VwGH 93/07/0124

VwGH93/07/012418.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Hargassner, Dr. Bumberger und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des Al in H, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8. Juli 1993, Zl. LAS-145/14-81, betreffend Zusammenlegung H (mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §480;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §6 Abs1;
FlVfGG §6;
FlVfLG Tir 1978 §26 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §26;
FlVfLG Tir 1978 §72 Abs4;
FlVfLG Tir 1978 §72 Abs7;
ABGB §480;
AVG §68 Abs1;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §6 Abs1;
FlVfGG §6;
FlVfLG Tir 1978 §26 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §26;
FlVfLG Tir 1978 §72 Abs4;
FlVfLG Tir 1978 §72 Abs7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. November 1992 erließ das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) den Zusammenlegungsplan für die Zusammenlegung H. Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, im Zusammenlegungsplan sei eine im Jahre 1951 von der Gemeinde H eingeräumte Dienstbarkeit nicht eingetragen. Er beantrage die Eintragung dieser Dienstbarkeit laut beiliegender Vereinbarung mit dem seinerzeitigen Gemeindevorstand.

Im Verfahren vor der belangten Behörde verwies der Beschwerdeführer neuerlich auf die Vereinbarung aus dem Jahr 1951 sowie darauf, daß er die in dieser Vereinbarung vereinbarte Grunddienstbarkeit seit 42 Jahren ausübe.

Mit Bescheid vom 8. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wird ausgeführt, der Beschwerdeführer begehre die Verbücherung einer angeblich bestehenden Dienstbarkeit und verweise dabei auf den Vertrag vom 24. April 1951, abgeschlossen zwischen der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei. Dieser Vertrag bilde jedoch keinen verbücherungsfähigen Titel für die Verbücherung der gegenständlichen Dienstbarkeit. Die Voraussetzung für eine Verbücherung sei, daß die Urkunden in einer Form vorlägen, die zur Bewilligung einer Einverleibung erforderlich seien (§ 94 Abs. 1 Grundbuchsgesetz). Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Vertrag entspreche jedoch nicht diesen Erfordernissen. Wie außerdem anläßlich der mündlichen Verhandlung am 21. April 1993 habe festgestellt werden können, sei auch die Gemeinde als seinerzeitige Vertragspartnerin der Meinung, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Dienstbarkeit nur zeitlich beschränkt eingeräumt worden sei. Es sei also sogar der Inhalt und der Umfang dieser Dienstbarkeit strittig. Wenn nunmehr nicht einmal über den Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit zwischen dem Servitutsberechtigten und dem Servitutsverpflichteten Einvernehmen bestehe und auch die vorhandene Urkunde den Erfordernissen einer verbücherungsfähigen Urkunde in keiner Weise entspreche, so könne auch dem Berufungsbegehren auf Verbücherung der Dienstbarkeit nicht Rechnung getragen werden. Aus der Verweigerung der Verbücherung des vorgenannten Vertrages ließen sich aber noch keine Schlüsse darüber ableiten, ob die Dienstbarkeit tatsächlich bestehe oder nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, daß die Dienstbarkeit laut der Vereinbarung aus dem Jahre 1951 in den Zusammenlegungsplan eingetragen werde, verletzt. Er bringt im wesentlichen vor, § 26 Abs. 1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 (TFLG 1978) verweise auf § 480 ABGB. In dieser letztgenannten Bestimmung sei die Ersitzung und nicht nur eine verbücherungsfähige Urkunde als Rechtsgrund genannt. Der Beschwerdeführer habe in der Verhandlung vor der belangten Behörde am 8. Juli 1993 ausdrücklich auf Ersitzung hingewiesen. Schon allein auf Grund der Ersitzung hätte daher die Dienstbarkeit des Beschwerdeführers im Zusammenlegungsplan eingetragen werden müssen. Alle Voraussetzungen für die Ersitzung habe der Beschwerdeführer nachgewiesen. Er habe die Dienstbarkeit rechtmäßig ausgeübt, weil er auf einen Vertrag aus dem Jahr 1951 hingewiesen habe. Er habe auch auf die Dauer der Benützung, nämlich seit 42 Jahren, aufmerksam gemacht, sodaß im Sinne des § 26 TFLG 1978 im Zusammanhalt mit § 480 ABGB der Antrag, die Dienstbarkeit im Zusammenlegungsplan einzutragen, bewilligt hätte werden müssen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie führt darin unter anderem aus, es sei ihr als Berufungsbehörde verwehrt gewesen, über Bestand, Inhalt und Umfang der in Rede stehenden Dienstbarkeit abzusprechen, weil diesbezüglich von der erstinstanzlichen Behörde keine Entscheidung getroffen worden sei. Wenn der Beschwerdeführer auf § 26 TFLG 1978 verweise, so sei damit für ihn nichts zu gewinnen. Nur solche Dienstbarkeiten, deren Bestand eindeutig feststehe, könnten aufrecht erhalten werden. Im Beschwerdefall sei jedoch der Bestand der behaupteten Dienstbarkeit strittig. Es müßte demnach erst ein entsprechendes Verfahren von seiten der Agrarbehörde zur Feststellung der Dienstbarkeit durchgeführt werden. Erst in einem solchen Sonderverfahren könnte festgestellt werden, ob diese Dienstbarkeit überhaupt bestehe und ob sie weiterhin erforderlich sei. Dem Beschwerdeführer bleibe es daher jederzeit unbenommen, bei der Agrarbehörde erster Instanz ein solches Verfahren anzustreben. Die belangte Behörde als Berufungsbehörde habe sich jedoch nur mit der Frage zu befassen gehabt, ob die behauptete Dienstbarkeit eingetragen, also verbüchert werden könne oder nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 26 Abs. 1 TLFG 1978 erlöschen Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der im § 480 ABGB genannten Titel gründen, mit Ausnahme der Ausgedinge ohne Entschädigung. Sie sind jedoch von der Agrarbehörde ausdrücklich aufrechtzuerhalten oder neu zu begründen, wenn sie im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sind.

