VwGH 93/04/0090

VwGH93/04/009020.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Februar 1993, Zl. 315.691/1-III/3/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §359 Abs4;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2 idF 1988/399;
GewO 1973 §75 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AVG §42 Abs1;
GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §359 Abs4;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2 idF 1988/399;
GewO 1973 §75 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Februar 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Juni 1992, betreffend Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage (Tankstelle) als unzulässig zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei lediglich folgende, in der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 1991 abgegebene Stellungnahme zurechenbar: "Ich beantrage, daß anläßlich des Tankstellenumbaues Gaspendelleitungen installiert werden (Gasrückführung) und daß insbesondere, was die Leistungsverhältnisse betrifft (Reklameeinrichtungen), keine Veränderungen eintreten". Diese Stellungnahme sei jedoch nicht geeignet, dem Beschwerdeführer Parteistellung und Berufungsrecht zu verschaffen, da sie in keiner Weise auf im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO umschriebene Interessen Bezug nehme und jedenfalls nicht die Behauptung der konkreten Verletzung eines eigenen subjektiv öffentlichen Nachbarrechtes beinhalte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am

verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm "nach § 356 Abs. 3 GewO 1973 zustehenden Recht, in diesem Verwaltungsverfahren als Partei aufzutreten", im "Recht auf Entscheidung des Bundesministeriums über das Vorbringen" in der Berufung und im "Recht als Nachbar auf Schutz vor Immissionen durch den Tankstellenbetrieb verletzt". Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, es sei allgemein bekannt, daß Kraftstoffe, die ohne Gasrückführung verdunsten, u.a. gesundheits- und umweltschädliche Kohlenwasserstoffe, darunter das krebserregende Benzol enthielten. Diesen Belastungen seien Tankstellenpersonal, Kunden und Anrainer direkt ausgesetzt. Der derzeitige Stand der Technik ermögliche einen Rückführungsgrad von 85 %. In seiner Forderung nach Vorschreibung eines Gasrückführsystems zu den Zapfsäulen liege daher der Einwand, er behaupte als "Anrainer" gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 eine Gefährdung der Gesundheit und gemäß Z. 2 dieses Absatzes auch eine Geruchsbelästigung für den Fall der "Nichtanbringung". Wäre dem nicht so, wäre seine Forderung völlig sinnlos. Es widerspreche Treu und Glauben und damit rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn der unvertretene Staatsbürger mit der Begründung, er habe keine geeigneten Einwendungen erhoben, obwohl jedermann klar sein müsse, worauf sich die erhobene Forderung nach Einrichtung eines Gasrückführsystems gründe, um die Parteistellung und damit um die Möglichkeit der Berufung gebracht werde. Gehe man jedoch davon aus, daß sein Vorbringen keine formgerechte Einwendung sei, so wäre es Aufgabe des Verhandlungsleiters gewesen, den Beschwerdeführer anzuleiten.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 - in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - steht das Recht der Berufung gegen einen Bescheid über die Genehmigung der Errichtung und den Betrieb einer Anlage außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind. Dies gilt auch in einem gemäß § 81 GewO 1973 durchzuführenden Verfahren über die Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/04/0267).

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur jene Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung - oder, wenn sie die Voraussetzungen des zweiten Satzes dieses Absatzes erfüllen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit - Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 liegt dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Die Erlangung einer Parteistellung durch Nachbarn im Sinn des § 356 Abs. 3 GewO 1973 setzt daher das Vorliegen derart qualifizierter Einwendungen voraus; ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt aber schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1993, Zl. 92/04/0144).

Von dieser Rechtslage ausgehend, kann der belangten Behörde freilich nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, daß die - oben wiedergegebene - Stellungnahme des Beschwerdeführers in der Augenscheinsverhandlung am 6. Mai 1991 nicht als Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 zu qualifizieren und demnach nicht geeignet ist, dem Beschwerdeführer Parteistellung und Berufungsrecht zu vermitteln. Denn die bloße Forderung nach Vorschreibung einer Gasrückführung läßt noch nicht notwendigerweise den Schluß zu, der diese Forderung erhebende Nachbar befürchte anderenfalls durch das verfahrensgegenständliche Vorhaben eine Beeinträchtigung seiner im § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973 genannten, geschützten Interessen. Genausogut läßt diese Forderung etwa den Schluß zu, der Beschwerdeführer befürchte anderenfalls - wie er dies in seiner Berufung ausgeführt hat - Beeinträchtigungen der Ozonschicht der Atmosphäre und damit eine schädigende Wirkung für jedes Lebewesen schlechthin. Es kann daher der bloßen Forderung nach einer Gasrückführung - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nicht zwangsläufig auch die Behauptung entnommen werden, deren Nichterfüllung bedeute die Verletzung des Beschwerdeführers in einem bestimmten und zwar in § 74 Abs. 2 Z. 1 bzw. Z. 2 GewO 1973 genannten Recht.

Dem Beschwerdevorbringen, es wäre Aufgabe des Verhandlungsleiters gewesen, den Beschwerdeführer entsprechend anzuleiten, ist zu entgegnen, daß dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - an die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens eine rechtzeitige Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen ergeht, hinsichtlich der Erhebung von Einwendungen keine weitere Manuduktionspflicht der Behörde besteht (vgl. dazu die bei Kobzina-Hrdlicka, Gewerbeordnung 19943 (1994) 543 angeführte hg. Judikatur).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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