VwGH 93/04/0258

VwGH93/04/025820.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Oktober 1993, Zl. MA 63 - S 398/93, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §13 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §26 Abs4;
GewO 1973 §87 Abs1 Z1;
GewO 1973 §91 Abs2;
GewRNov 1992;
StGB §146;
StGB §147;
StGB §43;
GewO 1973 §13 Abs1 idF 1993/029;
GewO 1973 §26 Abs4;
GewO 1973 §87 Abs1 Z1;
GewO 1973 §91 Abs2;
GewRNov 1992;
StGB §146;
StGB §147;
StGB §43;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführerin das Gewerbe: "Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Großhandel mit Chemikalien und chemisch-technischen Produkten (soweit es sich nicht um konzessionspflichtige Waren handelt) im Standort H-Straße 74", gestützt auf § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 GewO 1973 entzogen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der handelsrechtliche und gewerberechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin K sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Juni 1992 schuldig erkannt worden, am 8. Oktober 1987, 12. April 1988, 10. Jänner 1989, 13. Oktober 1989,

13. Juli 1990 und 28. März 1990 in Wien mit dem Vorsatz durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte des Arbeitsamtes Versicherungsdienste durch die unwahre Behauptung, nicht in Beschäftigung zu stehen und über kein Einkommen zu verfügen, sohin durch Täuschung über Tatsachen zur Gewährung von Notstandshilfe samt Familienzuschuß, sohin zu Handlungen verleitet zu haben, die das Arbeitsamt Versicherungsdienste an seinem Vermögen geschädigt hätten. Der entstandene Schaden betrage

S 494.580,--. K habe dadurch das Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB begangen und sei wegen dieser strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt worden. Dem Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien lasse sich entnehmen, daß die strafbare Handlung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf Grund seiner Aussage in einer Pflegschaftssache vor dem Bezirksgericht Döbling bekannt geworden sei. In diesem Verfahren habe K für 1991 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von S 20.000,--, für 1990 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von

S 25.000,-- bis 26.000,-- und für 1989 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von S 10.000,-- angegeben. Diese Angaben seien in einem Widerspruch zu den von ihm zugestandenen Fixausgaben, seinen relativ teuren Urlauben und auch zum getätigten Ankauf eines PKW Alfa Romeo gestanden. Den Bezug von Arbeitslosenentgelt habe er bei dieser Einvernahme bestritten. Durch weitere Ermittlungen sei bekannt geworden, daß K zu den im Strafurteil näher konkretisierten Zeitpunkten Anträge auf Notstandshilfe sowie Familienzuschläge gestellt und dabei angegeben habe, nicht in Beschäftigung zu stehen und kein eigenes Einkommen zu haben. Im Zeitraum 1. Jänner 1988 bis 31. August 1991 habe er insgesamt S 494.580,-- zu Unrecht bezogen. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei davon auszugehen, daß das von der Beschwerdeführerin ausgeübte Gewerbe K als deren Geschäftsführer Gelegenheit zur Begehung von Straftaten im Sinne der §§ 146 und 147 Abs. 2 StGB biete. Die Begehung des schweren Betruges sei sowohl gegenüber den Geschäftspartnern und Kunden der Beschwerdeführerin als auch gegenüber dem Arbeitsamt und Sozialversicherungsträgern möglich. Die Begehung weiterer derartiger Straftaten müsse schon im Hinblick auf die der Straftat zugrundeliegende Vorgangsweise, die Höhe des Schadensbetrages sowie den langen Tatzeitraum befürchtet werden. Dem seit der Verurteilung verstrichenen Zeitraum von einem Jahr könne nicht jenes Gewicht beigemessen werden, das die in Rede stehende Annahme unberechtigt erscheinen ließe. Da

K von der Beschwerdeführerin als Geschäftsführer innerhalb der aufgetragenen Frist nicht entfernt worden sei, lägen die Voraussetzungen für eine Maßnahme nach § 91 Abs. 2 GewO 1973 vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin ihrem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Unterbleiben der Entziehung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, schon in ihrem Berufungsvorbringen habe sie darauf hingewiesen, daß "auch eine Überprüfung der Persönlichkeit des Täters zu erfolgen hat und nicht rein von der Aktenlage auszugehen ist".