Nach § 480 ABGB ist der Titel zu einer Servitut auf einem Vertrage, auf einer letzten Willenserklärung, auf einem bei der Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke erfolgten Rechtsspruche, oder endlich, auf Verjährung gegründet.

§ 26 Abs. 1 TFLG 1978 nennt nicht den Zeitpunkt, zu dem das in dieser Bestimmung vorgesehene Erlöschen von Grunddienstbarkeiten eintritt. Aus der Stellung dieser Bestimmung im System des TFLG 1978 folgt aber, daß dieses Erlöschen mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes verbunden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Juni 1975, Zl. 306/75 und vom 5. Dezember 1989, Zl. 89/07/0072). Wird eine Grunddienstbarkeit im Zusammenlegungsplan nicht ausdrücklich aufrechterhalten, so erlischt sie kraft Gesetzes mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes. Auf Grund des Umstandes, daß die in Rede stehende Grunddienstbarkeit im Zusammenlegungsplan nicht ausdrücklich aufrechterhalten wurde, wäre sie bei Eintritt der Rechtskraft dieses Zusammenlegungsplanes kraft Gesetzes erloschen. Insofern enthält der Zusammenlegungsplan eine ihm vom Gesetz beigemessene negative Entscheidung über diese Grunddienstbarkeit. Der Auffassung der belangten Behörde, es sei ihr als Berufungsbehörde verwehrt gewesen, über Bestand, Inhalt und Umfang dieser Dienstbarkeit abzusprechen, weil diesbezüglich von der Agrarbehörde erster Instanz keine Entscheidung getroffen worden sei, trifft daher nicht zu.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer nicht die Verbücherung der Dienstbarkeit begehrt, sondern deren "Eintragung" im Zusammenlegungsplan, ein Begehren, das nur als Antrag auf Aufrechterhaltung dieser Dienstbarkeit angesehen werden kann. Dies ergibt sich eindeutig aus der Formulierung in der Berufung, wo der Beschwerdeführer zunächst davon spricht, daß im ZUSAMMENLEGUNGSPLAN VON H eine im Jahre 1951 von der Gemeindevertretung eingeräumte Dienstbarkeit nicht eingetragen sei, und dann die "Eintragung" dieser Dienstbarkeit verlangt.

Der Beschwerdeführer stützte seinen Anspruch auch auf eine Ersitzung, also auf einen der im § 480 ABGB genannten Titel. Dem § 26 TFLG 1978 ist nicht zu entnehmen, daß eine ausdrückliche Aufrechterhaltung nur in bezug auf solche Dienstbarkeiten in Betracht käme, deren Bestand, Inhalt und Umfang unbestritten sei. Vielmehr hat die Agrarbehörde, deren Zuständigkeit sich nach § 72 Abs. 4 TFLG 1978 von der Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens an - von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen nach § 72 Abs. 7 leg. cit. abgesehen - auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen, erstreckt, zu prüfen, ob bzw. in welchem Umfang eine unter dem Titel der Ersitzung behauptete Grunddienstbarkeit besteht und ob sie entsprechend den Bestimmungen des § 26 Abs. 1 TFLG 1978 ausdrücklich aufrechtzuerhalten ist. Daß zur Prüfung dieser Fragen im Beschwerdefall die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde gegeben war, wurde bereits dargelegt.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Anspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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