VwGH 93/01/1504

VwGH93/01/150417.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend einen Antrag auf 1 2 32ung von Asyl und eine Berufung im Wiederaufnahmeverfahren im Zusammenhang mit einem abgeschlossenen Asylverfahren,

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §12 Abs3;
AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AsylG 1991 §19 Abs3;
AsylG 1991 §3;
AsylG 1997 1991;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwRallg;
ZustG §7;
ZustG §8 Abs2;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §12 Abs3;
AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AsylG 1991 §19 Abs3;
AsylG 1991 §3;
AsylG 1997 1991;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwRallg;
ZustG §7;
ZustG §8 Abs2;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie die Verletzung der Entscheidungspflicht in bezug auf die Berufung vom 23. Juli 1990 geltend macht, zurückgewiesen;

2. gemäß § 42 Abs. 4 VwGG zu Recht erkannt:

Der Antrag des Beschwerdeführers vom März 1990 auf "Neuaufnahme des Antrages auf Gewährung politischen Asyls" wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. November 1984 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, der am 27. August 1984 in das Bundesgebiet eingereist war und am selben Tag den Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gestellt hatte, ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, nicht erfülle. Der Beschwerdeführer hielt sich in der Folge in Kanada auf. Er kehrte nach seinen Angaben in der Beschwerde zum Jahreswechsel 1986/87, nach Österreich zurück. In dem mit Schreibmaschine verfaßten Schreiben vom 8. März 1990 an den Bundesminister für Inneres, das sich mit dem vom Beschwerdeführer in der Beschwerde angeführten und vorgelegten Schreiben vom 7. März 1990 nahezu deckt, das allerdings handgeschrieben ist und offensichtlich die Funktion einer Abschrift des bei der Behörde gestellten Antrages in Maschinschrift erfüllen sollte, führte der Beschwerdeführer zunächst aus, daß er im Jahre 1984 von Rumänien in einem Lastkraftwagen versteckt über Ungarn nach Österreich geflohen sei. Er habe unverzüglich einen Asylantrag gestellt. Über diesen Antrag sei negativ entschieden worden. Er könne nicht verstehen, wie die "Überprüfung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stattgefunden" habe. Er sei im März 1985 nach Kanada ausgewandert und habe daher die Möglichkeit, gegen den abweisenden Bescheid zu berufen, nicht in Anspruch genommen. Er sei im Dezember 1986 aus Kanada zurückgekommen. Seitdem wohne er in Wien und könne "wegen seiner Nichtanerkennung als politischer Flüchtling nichts unternehmen". Der folgende Absatz lautet wie folgt:

"Ich ersuche Sie, sehr geehrte Damen und Herren, mir bald Bescheid zu geben, über eine Neuaufnahme (Wiederaufnahme) meines Antrages auf Gewährung politischen Asyls, aus folgenden Gründen: ..."

In der Folge führte der Beschwerdeführer aus, daß die Überprüfung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich "nicht richtig" stattgefunden habe. Ihm sei nicht Gelegenheit gegeben worden, seine politischen Gründe darzulegen. Er habe eine Frage falsch verstanden und daher verneint. Die Einvernahme habe nur eine halbe Stunde gedauert. Er habe immer auf das "reale Interview" gewartet. Er habe die österreichisch-ungarische Grenze unter lebensgefährlichen Umständen überquert. Dies genüge nach der Genfer Flüchtlingskonvention für die Anerkennung. Er habe in Rumänien nach einer Polenreise im September 1981 sehr viele Probleme mit den Angehörigen der Securitate bekommen. Er sei belästigt, bedroht und gewarnt worden, nicht über die Verhältnisse in Polen zu sprechen. In der Folge habe er einen postuniversitären Computerkurs nicht besuchen können. Er habe jahrelang nicht ins Ausland reisen können. Seinen ersten rumänischen Reisepaß habe er in Kanada, zwei Jahre nach der Auswanderung, erhalten.

Abschließend heißt es nochmals:

"In Anbetracht der geschilderten Umstände bitte ich Sie höflichst, sehr geehrte Damen und Herren, über eine Neu(Wieder)aufnahme meines Antrages auf Gewährung politischen Asyls zu entscheiden und verbleibe in Hoffnung auf baldiger Antwort."

In dem Schriftsatz ist als Betreff "Neuaufnahme pol. Asyls" angegeben. Dieser Schriftsatz des Beschwerdeführers wurde mit einem weiteren Schriftsatz vom 28. März 1990 an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (dort eingelangt am 4. Mai 1990) weitergeleitet.

