VwGH 93/04/0004

VwGH93/04/000426.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. November 1992, Zl. Ge-53.809/1-1992/Re/Str, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §69;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z1;
VStG §52;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §69;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z1;
VStG §52;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. November 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1973 gewerberechtlich verantwortlicher Geschäftsführer der K Ges.m.b.H. zu verantworten, daß IM ZEITRAUM VOM 6. FEBRUAR 1990 BIS 12. DEZEMBER 1990 die Müllschüttung der Schüttphase II auf den einzelnen Teilflächen der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 6. September 1979 genehmigten Mülldeponie von der Höhenkote 406 bis auf maximal 415 m ü.A. durchgeführt und damit die mit dem zitierten Bescheid auf eine Höhe von ca. 406 m ü.A. Schütthöhe genehmigte und durch diese Aufschüttung geänderte Mülldeponie - wobei diese Änderung, welche geeignet sei, Nachbarn durch Geruch, Rauch, Staub oder Erschütterung zu belästigen - ohne die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung betrieben worden sei. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 iVm § 81 und § 370 GewO 1973 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-- (Ersatzarreststrafe 8 Tage) verhängt worden sei. Zur Begründung wurde - nach Wiedergabe maßgebender rechtlicher Bestimmungen - im wesentlichen ausgeführt, unbestritten stehe fest, daß es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um die mit Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 6. September 1979 gewerbebehördlich genehmigte erweiterte Müll- und Rottdeponie handle. Weiters stehe zweifelsfrei fest, daß das genehmigte Projekt dieser Deponie in der Schüttphase II, in welcher diese sich im Tatzeitraum befunden habe, eine Schütthöhe von ca. 406 m ü.A. vorsehe, sowie daß eine tatsächliche Schütthöhe von 415 m festgestellt worden sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stehe für die Berufungsbehörde in Übereinstimmung mit der Behörde erster Instanz offenkundig fest, daß es sich bei der durchgeführten Erhöhung der festgestellten Schütthöhe um bis zu neun Metern jedenfalls nicht um eine geringfügige, nicht genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage handle. Vielmehr sei eine derartige Aufschüttung jedenfalls geeignet, Nachbarn durch Geruch, Lärm, Staub etc. zu belästigen, weshalb hiefür, nämlich für die Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1973 umschriebenen Interessen, eine Änderungsgenehmigung nach § 81 leg. cit. erforderlich sei. Unabhängig davon seien im Verfahrensakt Anzeigen von Bürgerinitiativen vorhanden, welche zusätzlich die Möglichkeit einer Belästigung dokumentierten. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Notstandssituation im Sinne der Bestimmungen des VStG liege nicht vor, da eine tatsächliche schwere unmittelbare Gefahr nicht nachgewiesen werden habe können und eine mögliche wirtschaftliche Schädigung für das Vorliegen einer Notstandssituation nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreiche. Daran ändere auch das Berufungsvorbringen, Verzögerungen der beauftragten Unternehmen seien für die vorliegende Situation verantwortlich, nichts, da diesen Unternehmen nicht das Verschulden für die erfolgte Aufschüttung selbst angelastet werden könne. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, die Aufschüttung sei nur vorübergehend erfolgt, und es sei versucht und schließlich auch erreicht worden, die bescheidmäßig festgesetzte Höhenkote raschestmöglich wiederherzustellen, so sei dies bei der Strafbemessung zu berücksichtigen, könne jedoch die tatbestandsmäßig festgestellte Verwaltungsübertretung des Betreibens der Deponie nach durchgeführten Änderungen ohne gewerbebehördliche Genehmigung, welche ein Ungehorsamkeitsdelikt darstelle, nicht widerlegen. Insbesondere werde der Beschwerdeführer durch Erfüllung des objektiven Tatbestandes ex lege vom Gesetzgeber bis zum Beweis des Gegenteiles mit Schuld belastet. Ein Gegenbeweis sei auch durch die Berufungsschrift nicht erbracht worden, insbesondere sei auch die in der Zwischenzeit erfolgte Abtragung der unzulässigen Aufschüttung erst im Laufe des bereits anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens erfolgt. Eine Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten. DIE DEM GEGENSTÄNDLICHEN

VERWALTUNGSSTRAFVERFAHREN ZUGRUNDELIEGENDE TATZEIT ERSTRECKE

SICH BIS ZUM 6. DEZEMBER 1990, und dem Beschwerdeführer sei diese Tat mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12. Dezember 1990 nachweisbar zur Kenntnis gebracht worden. Diese geeignete Verfolgungshandlung beinhalte darüber hinaus sämtliche die Tat betreffenden Sachverhaltselemente und sei auch von der Berufungsbehörde nicht abgeändert, sondern lediglich und im zulässigen Rahmen präzisiert worden. Eine Verbindung zu einem bestimmten (näher zitierten) im Grunde des § 367 Z. 26 GewO 1973 bereits abgeschlossenen Strafverfahren in bezug auf die Frage der Verjährung liege nicht vor. Wenn im Rahmen dieses bereits rechtskräftig abgeschlossenen bzw. eingestellten Verwaltungsstrafverfahrens nach § 367 Z. 26 GewO 1973 festgestellt werde, daß vom Beschwerdeführer keine Auflagenverletzung begangen worden sei, so entspreche dies den Tatsachen, ändere jedoch nichts am Ergebnis des gegenständlichen Strafverfahrens, da die im zitierten Genehmigungsbescheid vom 6. Dezember 1979 maßgebende Auflage Nr. 37 nicht eine bestimmte Höhenkote festlege, sondern sich auf die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Schüttphase gewünschten und somit projektgemäß vorgesehenen Höhenkoten beziehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften

