VwGH 93/07/0079

VwGH93/07/007921.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des Dr. R in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Juni 1993, Zl. 513.171/02-I 5/93, betreffend Überprüfung der Ausführung von Wasseranlagen, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §121 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WRG 1959 §121 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 9. April 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 10 Abs. 2, 11 bis 14, 32 Abs. 2 lit. c und 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die auf den Grundstücken Nr. 7821/3, 7821/4 und 7822/1 befindliche Sand- und Schottergrube nach Maßgabe der im Abschnitt A festgelegten Beschreibung sowie bei Einhaltung der im Abschnitt C angeführten Vorschreibungen erteilt.

Punkt 7 dieser Vorschreibungen lautet:

"Im Bereich des Grubengrundstückes (auf ursprünglichem Geländeniveau) ist ein Höhenfixpunkt zu errichten, auf den sich alle Höhenangaben in den Plänen beziehen. Dieser Fixpunkt ist an das Höhenwerk der Bundesvermessung anzuschließen".

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Bei der Überprüfungsverhandlung am 29. Oktober 1992 wurde u. a. festgestellt, daß der gemäß Punkt 7 der Vorschreibungen des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides zu errichtende Höhenfixpunkt und dessen planliche Darstellung fehlten. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, die Nichteinhaltung dieser Auflage gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 als geringfügige Abweichung nachträglich zu genehmigen.

Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz holte eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Wasserbautechnik ein. Dieser vertrat in seinem Gutachten vom 4. Dezember 1992 die Auffassung, der Höhenfixpunkt sei erforderlich.

Der Beschwerdeführer bestritt in seiner Stellungnahme die Notwendigkeit der Errichtung eines Höhenfixpunktes.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1993 wies die Wasserrechtsbehörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers, vom Auflagenpunkt 7 des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 9. Mai 1990 abzusehen, unter Berufung auf § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchabschnitt I). Unter Spruchabschnitt II wurde gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 festgestellt, daß die ausgeführte Anlage mit der erteilten Bewilligung im wesentlichen übereinstimme; die festgestellten Mängel (Punkt 7 des Bewilligungsbescheides) seien bis 20. Mai 1993 zu beheben.

In der Begründung zu Spruchabschnitt I gab die Wasserrechtsbehörde erster Instanz den Verfahrensablauf wieder, setzte sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinander, daß keine Wasserbenützung erfolge und keine Wasserbenutzungsanlage vorliege und führte dann aus, im Überprüfungsverfahren nach § 121 WRG 1959 komme es nicht darauf an zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Vorschreibung der Errichtung eines Höhenfixpunktes vorlägen, sondern ausschlaggebend sei ganz allein die Tatsache, daß dieser Höhenfixpunkt bereits rechtskräftig im zugrundeliegenden Bewilligungsbescheid vorgeschrieben worden sei. Diese Vorschreibung sei somit rechtskräftig und jederzeit vollstreckbar, was auch geschehen werde, sollte der Beschwerdeführer nicht freiwillig innerhalb der gesetzten Nachfrist diese Maßnahme erfüllen. Obwohl das öffentliche Interesse am Beibehalten der Vorschreibung, einen Höhenfixpunkt zu errichten, nicht mehr begründet werden müsse, ergebe sich auf Grund der Ausführungen des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, daß der Höhenfixpunkt erforderlich sei. Nach § 68 Abs. 1 AVG sei ein Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrten, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 finde, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Da es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers weder um die Fälle der §§ 69 und 71 AVG handle noch darin ein Anlaß zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 zu sehen sei, andererseits vom wasserfachlichen Amtssachverständigen ausdrücklich auf die Notwendigkeit und Bedeutung des gegenständlichen Auflagepunktes hingewiesen worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der Beschwerdeführer berief.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Wasserbautechnik ein. Dieser bestätigte die Ausführungen des Amtssachverständigen der Erstbehörde.