K habe ein reumütiges Geständnis abgelegt und bis zur Verurteilung einen tadellosen Leumund geführt. Bis zum Zeitpunkt seiner Verurteilung habe sich der damals im

52. Lebensjahr stehende Geschäftsführer der Beschwerdeführerin nichts zuschulden kommen lassen, über ihn seien weder gerichtliche noch verwaltungsrechtliche Strafen verhängt worden. Die Tat, wegen der er verurteilt worden sei, habe er nicht auf Grund einer besonderen "verbrecherischen Neigung" begangen, sie sei "vielleicht dadurch mitbedungen, daß das Sozialsystem keine entsprechende bzw. wirksamere Sicherungsmethode aufweist". Da aus der Persönlichkeitsstruktur des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin und seines bisherigen Lebenswandels nicht geschlossen werden könne, daß er auch in Zukunft ein derartiges Delikt nochmals begehen werde, hätte die belangte Behörde bei richtiger Würdigung der Umstände zur Ansicht gelangen müssen, daß die Notwendigkeit zur Entziehung der Gewerbeberechtigung nicht bestehe. Die belangte Behörde lasse völlig unberücksichtigt, daß über K lediglich eine bedingte Strafe verhängt worden sei. Eine solche wäre niemals verhängt worden, wenn das Gericht eine "verbrecherische Neigung" in der Persönlichkeit ihres Geschäftsführers erkannt hätte. Aus den angeführten Gründen hätte die belangte Behörde zur Ansicht kommen müssen, daß im konkreten Fall keine Gefahr der Begehung weiterer strafbarer Handlungen durch K bestehe. Die Tatsache der unverzüglichen Schadensgutmachung bereits vor der Verurteilung, der bisherige Lebenswandel des K sowie die Tatsache, daß im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung der Beschwerdeführerin weder Geschäftspartner noch Kunden jemals zu Schaden gekommen seien sowie das Wohlverhalten ihres Geschäftsführers seit seiner Verurteilung ließen die Annahme zu, daß er sich in Hinkunft wohlverhalten werde.

Gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, hat die Behörde (§ 361), sofern der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes ist und sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, beziehen, dem Gewerbetreibenden eine Frist bekannt zu geben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen, und im Falle daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen.

Gemäß § 87 Abs. 1 leg. cit. ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn

1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, oder

...

Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. ist von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wer von einem Gericht zu einer 3 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden ist, wenn die Verurteilung weder getilgt ist noch der Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister (§ 6 des Tilgungsgesetzes 1972 in der jeweils geltenden Fassung) unterliegt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht das Vorliegen eines Ausschlußgrundes gemäß § 13 Abs. 1 GewO 1973, meint aber, die weitere im § 87 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. normierte Voraussetzung der Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat durch ihren Geschäftsführer sei nicht gegeben. Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Auch im Entziehungsverfahren gemäß § 91 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973, in dem als Entziehungsgrund eine strafgerichtliche Verurteilung im Sinne des § 13 Abs. 1 leg. cit. in Frage steht, obliegt der Gewerbebehörde die selbständige Beurteilung, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen der Entziehung gegeben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 93/04/0050 mit weiteren Nachweisen). Der auf die Bestimmung des § 43 StGB gestützte Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht enthebt somit - abgesehen davon, daß die gesetzlichen Tatbestände des § 13 GewO 1973 einerseits und die des § 43 StGB andererseits schon ihrem Wortlaut nach nicht übereinstimmen - die Administrativbehörde nicht von dieser Verpflichtung (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis). Die belangte Behörde legte nun in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführlich in nicht als unschlüssig zu erkennenden Weise dar, auf Grund welcher Erwägungen sie aus dem Verhalten des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf ein die Befürchtung im Sinne des § 87 Abs. 1 letzter Satzteil GewO 1973 rechtfertigendes Persönlichkeitsbild ihres Geschäftsführers schloß. Mit Recht verwies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf, daß der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin über einen Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren unwahre Angaben gegenüber Angestellten des Arbeitsamtes Versicherungsdienste gemacht hat, um Notstandshilfe samt Familienzuschuß gewährt zu erhalten, sowie auf die vom Vorsatz umfaßte Schadenshöhe von nahezu einer halben Million Schilling.

Bei diesem Sachverhalt lagen der belangten Behörde somit konkrete Umstände vor, die sie - ohne einem Rechtsirrtum zu unterliegen - zur Annahme berechtigten, daß nach der Eigenart der strafbaren Handlung die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat zu befürchten sei. Daran vermag auch der Umstand, daß der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin "bis zur Verurteilung einen tadellosen Leumund gehabt hat" und von der in Rede stehenden Straftat abgesehen unbescholten ist, nichts zu ändern. Ebenso ist es für die Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Verurteilten im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 nicht von Relevanz, ob durch die zur Überprüfung vorliegenden Straftaten Geschäftspartner oder Kunden der Beschwerdeführerin zu Schaden gekommen sind, da die zum Tatbild des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 gehörenden Verurteilungen nicht Delikte betreffen müssen, die bei Ausübung oder im Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes begangen wurden. Die erstmals in der Beschwerde enthaltene Behauptung, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin hätte den Schaden "unverzüglich" gutgemacht, widerspricht den Angaben sowohl der Beschwerdeführerin als auch ihres Geschäftsführers im Verfahren vor den Gewerbebehörden, insbesonders den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Antrag auf Gewährung der Nachsicht gemäß § 26 GewO 1973 vom 3. August 1993, in welchem darauf verwiesen wird, daß von dem zu Unrecht bezogenen Betrag K einen Betrag von S 260.000,--, also lediglich rund zwei Drittel, zurückbezahlt habe.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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