VwGH 93/03/0156

VwGH93/03/015631.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Bernard, Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Kremla, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Jänner 1993, Zl. KUVS-1005/2/92, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §32 Abs1;
AVG §33 Abs3;
KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §2 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §51 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;
AVG §32 Abs1;
AVG §33 Abs3;
KFG 1967 §103 Abs2;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §2 Abs2;
VStG §27 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §51 Abs1;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 27. August 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach ("SP-...") bestimmten Kraftfahrzeuges bis zum 14. Februar 1992 unterlassen, der Behörde auf Grund der schriftlichen Aufforderung vom 28. Jänner 1992 der Bundespolizeidirektion Wien, zugestellt am 31. Jänner 1992, binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 20. Dezember 1991 gegen 17.00 Uhr in Wien 19, an einer näher bezeichneten Örtlichkeit gelenkt habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 1993 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wendet der Beschwerdeführer insbesondere auch die Unzuständigkeit der belangten Behörde ein und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Der Erlassung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde war folgender Sachverhalt vorangegangen:

Über Anfrage der Bundespolizeidirektion Wien an die Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau als Zulassungsbehörde des eingangs genannten Kraftfahrzeuges teilte diese mit, daß der Beschwerdeführer, dessen Adresse sie mit X-Straße Nr. 14 in 9546 Bad Kleinkirchheim angab, der Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges sei. Die Bundespolizeidirektion Wien adressierte daraufhin an den Beschwerdeführer an die genannte Adresse in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges eine mit 28. Jänner 1992 datierte Aufforderung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967, der Behörde mittels des "unteren Teils dieses Formulares" binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft darüber zu erteilen, wer das Kraftfahrzeug zur Tatzeit

20. Dezember 1991, 18.00 Uhr in Wien 19 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit gelenkt habe. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer am 31. Jänner 1992 in Bad Kleinkirchheim zugestellt. Der Beschwerdeführer beantwortete, datiert mit 13. Februar 1992, dieses Auskunftsverlangen und teilte mit, daß das Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt von "Tom + Anna R", wohnhaft an einer näher genannten Adresse in New York, gelenkt worden sei. Auf der Rückseite des an die Behörde zurückgesandten Formularabschnittes führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, daß er sein Fahrzeug vom 19. bis 21. Dezember 1991 dem angeführten befreundeten amerikanischen Ehepaar geliehen habe, das damit nach Italien gefahren sei, sodaß es unmöglich sei, daß es sich zum Tatzeitpunkt in Wien aufgehalten habe.

Nach Durchführung weiterer Erhebungen trat die Bundespolizeidirektion Wien das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer betreffend Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 gemäß "§ 27 Abs. 1 VStG" an die Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau ab. Diese erließ eine mit 22. April 1992 datierte Strafverfügung betreffend Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 durch den Beschwerdeführer, womit eine Geldstrafe von S 3.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer unter seiner weiteren Anschrift Y-Gasse 35, 1190 Wien, zugestellt. Diese Anschrift gab der Beschwerdeführer auch in seinem Einspruch vom 11. Mai 1992 an, welcher am 13. Mai 1992 bei der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau einlangte. Diese Behörde trat daraufhin den "gegenständlichen Aktenvorgang unter Hinweis auf den Wohnsitz des Beschuldigten" gemäß § 29a VStG an die Bundespolizeidirektion Wien ab. Diese erließ ein mit 27. August 1992 datiertes Straferkenntnis an den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967, worin sie über ihn wegen dieses Deliktes eine Geldstrafe von S 2.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängte. Über seine Berufung vom 2. September 1992, bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangt am 3. September 1992, wurde der Verwaltungsstrafakt zunächst dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vorgelegt, wo er am 16. September 1992 einlangte. Mit Schreiben vom 18. September 1992 trat dieser "zuständigkeitshalber" das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer an die belangte Behörde ab. Darin führte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aus:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Tatort einer Verwaltungsübertretung gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 der Ort, an dem der Zulassungsbesitzer die Auskunft verweigert (oder unrichtig erteilt) hat (VwGH vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055 u. a.).

Im gegenständlichen Fall ist dieser Ort X-Straße Nr. 14, 9546 Bad Kleinkirchheim, weshalb die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Kärnten gegeben ist."