Was zunächst das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, die Einstellung der Müllabfuhr hätte mehrere Bezirke des Bundeslandes Oberösterreich mit einem Einzugsgebiet von 200.000 Einwohnern betroffen und es hätten sich, zumal in diesen Gebieten keine Ersatzdeponie existiere, namhafte Mehrkosten für eine notwendige Verlagerung in umliegende Gebiete ergeben, sodaß Notstand im Sinne des § 6 VStG gegeben sei, ist festzuhalten, daß in der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im Sinne des § 6 VStG nicht gesehen werden kann. Wirtschaftliche Nachteile können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann Notstand im Sinne des § 6 VStG begründen, wenn sie die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedrohen (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1987, Zl. 86/17/0016). Es kann daher der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen einer Notstandssituation verneinte.

Im übrigen ist zur Frage der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage darauf hinzuweisen, daß es zur Beurteilung derselben nicht darauf ankommt, ob von dieser tatsächlich im Gesetz näher bezeichnete Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Einwirkungen ausgehen. Die Genehmigungspflicht ist vielmehr immer schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen auf bestimmte Personen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973 oder auf bestimmte Tätigkeits- oder Sachbereiche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 3, 4 und 5 GewO 1973 nicht auszuschließen sind. Tatbestandselement nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 ist die mit einer gewerblichen Betriebsanlage verbundene konkrete Eignung, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen (siehe hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 91/04/0248).

Die Beschwerde erweist sich aber auf Grund nachstehender Erwägungen als begründet:

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 23/1993) begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

Im Grunde des § 81 Abs. 1 leg. cit. bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umbschriebenen Interessen erforderlich ist.

Zufolge § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. dürfen behördliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise zu belästigen.

Gemäß § 44 a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, 2. die Identität der Tat (z.B. nach Ort und ZEIT) unverwechselbar feststeht (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1992, Zl. 90/04/0157 und Zl. 90/04/0158).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, ziehen Widersprüche zwischen dem Spruch einer in einer Verwaltungsstrafsache ergangenen Berufungsentscheidung und ihrer Begründung (z.B. über konkrete Tatumstände wie Tatort oder TATZEIT) die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides nach sich (vgl. auch dazu die hg. Erkenntnisse vom 10. Juni 1992, Zl. 90/04/0157 und 90/04/0158 und die dort zitierte hg. Vordjudikatur).

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird als Zeitraum der Tatbegehung der Zeitraum vom 6. Februar 1990 bis 12. Dezember 1990 genannt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird aber ausgeführt, "die dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugrundeliegende Tatzeit erstreckt sich bis zum 6. DEZEMBER 1990".

Spruch und Begründung erhalten daher in der Frage der Tatzeit einen Widerspruch. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Abgesehen davon wird im angefochtenen Bescheid nicht in nachprüfbarer Weise begründet (§ 60 AVG), WESHALB die belangte Behörde davon ausging, daß die in Frage stehende Tat (erst) mit dem 12. bzw. dem 6. Dezember 1990 beendet worden sei. In diesem Zusammenhang fehlen auch entsprechende - auf ein ausreichendes Ermittlungsverfahren gestützte - Feststellungen. Die Erörterung des Einwandes des Beschwerdeführers, es liege Verjährung vor, muß unter diesen Umständen dahingestellt bleiben; die Prüfung der Frage, ob Verjährung eingetreten ist, setzt nämlich eine Klärung voraus, wann die Tathandlung beendet war. Gerade das und eine ausreichende Begründung dafür läßt der angefochtene Bescheid vermissen.

Weiters ist noch auf folgendes hinzuweisen:

Wie in der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausgeführt wird, habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck "die im Spruch dargelegte rechtswidrige Handlung bereits im Straferkenntnis vom 7.6.1990 dem Übertretungstatbestand des § 367 Ziff. 26 GewO 1973 zugrundegelegt". Dieses Straferkenntnis sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. November 1990 behoben worden, weil die Nichteinhaltung dieses genehmigten Projektes nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 zu ahnden sei. Damit steht in Übereinstimmung, wenn es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, es sei im bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer "keine Auflagenverletzung begangen habe".

Wenn man aber davon ausgeht, daß mit dem genannten Bescheid vom 19. November 1990 "das gegenständliche Strafverfahren" (also hinsichtlich des Tatzeitraumes "zumindest ... vom 6.2.1990 bis zuletzt am 5.3.1990") eingestellt wurde, hätte die Behörde ausgehend von ihrer in diesem Zusammenhang erfolgten Erörterung im angefochtenen Bescheid die Rechtslage verkannt, weil die Einstellung eines Verfahrens zur Folge hat, daß eine Bestrafung wegen derselben Tathandlung unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift den Grundsatz "ne bis in idem" verletzt, und deshalb inhaltlich rechtswidrig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1986, Zl. 86/02/0136).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nichterforderlichen Stempelgebührenmehraufwand.

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