In einer niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 27. Juni 1990 wurde er davon in Kenntnis gesetzt, daß das von ihm bereits angestrengte Asylverfahren mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. November 1984 negativ abgeschlossen worden sei. Dieser Bescheid sei am 14. Dezember 1984 rechtskräftig geworden. Der Beschwerdeführer bestätigte weiters, daß er ein rumänisches Reisedokument zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland am 26. August 1986 von der Botschaft der Sozialistischen Republik Rumänien in Ottawa/Kanada erhalten habe. Den Reisepaß habe er anläßlich seines Aufenthaltes in Kanada beantragt. Der Reisepaß sei inzwischen zweimal vom 26. August 1987 bis 26. August 1988 und vom 26. Februar 1990 bis 26. August 1991 verlängert worden. Als Rumäne mit Auslandswohnsitz in Österreich sei er an der rumänischen Botschaft registriert. Bei der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer weiters zur Kenntnis gebracht, daß unter den gegebenen Verhältnissen für ihn in Rumänien keine Verfolgung im Sinne der Konvention bestehe. Die in seinem Anbringen angeführten Gründe würden nicht als Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG gewertet, sein Antrag auf Wiederaufnahme werde daher zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer beantragte eine "bescheidmäßige Erledigung der Nichtstattgebung des Wiederaufnahmeantrages". Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Wien vom 5. Juli 1990 wurde der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 2 AVG abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers vom 23. Juli 1990 wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Februar 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 69 Abs. 4 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde behoben. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. April 1991 wurde in der Folge der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen, da die in § 69 Abs. 2 AVG vorgesehene absolute Frist von drei Jahren nach Zustellung des Bescheides, mit dem das bisherige Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden war, bereits abgelaufen war. Mit Schreiben vom 6. März und vom 18. April 1991 an den Bundesminister für Inneres machte der Beschwerdeführer geltend, daß er am 7. März 1990 neben einer Wiederaufnahme auch eine "Neuaufnahme auf Gewährung pol. Asyls" bzw. einen "neuen Antrag auf Asylgewährung" gestellt habe. Seitdem laufe bei der Sicherheitsdirektion für Wien "die Neuaufnahme". Diese Schreiben wurden an die Bundespolizeidirektion Wien weitergeleitet (eingelangt am 15. März bzw. 22. Mai 1992). Mit Schreiben vom 23. Juni 1992 beantragte der Beschwerdeführer, falls sein Asylverfahren noch nicht abgeschlossen worden sei, die Ausstellung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz (1968).

Mit Beschluß vom 21. Dezember 1992, VH 92/01/0285-2, wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde wegen Aussichtslosigkeit keine Folge gegeben, da das vom Beschwerdeführer angeführte Schreiben vom 9. August 1992 an den Bundesminister für Inneres kein Verlangen auf (Übergang der Zuständigkeit zur) Entscheidung enthielt. Mit Schreiben vom 26. Jänner 1993 legte der Beschwerdeführer das Schreiben vom 9. August 1992 neuerlich dem Bundesminister für Inneres mit der Korrektur vor, daß der letzte Satz nunmehr lautet:

"Ich ersuche Sie sehr dringlich um Ihre persönliche Entscheidung (ursprünglich "Unterstützung") in dieser Angelegenheit." (das in der Klammer Ausgeführte findet sich nicht im Original)

In dem Begleitschreiben dazu heißt es, daß er am selben Tag erfahren habe, daß die Eingabe vom 9. August 1992 nicht als Devolutionsantrag anzuerkennen sei. Er habe daher das falsche Wort dieses Schreibens mit einem roten Filzstift ausgebessert und ersuche den Bundesminister, die Korrektur zur Kenntnis zu nehmen. Abschließend heißt es in diesem Begleitschreiben:

"Ich hoffe, daß damit Ihrer Entscheidung in meinem seit drei Jahren laufenden Asylverfahren nichts mehr im Wege steht."

In der vom Beschwerdeführer erhobenen Säumnisbeschwerde wird beantragt, daß der Verwaltungsgerichtshof über den vom Beschwerdeführer am 7. März 1990 gestellten Antrag auf Asylgewährung und über seine am 23. Juli 1990 eingebrachte Berufung in der Sache selbst erkennen möge, daß ihm politisches Asyl in Österreich einzuräumen sei.

