Normen
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §25 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 23. September 1991 (wirksam für 4. September 1991) mit dem Formblatt "Antrag auf ALG" die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Darin führte sie an, daß sie zuletzt bei der B. GmbH in der Zeit vom 9. Jänner 1991 bis 3. September 1991 als Sekretärin beschäftigt gewesen sei. Dazu legte sie eine Arbeitsbescheinigung der B. GmbH vom 5. September 1991 vor, nach der die Beschwerdeführerin im angegebenen Zeitraum als kaufmännische Angestellte arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, in den Monaten März bis Juli 1991 ein Bruttoentgelt von S 16.320,55, im August 1991 ein Bruttoentgelt von S 13.895,55 und im September 1991 ein Bruttoentgelt von S 1.309,06 bezogen habe; die Bezüge seien bis 3. September 1991 ausbezahlt worden; das Beschäftigungsverhältnis sei einverständlich gelöst worden. Im genannten Formblatt führte die Beschwerdeführerin in der Rubrik über offene Ansprüche an, sie habe ihre Ansprüche beim Arbeitsgericht Wien eingeklagt und fügte dem hinzu "falscher Lohnzettel u. Arbeitsbescheinigung".
Nachdem das Arbeitsamt in Erfahrung gebracht hatte, daß vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zwischen der Beschwerdeführerin und der B. GmbH ein Vergleich geschlossen und die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 4. September bis 30. September 1991 bei der Wiener Gebietskrankenkasse "nachversichert" worden war, forderte sie die Beschwerdeführerin zur Vorlage einer korrigierten Arbeitsbescheinigung und einer Vergleichsausfertigung auf. Dem kam die Beschwerdeführerin auch nach.
Nach der korrigierten Arbeitsbescheinigung vom 9. März 1992 stand die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 9. Jänner 1991 bis 30. September 1991 als kaufmännische Angestellte in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der B. GmbH. Das Beschäftigungsverhältnis sei im beiderseitigen Einverständnis gelöst worden. Sie habe von März bis August 1991 die in der Arbeitsbescheinigung vom 5. September 1991 genannten Bruttoentgelte erhalten, für September 1991 jedoch ein Bruttoentgelt von S 10.309,06.
Der vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien am 5. März 1992 abgeschlossene Vergleich lautet:
"Das Dienstverhältnis der (Beschwerdeführerin) zur (B. GmbH) endet einvernehmlich am 30.9.1991.
Die (B. GmbH) verpflichtet sich, der (Beschwerdeführerin) binnen 14 Tagen bei Exekution folgende Beträge zu bezahlen:
....
- 1. S 7.500,-- (SZ und Restgehalt)
- 2. S 6.000,-- Prozeßkosten, darin S 1.000,-- USt.
Ferner verpflichtet sich die (B. GmbH) der (Beschwerdeführerin) ein neues Dienstzeugnis auszustellen und eine Arbeitsbestätigung für das Arbeitsamt auszustellen, je mit einvernehmlicher Lösung zum 30.9.1991.
Mit diesem Vergleich sind alle Ansprüche der Parteien wechselseitig zur Gänze verglichen."
