VwGH 92/18/0248

VwGH92/18/024829.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. April 1992, Zl. St-28/92, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §4;
FrPolG 1954 §8;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §128;
StGB §83;
StGB §84;
VwRallg;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §4;
FrPolG 1954 §8;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §128;
StGB §83;
StGB §84;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 16. April 1992 wurde über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der (im 24. Lebensjahr stehende) Beschwerdeführer habe sich von 1978 bis 1989 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten, wo derzeit seine Gattin und seine Tochter leben. Er sei mit Urteil des Landesgerichtes Dortmund im Jahre 1988 wegen schwerer Körperverletzung und schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren verurteilt worden. Vom März 1988 bis Mai 1989 habe er sich in der Bundesrepublik Deutschland in Strafhaft befunden. In diesem Staat bestehe gegen ihn bis 1994 ein Aufenthaltsverbot. Nach seiner Haftentlassung sei er von der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei abgeschoben worden. Am 3. März 1991 habe er sein Heimatdorf in der Türkei verlassen und am 5. März 1991 über die Grenzkontrollstelle Walserberg in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollen, was ihm verwehrt worden sei. Am 20. März 1991 habe er bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach einen Asylantrag gestellt. Über die vom Beschwerdeführer gegen die Abweisung dieses Antrages erhobene Berufung sei noch nicht entschieden worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. September 1991 sei er wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden. Am 18. Dezember 1991 sei er im Zuge der Weihnachtsamnestie aus der Strafhaft entlassen worden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, auf Grund der zuletzt genannten Verurteilung sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt und damit die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt. Den hier maßgebenden öffentlichen Interessen komme wesentlich größeres Gewicht zu als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Da nicht zu erkennen sei, wann die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes wegfallen, sei das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit zu erlassen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    2. Die belangte Behörde hat auf Grund der oben erwähnten - vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen - Verurteilung durch das Landesgericht Linz mit Recht die Auffassung vertreten, daß der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt und damit die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei (vgl. dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0329, und vom 16. Dezember 1991, Zl. 90/19/0598, mit weiteren Judikaturhinweisen). Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Berechtigung dieser Annahme wendet, ist er auf die zitierte Rechtsprechung zu verweisen.

    3. Die belangte Behörde hat auf Grund der Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten mit Recht den hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentlich größeres Gewicht beigemessen als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich. Sie durfte dabei auch jene Straftaten, derentwegen der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig verurteilt wurde, berücksichtigen, zumal der Beschwerdeführer nicht bestreitet, die Straftaten begangen zu haben, und im Verwaltungsverfahren nicht einmal andeutungsweise einen Grund genannt hat, aus dem die ausländische Verurteilung nicht den Voraussetzungen des § 73 StGB entsprechen soll. Auch die Beschwerde enthält keine solche Behauptung. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich treten demgegenüber in den Hintergrund, insbesondere im Hinblick auf die Kürze seines Aufenthaltes in Österreich sowie die Tatsache, daß sich seine Familie nicht in Österreich aufhält.

    4. Der Beschwerdeführer meint, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil das Fremdenpolizeigesetz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nicht kenne, sondern nur ein Aufenthaltsverbot auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit.

    Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß nach § 4 erster Satz Fremdenpolizeigesetz das Aufenthaltsverbot "auf bestimmte oder auf unbestimmte Zeit" erlassen werden kann, doch ist dem angefochtenen Bescheid zweifelsfrei zu entnehmen, daß das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit erlassen worden ist. Nur diese Bedeutung kann dem im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltenen Begriff "unbefristetes Aufenthaltsverbot" beigemessen werden. Dazu kommt, daß die belangte Behörde im vorletzten Absatz der Begründung ausdrücklich davon spricht, das Aufenthaltsverbot könne nur auf "unbestimmte Zeit" erlassen werden, weil bei der gegebenen Sachlage nicht zu ersehen sei, wann die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, wegfallen.

    Darauf, ob die belangte Behörde oder andere Behörden in vergleichbaren Fällen Aufenthaltsverbote auf bestimmte Zeit erlassen haben oder nicht, kommt es nicht an, weil nur die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu überprüfen ist. Nach der Rechtsprechung ist ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird. Es ist auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Erlassung nicht vorhergesehen werden kann (siehe das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0320, mit weiteren Judikaturhinweisen). Im Hinblick auf die Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten ist die Auffassung der belangten Behörde, der Wegfall der Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes könne nicht vorhergesehen werden, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, ein "unbefristetes Aufenthaltsverbot" bedeute ein "lebenslängliches" Aufenthaltsverbot trifft so allgemein im Hinblick auf § 8 Fremdenpolizeigesetz nicht zu.

    Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht feststand, daß der Beschwerdeführer (auf Dauer) aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht außer Landes geschafft werden kann, bestand für eine Beschränkung des Aufenthaltsverbotes auf Teile des Bundesgebietes im Sinne des § 4 zweiter Satz erster Fall Fremdenpolizeigesetz kein Grund.

    5. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Bei diesem Ergebnis hatte die Entscheidung über den (zur hg. Zl. AW 92/18/0100 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entfallen (siehe die bei Dolp,

    Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 532 f zitierte hg. Rechtsprechung).

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