Mit Bescheid vom 3. Juni 1993 änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid insoferne ab, "als der Antrag gemäß § 121 Abs. 1 letzter Satz WRG auf nachträgliche Genehmigung geringfügiger Abweichungen der Auflage des Bewilligungsbescheides vom 9. April 1990 als unbegründet abgewiesen" wurde. Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 hat sich unmittelbar nach erfolgter Ausführung einer nach diesem Bundesgesetze bewilligungspflichtigen Wasseranlage die zur Erteilung der Bewilligung in erster Instanz zuständige Wasserrechtsbehörde in einem nach den Bestimmungen der §§ 40 bis 44 AVG auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung, bei Trieb- und Stauwerken insbesondere auch von der richtigen und zweckmäßigen Setzung der Staumaße zu überzeugen, die Messungsergebnisse in der Verhandlungsschrift festzulegen, das Ergebnis dieser Überprüfungsverhandlung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung der dabei etwa wahrgenommenen Mängel und Abweichungen zu veranlassen. Geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, können im Überprüfungsbescheide nachträglich genehmigt werden.

§ 121 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 ermöglicht es, rechtskräftige Entscheidungen (in bestimmtem Rahmen) abzuändern. Einer neuen Entscheidung steht insoweit die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides nicht entgegen. Was unter "Abweichungen" zu verstehen ist, ergibt sich aus § 121 Abs. 1 erster Satz WRG 1959. Dieser verpflichtet die Wasserrechtsbehörde, sich von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung zu überzeugen. Die Behörde hat demnach einen Vergleich zwischen erteilter Bewilligung und ausgeführter Anlage vorzunehmen. Zur erteilten Bewilligung gehören auch die Auflagen. Eine Abweichung im Sinne des § 121 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 stellt daher auch die Nichtausführung einer Auflage dar. Daraus folgt, daß auch das Unterbleiben einer Auflagenausführung nachträglich genehmigt werden kann, wenn die übrigen Voraussetzungen hiefür vorliegen. Der Beschwerdeführer hatte einen Anspruch auf eine meritorische Erledigung seines Antrages durch die Wasserrechtsbehörde erster Instanz; der Antrag durfte nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden. Dies aber hat die Wasserrechtsbehörde erster Instanz getan. Daran kann angesichts der Zitierung des § 68 AVG sowohl in Spruchabschnitt I als auch in der Begründung ihres Bescheides trotz des Umstandes, daß sie unter Berufung auf das eingeholte Amtssachverständigengutachten auch die Notwendigkeit des Höhenfixpunktes betont hat, kein Zweifel bestehen. Es kann daher auch nicht von einem (bloßen) Vergreifen im Ausdruck die Rede sein; vielmehr bringt die Zitierung des § 68 AVG wie auch jener Teil der Begründung, in welchem betont wird, daß eine Prüfung der Notwendigkeit des Höhenfixpunktes wegen der Rechtskraft der Vorschreibung desselben gar nicht mehr erforderlich sei, eindeutig die Absicht der belangten Behörde zum Ausdruck, den Antrag auf nachträgliche Genehmigung des Unterbleibens dieses Höhenfixpunktes wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ein Umdeuten dieses eindeutigen behördlichen Willens ist unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zlen. 85/05/0005 u.a.).

Hat aber die Wasserrechtsbehörde erster Instanz den Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen, dann war Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG für die belangte Behörde nur mehr die Frage, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgt ist; sie durfte aber nicht über den zurückgewiesenen Antrag entscheiden, insbesondere auch nicht die erstinstanzliche Zurückweisung in eine Abweisung umwandeln (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 540 angeführte Rechtsprechung). Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides stellt nicht etwa einen meritorischen Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers dar, sondern ist die logische Konsequenz aus Spruchabschnitt I und steht mit diesem in untrennbarem Zusammenhang, sodaß auch der den Spruchabschnitt II des erstinstanzlichen Bescheides bestätigende Teil des angefochtenen Bescheides sich als rechtswidrig erweist.

Aus den dargestellten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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