In der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eingeräumten Frist erstattete die belangte Behörde eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde im übrigen erwogen:

Soweit sich die vorliegende Säumnisbeschwerde auf die am 23. Juli 1990 eingebrachte Berufung bezieht, ist die Beschwerde nicht zulässig und daher zurückzuweisen, weil die belangte Behörde - wie dies der Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst ausführt - über diese Berufung mit Bescheid vom 19. Februar 1991 entschieden hat. Es wurde der Berufung Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. Juli 1990 wegen Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz aufgehoben. Über die Berufung des Beschwerdeführers vom 23. Juli 1990 lag somit im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde bereits eine Entscheidung der belangten Behörde vor. Sie ist somit ihrer Entscheidungspflicht in diesem Zusammenhang nachgekommen. Die Säumnisbeschwerde war diesbezüglich mangels Vorliegens der Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

3. Soweit sich die Säumnisbeschwerde auf den am 7. März 1990 gestellten Antrag auf Asylgewährung bezieht, ist folgendes festzustellen:

Zunächst ist anzumerken, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer vom Antrag vom 7. März 1990 spricht, den er auch vorgelegt hat und der handschriftlich abgefaßt ist, und im vorgelegten Verwaltungsakt ein nahezu gleichlautender Antrag in Maschinschrift, datiert mit 8. März 1990, einliegt, im Hinblick auf den nahezu identen Inhalt der beiden Schreiben, dem Umstand, daß der Beschwerdeführer offensichtlich nur eine Art Abschrift des im März 1990 gestellten Antrages mit dem Datum 7. März 1990 angefertigt hat und ihm in bezug auf das Datum offensichtlich ein Schreibfehler unterlaufen ist, und im Hinblick auf den weiteren Umstand, daß im Verwaltungsakt in späteren Schriftsätzen sowohl vom Antrag auf Neuaufnahme des Antrages auf Gewährung von politischem Asyl vom 7. März 1990 als auch vom 8. März 1990 die Rede ist, nicht zur Unzulässigkeit der Säumnisbeschwerde führen kann. Aus der Beschwerde ergibt sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über seinen im MÄRZ 1990 gestellten Antrag auf "Neuaufnahme seines Antrages auf Gewährung politschen Asyls" beantragt.

Dieser Antrag vom März 1990, dessen Bedeutung im Hinblick auf die Verwendung des Ausdruckes "Neuaufnahme" neben dem Ausdruck "Wiederaufnahme" des Antrages auf Gewährung politischen Asyls von der Behörde aufzuklären gewesen wäre, ist im Hinblick auf spätere Äußerungen des Beschwerdeführers dazu (siehe die erwähnten Schreiben des Beschwerdeführers vom 6. März bzw. 18. April 1991), daß er auch einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes dahin zu deuten, daß der Beschwerdeführer auch die neuerliche Entscheidung über den bereits im Jahr 1984 gestellten Antrag auf Gewährung von Asyl beantragte.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Es ist in diesem Zusammenhang die Frage zu klären, ob das Schreiben des Beschwerdeführers vom 26. Jänner 1993 an den Bundesminister für Inneres, mit dem der "Antrag" vom 9. August 1992 mit der Korrektur, daß der Beschwerdeführer um die persönliche "ENTSCHEIDUNG" des Bundesministers für Inneres in der Angelegenheit des Beschwerdeführers (das seit März 1990 anhängige erstinstanzliche Asylverfahren) ersuche, übermittelt wurde, als Devolutionsantrag im Sinne des § 73 AVG qualifiziert werden kann. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dem mit Schreiben vom 26. Jänner 1993 wieder vorgelegten Schreiben des Beschwerdeführers vom 9. August 1992 komme keine normative Bedeutung zu. In dem Schreiben vom 26. Jänner 1993 erläutert der Beschwerdeführer zunächst die Wiedervorlage des Schreibens vom 9. August 1992 und stellt abschließend fest, daß er hoffe, damit stehe der ENTSCHEIDUNG des Bundesministers für Inneres in seinem "seit drei Jahren laufenden Asylverfahren nichts mehr im Wege". In dem mit dem Schreiben vom 26. Jänner 1993 wieder vorgelegten Schreiben vom August 1992 führte der Beschwerdeführer aus, daß er sich SEIT MÄRZ 1990 im erstinstanzlichen Asylverfahren befinde und sein Asylantrag bisher (also seit zweieinhalb Jahren) weder endgültig abgelehnt noch positiv abgeschlossen worden sei. Aufgrund dieser Passagen in den angeführten Schreiben, in denen jeweils DIE ENTSCHEIDUNG des Bundesministers in bezug auf den seit März 1990 offenen Asylantrag begehrt wird, muß das Vorliegen eines Devolutionsantrages an den Bundesminister für Inneres bejaht werden. Es ist auch nicht als unzulässig anzusehen, daß der Devolutionsantrag vom 26. Jänner 1993 in Form einer korrigierten Wiedervorlage eines bereits davor als Devolutionsantrag beabsichtigten Schreibens vorgenommen wurde. Abgesehen davon wird auch in dem Schreiben vom 26. Jänner 1993 um die Entscheidung des Bundesministers für Inneres ersucht.