Daraufhin sprach das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien mit Bescheid vom 12. August 1992 aus, daß gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 4. September 1991 bis 30. September 1991 widerrufen und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des in diesem Zeitraum unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Betrag von S 6.248,-- verpflichtet werde. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die Beschwerdeführerin nach dem Ermittlungsverfahren bis 30. September 1991 in einem Dienstverhältnis bei der B. GmbH gestanden sei, jedoch gleichzeitig Arbeitslosengeld bezogen habe.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, sie habe laut dem gerichtlichen Vergleich vom 5. März 1992 nur jene Beträge erhalten, die ihr die B. GmbH zu wenig ausbezahlt gehabt habe, weil der Kollektivvertrag zwischenzeitlich erhöht worden sei und die Beschwerdeführerin monatelang unter dem Kollektivvertrag ihr Geld erhalten habe. Aus diesem Grund habe sie das Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 4. September bis 30. September 1991 rechtmäßig bezogen. Zum Beweis dieses Vorbringens beantragte sie die Beischaffung des Gerichtsaktes, die Vernehmung des Vorsitzenden des zuständigen Senates des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien sowie des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 1992 hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den Inhalt der beiden Arbeitsbescheinigungen sowie des Vergleiches ihrem Berufungsvorbringen entgegen, es gehe aus dem gerichtlichen Vergleich nicht hervor, daß sie laut ihm nur jene Beträge erhalten habe, die ihr die B. GmbH zu wenig ausbezahlt gehabt habe. Vielmehr sei im Vergleich vereinbart worden, daß das Dienstverhältnis nun per 30. September 1991 ende und die B. GmbH der Beschwerdeführerin einen Betrag von S 7.500,--, tituliert als Sonderzahlung und Restgehalt, schulde. Daher sei sie von der B. GmbH bis 30. September 1991 nachversichert worden. Aus diesem Grund (aufrechtes Dienstverhältnis bis 30. September 1991) sei das in diesem Zeitraum von der Beschwerdeführerin bezogene Arbeitslosengeld gemäß § 25 Abs. 2 zweiter Satz zweiter Fall AlVG zum Rückersatz vorzuschreiben gewesen. Um Kenntnisnahme des geschilderten Sachverhaltes und Stellungnahme bis 30. Oktober 1992 werde gebeten. Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß aufgrund des im Schreiben der belangten Behörde vom 5. Oktober 1992 dargelegten Sachverhaltes das von der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 4. September bis 30. September 1991 bezogene Arbeitslosengeld gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz zweiter Fall AlVG zum Rückersatz vorzuschreiben gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht zur Rückzahlung des für den Zeitraum vom 4. September bis 30. September 1991 empfangenen Arbeitslosengeldes von S 6.248,-- verpflichtet zu werden, verletzt erachtet. Sie habe beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ursprünglich einen Betrag von S 6.045,-- brutto gegen die B. GmbH eingeklagt. Mit Schriftsatz vom 14. Jänner 1992 habe sie ihr Klagebegehren ausgedehnt und sich überdies darauf berufen, daß ihr vom Jänner 1991 bis zumindest "Dezember" (offensichtlich gemeint: September) 1991 ein Gehalt ausbezahlt worden sei, das unter dem Kollektivvertrag gelegen gewesen sei. Ihre Nachforderung hinsichtlich des unter dem Kollektivvertrag ausbezahlten Gehaltes sei bei der Verhandlung vom 5. Februar 1992 (offensichtlich gemeint: 5. März 1992) nicht mehr strittig gewesen. Strittig gewesen sei nur, ob das Dienstverhältnis bis Ende September 1991 gedauert habe und ihr Ansprüche bis dahin zustünden. Es sei dann zum oben wiedergegebenen Vergleich gekommen. Die daraus und aus den Arbeitsbescheinigungen gezogenen Schlüsse der belangten Behörde beruhten auf einem mangelhaften Verfahren. Die belangte Behörde habe nämlich nicht die beantragten Beweise durchgeführt. Bei ihrer Durchführung hätte sich ergeben, daß die S 7.500,-- an Sonderzahlung und Restgehalt einen Zeitraum vor dem 4. September 1991 betroffen hätten, in dem die Beschwerdeführerin unter dem gültigen Kollektivvertrag bezahlt worden sei. Auch hätte sich aus dem Akt ergeben, daß das Dienstverhältnis am 3. September 1991 durch Entlassung geendet habe. Eine Entlassung sei aber eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die zu einer sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses führe. Daran könne auch durch eine allfällige Rechtswidrigkeit der Entlassung nicht gerüttelt werden. Daß nachträglich ein zusätzliches weiteres Dienstverhältnis vom 4. September bis 30. September 1991 zustande gekommen wäre, sei im Verfahren nicht hervorgekommen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 besteht die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird.
