VwGH 93/04/0152

VwGH93/04/015223.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. Juni 1993, Zl. 3/1-3/1992, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §370 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 idF 1983/176;
VStG §9;
GewO 1973 §370 Abs2;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 idF 1983/176;
VStG §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 17. Juni 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als verantwortlicher Beauftragter, nämlich als Leiter der Gebietsdirektion Süd der X-Ges.m.b.H., wobei er seiner Bestellung dazu gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG nachweislich zugestimmt habe, verantwortlich zu sein, daß in der Zeit vom 8. November 1991 bis 29. Februar 1992 auf der gewerbebehördlich genehmigten Tankstelle Gp. 1011/2, KG S, durch den Einsatz neuer Zapfsäulen für die Selbstbedienung, und zwar eine Zapfsäule für Dieseltreibstoff, eine Doppelzapfsäule für Benzin/Super unverbleibt, eine Doppelzapfsäule für Super/Super und eine Mixzapfsäule für Benzin/Super unverbleibt in einem geänderten Zustand betrieben worden sei, ohne daß für die Änderung eine Genehmigung nach § 81 GewO 1973 erlangt worden sei, obwohl der Betrieb der umgestellten Zapfsäulen von Nichtselbstbedienung auf Selbstbedienung geeignet sei, durch unsachgemäße Bedienung der Kunden das Leben und die Gesundheit der Nachbarn bzw. der Kunden zu gefährden bzw. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch oder in anderer Weise zu belästigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 2 und Abs. 4 VStG i.V.m.

§ 366 Abs. 1 Z. 4, 2. Tatbestand GewO 1973 begangen, weshalb gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO 1973 über ihn eine Geldstrafe von S 7.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 12 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer "in seinem Recht, auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes nicht bestraft zu werden, verletzt". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer u.a. geltend, es sei verfehlt, ihn in seiner Eigenschaft als verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG zu bestrafen, da diese Bestimmung nur subsidiär zur Anwendung zu kommen habe und im § 370 Abs. 2 eine für das Gewerberecht spezielle Norm bestehe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Wie sich aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, hat die darin getroffene Regelung nur subsidiär d.h. nur dann zur Anwendung zu kommen, wenn in den im Einzelfall zur Anwendung kommenden besonderen Verwaltungsvorschriften nicht eine selbständige Regelung der Verantwortlichkeit nach außen getroffen ist. Dies ist für den Bereich des Gewerberechtes durch die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und des § 370 Abs. 2 GewO 1973 geschehen.

Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. können juristische Personen im Rahmen ihres Wirkungsbereiches und Personengesellschaften des Handelsrechtes (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben. Wurde die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt (§ 39), so sind zufolge § 370 Abs. 2 leg. cit. Geld- und Arreststrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.

Gemäß § 370 Abs. 3 GewO 1973 ist der Gewerbetreibende neben dem Geschäftsführer strafbar, wenn er die Verwaltungsübertretung wissentlich duldet oder wenn er bei der Auswahl des Geschäftsführers es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen.

Mit Rücksicht auf diese Sondernormen des Gewerberechtes ist somit im Hinblick auf die im § 9 Abs. 1 VStG normierte Subsidiarität für den Bereich des Gewerberechtes § 9 Abs. 2 VStG nicht anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Slg. N.F. Nr. 12.590/A). Nur dann, wenn ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht bestellt wurde, ist das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person nach § 9 VStG (allenfalls der nach § 9 Abs. 2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte) für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. November 1983, Zl. 83/04/0185).

Für die Annahme, für die X-Ges.m.b.H. sei entgegen der zwingenden Bestimmung des § 9 Abs. 1 GewO 1973 ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht bestellt, enthalten die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte. Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie, ohne zu prüfen, ob für die X-Ges.m.b.H. ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt ist, gegen den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG eine Geldstrafe wegen einer Übertretung der Gewerbeordnung verhängte.

Daran vermag der Umstand, daß die genannte Gesellschaft über Anfrage der Erstbehörde, wer im konkreten Fall für die "Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, insbesondere § 366 Abs. 1 Z. 4, 2. Tatbestand GewO 1973 im Sinne des § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes - VStG 1950 verantwortlich ist (Name, Geburtsdaten und Wohnanschrift)" mitteilte, "für die Einhaltung der verwaltungsrechtlichen Vorschriften verantwortlich" sei der Beschwerdeführer. Denn bei der Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit handelt es sich um eine Rechtsfrage, die die belangte Behörde unabhängig von einem allfälligen Zugeständnis der Partei oder der Verfahrensbeteiligten selbständig zu lösen hat.

Daß möglicherweise im konkreten Fall in Anwendung der Bestimmung des § 370 Abs. 3 neben dem gewerberechtlichen Geschäftsführer auch der Gewerbetreibende selbst strafbar ist, vermag entgegen dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift an der aufgezeigten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nichts zu ändern, weil im angefochtenen Bescheid die Bestrafung des Beschwerdeführers nicht auf diese Gesetzesstelle gegründet wurde.

Aus den dargelegten Gründen war somit der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

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