Es stellt sich die weitere Frage, ob über den Asylantrag des Beschwerdeführers vom März 1990 - wie die belangte Behörde ausführt - bereits rechtskräftig entschieden wurde. Nach Auffassung der belangten Behörde wurde über diesen Asylantrag mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Oktober 1992 entschieden. Die Zustellung sei durch Hinterlegung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz am 2. November 1992 erfolgt. Auch dieser Auffassung der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden, da nicht von einer wirksamen Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ausgegangen werden kann. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich dazu, daß dieser Bescheid am 21. Oktober 1992 an der Adresse "G-Gasse 2-4, Wien", dem Beschwerdeführer nicht zugestellt bzw. hinterlegt werden konnte, weil der Empfänger laut Auskunft verzogen sei. Es erfolgte daraufhin eine RSb-Zustellung an dieselbe Adresse, offensichtlich im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ohne vorausgehenden Zustellversuch.

Gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch, sofern die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, vorzunehmen, wenn eine Partei während eines Verfahrens die bisherige Abgabestelle ändert (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) und dies der Behörde nicht unverzüglich mitteilt, sofern die Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Voraussetzung für eine zulässige Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ist also u.a., daß die Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt sich nun kein Hinweis darauf, aufgrund welcher Umstände die belangte Behörde auf das Vorliegen dieser Voraussetzung schließen konnte. Eine Meldeanfrage an die Bundespolizeidirektion Wien findet sich nicht im Akt. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer am 12. November 1992 beim Bundesasylamt erschien, um sich nach seinem Bescheid zu erkundigen, und ihm dabei mitgeteilt wurde, der Bescheid sei mittels RSb-Zustellung am Postamt 1030 Wien seit 2. November 1992 hinterlegt worden, kann die anhand des Verwaltungsaktes festzustellende Mangelhaftigkeit der Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz nicht sanieren. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, daß der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Oktober 1992 dem Beschwerdeführer wirksam zugestellt worden ist.

Die Säumnisbeschwerde in bezug auf den Antrag vom März 1990 auf "Neuaufnahme des Antrages auf Gewährung politischen Asyls" erweist sich somit als zulässig. Wie bereits dargelegt, ist dieser Antrag dahin zu verstehen, daß der Beschwerdeführer um eine neuerliche Entscheidung über den bereits gestellten Asylantrag (im Jahr 1984) ersuchte. Die Begründung dieses Antrages, in dem auch die Wiederaufnahme beantragt worden war, wurde bereits eingangs wiedergegeben.

Da das Asylverfahren des Beschwerdeführers am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängig war, ist gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das bis zum Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 geltende Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, anzuwenden (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831). Das Asylgesetz (1968) kannte keine ausdrückliche Regelung für den Fall, daß bereits ein Asylantrag gestellt und rechtskräftig abgewiesen wurde. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Zurückweisung eines Anbringens gemäß § 68 Abs. 1 AVG kommt nur in Betracht, wenn über dieselbe Sache bereits rechtskräftig entschieden wurde. Im Falle einer seit der rechtskräftigen Entscheidung über die Sache eingetretenen Änderung der Sach- und Rechtslage kann nicht mehr von derselben Sache, die gegenüber derselben Person bereits rechtskräfig entschieden wurde, gesprochen werden.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer - auch von ihm unbestritten - am 27. August 1984 einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. November 1984 wurde aufgrund dieses Asylantrages des Beschwerdeführers gemäß §§ 1, 2 und § 12 Abs.2 Asylgesetz (1968) festgestellt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, nicht vorlägen. Dieser Bescheid wurde - vom Beschwerdeführer unbestritten - rechtskräftig. Der Beschwerdeführer führt in seinem Antrag vom März 1990 auch keine Änderung des Sachverhaltes ins Treffen, die nach der bereits erfolgten rechtskräftigen Abweisung eingetreten wäre.

Der mit Schreiben vom März 1990 gestellte und vom Bundesminister für Inneres an die zuständige Behörde weitergeleitete Antrag des Beschwerdeführers, soweit er auf "die Neuaufnahme des Antrages auf Gewährung politischen Asyls" gerichtet war, war daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 50 VwGG) in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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