VwGH 93/02/0004

VwGH93/02/000424.2.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über den Antrag des W in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Oktober 1992, Zl. VerkR-15.387/1-1992/Kof, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, den Beschluß gefaßt

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird stattgegeben.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte unter gleichzeitiger Nachholung der Beschwerde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und brachte vor, der Berufungsbescheid der belangten Behörde sei seinem anwaltlichen Vertreter am 16. November 1992 zugestellt worden. Am 28. Dezember 1992, dem letzten Tag der vom Beschwerdevertreter vorgemerkten Beschwerdefrist, sei diesem gegen 16.00 Uhr die Postmappe mit der an diesem Tag fertiggestellten Beschwerdeschrift vorgelegt worden, welche der Beschwerdevertreter unterfertigt und einer Kanzleiangestellten mit dem Auftrag übergeben habe, den gesamten Inhalt der Postmappe absendebereit zu machen und wie jeden Tag zu Dienstschluß um 17.00 Uhr zum Postamt zu bringen. Am 29. Dezember 1992 habe der Beschwerdevertreter anläßlich der Vorlage der Postmappe beim Unterschreiben der Post feststellen müssen, daß sich die Beschwerdeschrift des Vortages noch in der Postmappe befunden habe; sie sei von der Kanzleikraft am Vortag übersehen worden. Die betreffende Kanzleiangestellte sei seit 2 1/2 Jahren in der Kanzlei des Beschwerdeführers tätig. Es handle sich um eine äußerst zuverlässige und gewissenhafte Sekretärin, die seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses auch mit der Abfertigung und Absendung der Post betraut sei. Es sei bisher noch nie vorgekommen, daß ein unterfertigtes Schriftstück in der Postmappe verblieben sei. Regelmäßige Stichproben hätten ergeben, daß die Postabfertigung und -absendung reibungslos funktioniere. Im gegenständlichen Fall habe die Kanzleiangestellte offensichtlich eine Seite der Postmappe überblättert, weshalb die Beschwerdeschrift in der Mappe verblieben sei.

Die Kanzleiangestellte bestätigte die Richtigkeit dieser Angaben mit ihrer Unterschrift.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann ein Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich nach der Übergabe der Poststücke an die Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung zu überzeugen (vgl. die Judikaturhinweise in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seiten 656 ff, insbesondere 658).

Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt hat der Beschwerdevertreter im vorliegenden Fall die Beschwerdefrist selbst richtig vorgemerkt und für die rechtzeitige Fertigstellung der Beschwerdeschrift gesorgt. Er hat diese nach Unterfertigung einer zuverlässigen Kanzleikraft zur Postaufgabe am letzten Tag der Beschwerdefrist überlassen. Daß er nicht auch noch die näheren Umstände der Postabfertigung überwachte, sodaß ihm das Zurückbleiben der Beschwerdeschrift in der Postmappe zunächst entging, begründete jedenfalls kein - dem Beschwerdeführer zurechenbares - Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausginge.

Dem Antrag war somit stattzugeben.

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