VwGH 92/18/0393

VwGH92/18/039317.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 9. Juli 1992, Zl. VwSen-220094/6/Kon/Rd, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV (mitbeteiligte Partei: K in L), zu Recht erkannt:

Normen

ArbIG 1974 §8;
ASchG 1972 §31;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
ArbIG 1974 §8;
ASchG 1972 §31;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Oktober 1991 war die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) schuldig erkannt worden, sie habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Fertigteilwerke X & Co KG zu verantworten, daß am 29. Jänner 1991 (Punkt 1) in bestimmter (näher umschriebener) Weise gegen § 62 Abs. 10 AAV iVm § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) verstoßen worden sei, und daß an diesem Tag (Punkt 2) die Vertreter des Arbeitsinspektorates in der Ausübung ihres Dienstes behindert bzw. die Erfüllung ihrer Aufgaben vereitelt worden sei (§ 18 Abs. 1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974). Über die mP waren deshalb jeweils Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt worden.

2. Aufgrund der von der mP gegen Punkt 1 des Straferkenntnisses erhobenen Berufung - die ursprünglich auch gegen dessen Punkt 2 erhobene Berufung wurde mit Schriftsatz vom 28. April 1992 zurückgezogen - erließ der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) unter dem Datum 9. Juli 1992 einen Bescheid, dessen

Spruch wie folgt lautet:

"I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972 idF BGBl. Nr. 544/1982; § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 24 VStG, § 9 Abs. 1 VStG, § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG, § 51 Abs. 1 VStG und § 51e Abs. 1 VStG.

II. Es entfällt die Vorschreibung sämtlicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 1 VStG."

Begründend führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf

§ 9 Abs. 1, 2 und 4 VStG im wesentlichen aus, daß die mP eine Urkunde vom 6. Februar 1989 vorgelegt habe, aus der sich ergebe, daß jene für den Bereich des gesamten Arbeitnehmerschutzes innerhalb des Fabriksgeländes den Werkmeister A zum verantwortlichen Beauftragten bestellt und dieser seiner Bestellung zugestimmt habe. Die Urkunde trage die Unterschriften des Bestellers und des Bestellten. Im Hinblick auf die Datierung der Urkunde mit 6. Februar 1989 sei davon auszugehen, daß die Zustimmung des zum verantwortlichen Beauftragten Bestellten aus der Zeit vor der Begehung der Tat (29. Jänner 1991) stamme. Die belangte Behörde habe keinen Anlaß gefunden, an der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zu zweifeln, zumal eine Rückfrage bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse ergeben habe, daß A "seit 1.9.1986 bis laufend" in einem Arbeitsverhältnis zu der von der mP repräsentierten Gesellschaft stehe. Da für die belangte Behörde der "Einwendungstatbestand des Rechtsmittelwerbers" mit ausreichender Sicherheit feststehe, sei der Berufung Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden gewesen. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 51e Abs. 1 VStG entfallen können, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich gewesen sei, daß das Straferkenntnis aufzuheben sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974-ArbIG 1974 gegründete Beschwerde, mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde weist zunächst darauf hin, daß nach § 9 Abs. 4 VStG der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person eine entsprechende Anordnungsbefugnis eingeräumt sein müsse. Der verantwortliche Beauftragte müsse durch die ihm eingeräumte Gestaltungsmöglichkeit in der Lage sein, die Verwaltungsvorschriften einzuhalten (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 1992, Zl. 90/19/0464). Die belangte Behörde hätte zur Prüfung der Frage, ob der von der mP bestellten Person eine derartige Anordnungsbefugnis tatsächlich eingeräumt sei, im Sinne des § 51g VStG die erforderlichen Beweise aufnehmen und daher eine mündliche Verhandlung (§ 51e leg. cit.) durchführen müssen.

1.2. Es trifft zu, daß der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis Zl. 90/19/0464 die Ansicht vertreten hat, daß die einem verantwortlichen Beauftragten eingeräumte Anordnungsbefugnis nur dann entsprechend i.S. des § 9 Abs. 4 VStG 1950 sei, wenn sie ihm ermögliche, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften sicherzustellen. Die bloße Möglichkeit - so das Erkenntnis weiter -, den Arbeitgeber bzw. das zur Vertretung nach außen berufene Organ des Arbeitgebers von der drohenden oder unvermeidlichen Verletzung von Verwaltungsvorschriften zu informieren, stelle keine Anordnungsbefugnis im beschriebenen Sinn dar.

