuweisen waren.

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