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 in der Fassung der 10. Novelle kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Bei der Nichterfüllung der Auskunftspflicht im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt; Tatort ist hiebei der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat in seinem Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055, unter Hinweis auf die vorangegangene Rechtsprechung den Standpunkt, daß Tatort für die Übertretung nach § 103 Abs. 2 Satz 2 KFG 1967 der Ort sei, an dem der Zulassungsbesitzer die Auskunft verweigert (oder unrichtig erteilt) habe. Gemäß § 2 Abs. 1 VStG seien, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen seien Übertretungen im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt habe oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörige Erfolg im Inland eingetreten sei. Daher habe, so führte der Verwaltungsgerichtshof aus, der Beschwerdeführer, ein in Deutschland eingetragener Fahrzeughalter, dem die Lenkeranfrage der österreichischen Behörde an seinem Wohnsitz in Deutschland zugestellt worden sei und der die Auskunft nicht erteilt habe, als Täter nicht im Inland, sondern im Ausland gehandelt.

In seinem Erkenntnis vom 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102, sprach der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von der Bestimmung des § 2 Abs. 2 VStG aus, daß den (österreichischen) Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des dort in Rede stehenden Kraftfahrzeuges in Österreich die Verpflichtung zu einer Handlung im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 getroffen habe, und bestätigte den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. Februar 1995, womit dieser den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 für schuldig erkannt hatte, weil er als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges trotz behördlicher Aufforderung der Bundespolizeidirektion Wien keine Auskunft erteilt habe.

Beiden zitierten Erkenntnissen liegt die Vorstellung zugrunde, daß Tatort NICHT der Ort ist, an dem die anfragende Behörde ihren Sitz hat.

Demgegenüber vertrat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. September 1995, Zl. 95/17/0211, ergangen zur vergleichbaren Bestimmung des § 1a des Wiener Parkometergesetzes 1974 in der Fassung LGBl. Nr. 24/1987, die Auffassung, Erfüllungsort der Auskunftspflicht gemäß dieser Gesetzesstelle sei der Sitz der anfragenden Behörde, dort sei die geschuldete Handlung, also die Erteilung der Auskunft vorzunehmen. Das gelte auch für eine im Postweg übermittelte schriftliche Auskunft. Der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen, sei jener, an dem seine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu erfüllen gewesen wäre, in dem dort angesprochenen Fall nach § 1a des Wiener Parkometergesetzes 1974 somit der Sitz des Magistrates der Stadt Wien in Wien.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß - wie im zitierten Erkenntnis des Senates 17 zur Bestimmung des § 1a des Wiener Parkometergesetzes 1974 zum Ausdruck gebracht wurde - (auch) § 103 Abs. 2 KFG 1967 keine bestimmte Form für die Erfüllung der Auskunftspflicht vorsieht. Dem Zulassungsbesitzer stehen damit verschiedene Handlungsalternativen zur Verfügung:

Er kann die Auskunft mündlich, schriftlich durch Abgabe in der zuständigen Kanzleistelle, durch Einwurf in einen vorhandenen Einlaufkasten, per Post oder auch fernmündlich erteilen, wobei er sich allenfalls auch eines Bevollmächtigten oder eines Boten bedienen kann. Allen diesen Handlungsalternativen ist gemeinsam, daß die Auskunftspflicht nur dann erfüllt ist, wenn die geschuldete Auskunft auch tatsächlich bei der Behörde einlangt. Erfüllungsort dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung ist daher der Ort, an dem die geschuldete Handlung vorzunehmen ist, somit der Sitz der anfragenden Behörde, der auch der Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft ist.

Da es sich bei der Frist des § 103 Abs. 2 KFG 1967 (auch) um eine verfahrensrechtliche Frist handelt, sind gemäß § 33 Abs. 3 AVG die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen. Es kommt somit hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Auskunftserteilung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 im Postweg auf das Datum der Postaufgabe an. Dies ändert freilich nichts daran, daß die Beförderung durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolgt (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1978, Zl. 1855/75).

Im vorliegenden Fall war somit Erfüllungsort der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Beschwerdeführers der Sitz der anfragenden Behörde, also Wien als Sitz der Bundespolizeidirektion Wien. Tatort war daher entgegen der erkennbar vertretenen Auffassung der belangten Behörde nicht Bad Kleinkirchheim - im Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau -, sondern Wien.

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG - in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 - steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde. Im Spruch des Straferkenntnisses I. Instanz war die Bundespolizeidirektion Wien als anfragende (auffordernde) Behörde genannt. Daraus folgt für die Erlassung der Berufungsentscheidung jedoch entgegen der Auffassung der belangten Behörde nach § 51 Abs. 1 VStG die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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