Auf den vorliegenden Beschwerdefall bezogen bietet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß es der belangten Behörde verwehrt gewesen sei, vom Vorliegen einer ausreichenden (entsprechenden) Anordnungsbefugnis des von der mP zum verantwortlichen Beauftragten bestellten A auszugehen. Vielmehr erlaubte es der Umstand, daß in der Bestellungsurkunde vom 6. Februar 1989 ausdrücklich festgehalten wurde, "Herr A ist befugt und verpflichtet, in allen Belangen des Arbeitnehmerschutzes die zur Wahrung und Herstellung des gesetzlichen Zustandes entsprechenden Anordnungen zu treffen", der belangten Behörde, die besagte, im Grunde des § 9 Abs. 4 VStG wesentliche Voraussetzung für die rechtswirksame Bestellung des Genannten zum verantwortlichen Beauftragten für den sachlich abgegrenzten Bereich des Arbeitnehmerschutzes (im räumlich abgegrenzten Bereich des "Fabriksgeländes") als gegeben anzunehmen. Für diese Annahme reichte die besagte Urkunde vom 6. Februar 1989 aus. Weitere Beweisaufnahmen, insbesondere eine Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, waren entbehrlich. Dies umso mehr, als auch in der Beschwerde nicht aufgezeigt wird, inwiefern die belangte Behörde bei Aufnahme weiterer, vom Beschwerdeführer vermißter Beweise in der in Rede stehenden Frage zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, zumal die Beschwerde nicht einmal behauptet, daß dem A auf der Grundlage der Urkunde vom 6. Februar 1989 (insbesondere der vorzitierten Passage) keine ausreichende Anordnungsbefugnis eingeräumt worden sei.

2.1. Einen weiteren Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer darin, daß im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren vor Erlassung des angefochtenen Bescheides entgegen § 8 Abs. 1, 4 und 5 ArbIG 1974 weder das nach Standort und Art des Betriebes zuständige Arbeitsinspektorat noch das Arbeitsinspektorat i.S. des § 8 Abs. 4 leg. cit. beteiligt worden sei.

2.2. Soweit mit dieser Rüge § 8 Abs. 1 ArbIG 1974 angesprochen wird, steht sie mit der Aktenlage insofern nicht in Einklang, als einem Aktenvermerk des Sachbearbeiters der Erstbehörde vom 19. September 1991 zufolge dem nach dem Standort und der Art des Betriebes zuständigen Arbeitsinspektorat der Verfahrensstand bekanntgegeben wurde. Daß die belangte Behörde das Arbeitsinspektorat i.S. des § 8 Abs. 4 ArbIG 1974 nicht am Verfahren beteiligte, ist zwar für sich gesehen objektiv rechtswidrig, führt aber gleichwohl nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides, unterließ es doch der Beschwerdeführer, die Wesentlichkeit dieses Versäumnisses darzutun.

3.1. In der Beschwerde wird schließlich darauf hingewiesen, daß die mP ihre Berufung in Ansehung des Punktes 2 des Straferkenntnisses zurückgezogen habe, sodaß dieses insoweit rechtskräftig geworden sei. Die belangte Behörde hätte daher die Aufhebung des Straferkenntnisses auf dessen Punkt 1 einschränken müssen. Auch dieser Einwand ist nicht zielführend.

3.2. Selbst wenn man die Auffassung verträte, daß der Abspruch: "Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt."

als solcher nicht eindeutig sei, so wäre diesfalls die Begründung des bekämpften Bescheides zur Auslegung heranzuziehen. Von daher gesehen besteht kein Zweifel, daß die belangte Behörde ausschließlich über den von der Berufung der mP erfaßten Teil des Straferkenntnisses, also dessen Punkt 1, befunden hat, findet sich doch in der Bescheidbegründung auch nicht andeutungsweise eine Bezugnahme auf Punkt 2 des Straferkenntnisses, vielmehr allein eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen aus dem Blickwinkel der der mP unter Punkt 1 des Straferkenntnisses angelasteten Tat. Es spricht demnach nichts dafür, daß die belangte Behörde nicht - ebenso wie der Beschwerdeführer - von der Rechtskraft des Straferkenntnisses im Umfang des Punktes 2 (Verstoß gegen § 18 Abs. 1 ArbIG 1974) ausgegangen ist.

4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

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