VwGH 93/01/0547

VwGH93/01/05479.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über den Antrag des D in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zu 93/01/0145 eingebrachten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1993 wurde zur Zahl 93/01/0145 angeordnet, daß die beiliegende, vom Beschwerdeführer selbst verfaßte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG dem im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt zur Behebung u.a. folgender Mängel zurückzustellen sei:

"Es ist der Sachverhalt in einer zeitlich geordneten Darstellung des Verwaltungsgeschehens wiederzugeben (§ 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG). Es ist ein bestimmtes Begehren (§ 28 Abs. 1 Z. 6 iVm § 42 Abs. 2 VwGG) zu stellen.

Es ist das Recht, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG), bestimmt zu bezeichnen bzw. die Erklärung über den Umfang der Anfechtung abzugeben (§ 28 Abs. 2 VwGG) und es sind die Gründe, auf die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, anzuführen (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG).

Es ist die Beschwerde mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen (§ 24 Abs. 2 VwGG).

Zur Behebung dieser Mängel wird eine Frist von vier Wochen vom Tage der Zustellung dieses Auftrages an gerechnet, bestimmt.

Ein ergänzender Schriftsatz ist in zweifacher Ausfertigung vorzulegen.

Die zurückgestellte Beschwerde ist auch dann wieder vorzulegen, wenn zu Ergänzungen ein neuer Schriftsatz eingebracht wird.

Die Versäumung der Frist gilt als Zurückziehung der Beschwerde."

Diese Verfügung wurde dem Rechtsanwalt Dr. G am 21. Mai 1993 zugestellt.

Die vierwöchige Frist lief am Freitag, dem 18. Juni 1993 ab. Am 21. Juni 1993 und damit verspätet wurde der in Entsprechung des Mängelbehebungsauftrages vom 8. April 1993 verfaßte Schriftsatz zur Post gegeben.

Mit dem vorliegenden fristgerecht eingelangten Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Mängelbehebung mit folgender - für die Erledigung des Antrages wesentlicher - Begründung:

Der zum Verfahrenshelfer bestellte Beschwerdeführer-Vertreter habe seinerseits Rechtsanwalt Dr. H zur Erstattung eines ergänzenden Schriftsatzes zur Beschwerde und auch zur weiteren Vertretung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bevollmächtigt. Die in der Kanzlei Dr. H angestellte Sekretärin C sei unter Hinweis auf das Zustellungsdatum 21. Mai 1993 beauftragt gewesen, das Ende der vierwöchigen Frist zur Erstattung des Schriftsatzes im Fristenbuch der Kanzlei zu vermerken. Obwohl Frau C das Wesen der Fristenberechnung als langjährige Sekretärin bekannt gewesen sei, habe sie irrtümlich als letzten Tag der Frist nicht den 18., sondern den 21. Juni 1993 vermerkt, sodaß der Schriftsatz erst verspätet zur Post gegeben worden sei. Rechtsanwalt Dr. H nehme seine ihm obliegende Überwachungspflicht dahingehend vor, daß er grundsätzlich sämtliche von Kanzleiangestellten vorgenommenen Termineintragungen und Fristenvormerke persönlich überprüfe. Lediglich Termineintragungen von Kanzleiangestellten, die langjährig in der Kanzlei beschäftigt und fehlerfrei gearbeitet hätten, überprüfe er nur stichprobenartig, sodaß es habe passieren können, daß aufgrund der unüberprüft gebliebenen unrichtigen Fristeintragung der ergänzende Schriftsatz verspätet erstattet worden sei. Da das Verstreichen der Frist zur Erstattung des ergänzenden Schriftsatzes einzig und allein auf einem Fehler einer, bis zu diesem Zeitpunkt tadellos arbeitenden und äußerst gewissenhaften Sekretärin rückführbar sei und daher für den Beschwerdeführer auch in keiner Weise vorhersehbar gewesen sei, stelle dieser Umstand ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, welches ihn daran gehindert habe, vom Ablauf der Frist zur Erstattung des Schriftsatzes Kenntnis zu erlangen und den Schriftsatz fristgerecht zu erheben.

Das Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers wurde durch die eidesstattliche Erklärung der C glaubhaft gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. hg. Beschlüsse vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/0238 mit weiteren Judikaturhinweisen sowie vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0163) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht (mit dem im zuletzt zitierten Beschluß näher umschriebenen Inhalt) jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.

Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bzw. dessen Substituten keine Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten, die über einen minderen Grad des Versehens hinausginge. Überläßt der Rechtsanwalt nämlich die Eintragung in das Terminbuch in Fristensachen einer bis dahin fehlerfrei arbeitenden zuverlässigen und verläßlichen Kanzleikraft und unterläuft dieser hierbei ein Versehen, so kann dem Rechtsanwalt eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht nicht zur Last gelegt werden (vgl. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0174). Anders als in diesem Fall erscheinen die vom Vertreter des Beschwerdeführers vorgebrachten Überwachungsmaßnahmen als hinreichend. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher auch der gegenständliche Vorfall als ein für den Antragsteller unvorhergesehenes und von ihm nicht verschuldetes Ereignis anzusehen, das ihn an der rechtzeitigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages gehindert hat. Dem Wiedereinsetzungsantrag war somit gemäß § 46 VwGG stattzugeben.

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