In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zu dieser Novelle, 986 BlgNR 17. GP, Seite 13, heißt es dazu:
Eine Rückforderung des bezogenen Arbeitslosengeldes ist derzeit nur dann möglich, wenn im Falle einer Lösung eines einen Kündigungs- oder Entlassungsschutz genießenden Dienstverhältnisses von der zuständigen Behörde entschieden oder durch Vergleich vor der zuständigen Behörde festgestellt wurde, daß das Beschäftigungsverhältnis weiterbesteht. Da damit nicht alle möglichen Fälle einer Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses erfaßt werden und sohin für einen Zeitraum sowohl Entgelt als auch Arbeitslosengeld gebühren kann, wird normiert, daß jede rückwirkende Feststellung oder Vereinbarung über das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses die Arbeitsmarktverwaltung zur Rückforderung der erbrachten Leistung berechtigt."
Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nie behauptet, daß ihr Dienstverhältnis mit der B. GmbH - entgegen der ursprünglichen Arbeitsbescheinigung - am 3. September 1991 durch Entlassung beendet worden sei. Daher kommt der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge der Unterlassung der Beischaffung des Gerichtsaktes, aus dem sich dies ergeben hätte, keine Berechtigung zu und brauchte auf die von der Beschwerdeführerin daraus gezogenen rechtlichen Konsequenzen nicht eingegangen zu werden. Es ist vielmehr - entsprechend der Beschwerdebehauptung, es sei zuletzt im gerichtlichen Verfahren nur mehr strittig gewesen, ob das Dienstverhältnis bis Ende September 1991 gedauert habe und der Beschwerdeführerin Ansprüche bis dahin zugestanden seien, und dem von ihr nicht als unrichtig bezeichneten Inhalt des gerichtlichen Vergleiches vom 5. März 1992 und ihrer Beschwerdebehauptung, daß nicht nachträglich "ein zusätzliches weiteres Dienstverhältnis vom 4. 9. 1991 bis 30. 9. 1991 zustandegekommen" sei - nicht als rechtswidrig zu erachten, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß mit dem angeführten Vergleich die Beendigung des Dienstverhältnisses erst mit 30. September 1991 vereinbart worden sei.
Jedenfalls in solchen Fällen, in denen zwischen den Partnern eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zunächst strittig war, wann dieses Beschäftigungsverhältnis geendet hat, danach aber in einem auch darüber abgeführten gerichtlichen Verfahren rückwirkend durch gerichtlichen Vergleich vereinbart wurde, daß es zu einem späteren als dem ursprünglich von einem Partner gemeinten Zeitpunkt beendet worden sei (werde), und dem Beschäftigten für den strittigen Zeitraum Arbeitslosengeld bezahlt wurde, liegt der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 zweiter Satz zweiter Halbsatz AlVG vor; dies - unter Bedachtnahme einerseits auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Wirksamkeit nachträglicher Verzichte auf Arbeitsentgelt in gerichtlichen Vergleichen (vgl. die Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0058, und vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0094) und andererseits auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verneinung eines Anspruches auf Arbeitslosengeld in Fällen, in denen bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses dem Beschäftigten wegen Karenzierung bzw. "Aussetzung" des Beschäftigungsverhältnisses vereinbarungsgemäß kein Entgelt zukommt (vgl. dazu zuletzt die Erkenntnisse vom 20. April 1993, Zl. 91/08/0184, und vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0047, mit weiteren Judikaturhinweisen) - auch dann, wenn im gerichtlichen Vergleich vereinbart wird oder sich aus ihm ergibt, daß dem Beschäftigten für den strittigen Zeitraum kein Arbeitsentgelt nachzuzahlen ist. Da es daher unmaßgeblich ist, ob der Vergleichsbetrag von S 7.500,-- einen Zeitraum vor dem 4. September 1991 betroffen hat, stellt es schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel dar, wenn die belangte Behörde die in der Berufung beantragten Beweise nicht durchgeführt hat, und brauchte daher nicht geprüft zu werden, ob die belangte Behörde deshalb, weil die Beschwerdeführerin zum Schreiben der belangten Behörde vom 5. Oktober 1992 keine Stellungnahme abgegeben hat, aufgrund des Vergleiches in Verbindung mit der Arbeitsbescheinigung der B. GmbH vom 9. März 1992 davon ausgehen durfte, daß mit dem Vergleichsbetrag von S 7.500,-- (auch) das der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 4. September bis 30. September 1991 zustehende Arbeitsentgelt abgegolten werden sollte.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, begrenzt durch das Begehren der belangten Behörde.
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