Normen
Eignung von Arbeitnehmern für bestimmte Tätigkeiten 1973 §3 idF 1988/358;
EMRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Eignung von Arbeitnehmern für bestimmte Tätigkeiten 1973 §3 idF 1988/358;
EMRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Unter dem Datum 20. Februar 1991 hatte die Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld dem nunmehrigen Beschwerdeführer gegenüber ein Straferkenntnis erlassen, dessen Schuldspruch wie folgt lautet:
"Anläßlich einer am 3. Oktober 1989 durchgeführten Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat Graz im Betrieb der XY-KG in A wurde folgendes festgestellt:
1.) An den MAG-Schweißgeräten in den Schweißabteilungen im Nordwestteil der Produktionshalle wurden Arbeitnehmer mit Schweißarbeiten beschäftigt, wobei die dabei auftretenden Schweißrauchkonzentrationen nicht durch Absaugeleitungen an der Entstehungsstelle abgeführt wurden; beim Schweißen von Häckslerteilen entstand eine Schweißrauchkonzentration von 6,8 mg/m3 und beim Schweißen von Häckslerkasten eine Schweißrauchkonzentration von 7,1 mg/m3; es wurden durchschnittlich sechs Schlosser mit Schweißarbeiten beschäftigt, wobei zu über 60 v.H. der Arbeitszeit zu reinen Schweißarbeiten verwendet wurde; örtliche Schweißrauchabsaugungen waren nicht vorhanden, obwohl die mit Schweißrauchkonzentration verunreinigte Luft durch Absaugeanlagen abzuführen ist, falls die in der MAK-Liste angegebenen Technischen Richtkonzentrationen überschritten sind.
2.) Die Arbeitnehmer S, H, G und D wurden täglich über 4 Stunden regelmäßig mit Schweißarbeiten beschäftigt, ohne daß durch eine besondere ärztliche Untersuchung festgestellt worden war, daß ihr Gesundheitszustand eine derartige Beschäftigung zuläßt, obwohl Arbeitnehmer, die bei ihrer beruflichen Tätigkeit infolge Einwirkung von Schweißrauch erkranken können, vor der Tätigkeit durch eine besondere ärztliche Untersuchung durch einen ermächtigten Arzt auf ihren Gesundheitszustand hin zu untersuchen sind.
Sie haben dadurch als persönlich haftender Gesellschafter der XY-KG. folgende Rechtsvorschrifen verletzt:
1.) § 16 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 in der derzeit geltenden Fassung in Verbindung mit der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3.10.1989, Zl. 61.710/15-4/89, in Verbindung mit § 9 VStG. 1950,
2.) § 3 Abs. 1 Ziffer 21 der Verordnung BGBl. Nr. 39/1974 in der Fassung der Verordnung vom 6. Mai 1988, BGBl. Nr. 358, in Verbindung mit § 9 VStG. 1950.".
Über den Beschwerdeführer war wegen dieser Übertretungen jeweils gemäß § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes zu 1.) eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage) und zu 2.) eine Geldstrafe in der Hähe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe sechs Tage) verhängt worden.
2. Mit Bescheid vom 19. Dezember 1991 gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG keine Folge und bestätigte dieses mit der Maßgabe, "daß die unter Punkt 2.) angeführte Übertretung gemäß § 3 der Verordnung zum Arbeitnehmerschutzgesetz erfolgt ist".
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift (in Form einer inhaltlichen Stellungnahme) vorgelegt und die Aufhebung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Zu dem von der belangten Behörde bestätigten Spruchpunkt 1.) des Straferkenntnisses vertritt die Beschwerde die Ansicht, daß insoweit gegen das Verbot "rückwirkender Bestrafung" verstoßen worden sei. Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde in Ansehung des bezeichneten Umfanges des angefochtenen Bescheides zum Erfolg.
1.2. Gemäß dem (auch) das Verwaltungsstrafrecht beherrschenden Grundsatz "Nullum crimen sine lege" (§ 1 Abs. 1 VStG) kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Die Heranziehung einer Norm als verletzter Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z. 2 VStG), die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes noch nicht gegolten hat, verstößt gegen § 1 Abs. 1 VStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1984, Slg. Nr. 11.471/A).
Die belangte Behörde hat als Verwaltungsvorschrift, die durch das dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt 1.) des Straferkenntnisses angelastete Verhalten verletzt worden ist, § 16 Abs. 2 AAV iVm der Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3. Oktober 1989, Zl. 61.710/15-4/89, bezeichnet. Die Heranziehung der im § 16 Abs. 2 AAV verwiesenen Verlautbarung der Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen und Technischen Richtkonzentrationen in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für soziale Verwaltung und des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz war im Hinblick auf den inkriminierten Sachverhalt, wonach es der Beschwerdeführer zu verantworten habe, daß Schweißrauchabsaugeanlagen nicht vorhanden gewesen seien, obwohl die in der "MAK-Liste" angegebenen Technischen Richtkonzentrationen überschritten worden seien, für die belangte Behörde im Grunde des § 44a Z. 2 VStG wesentlich. Allerdings hat die belangte Behörde außer acht gelassen, daß die von ihr als verletzt erachtete Kundmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 3. Oktober 1989, Zl. 61.710/15-4/89, über Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen und Technische Richtkonzentrationen (MAK-Werte-Liste 1989) erst in dem am 28. Dezember 1989 herausgegebenen Exemplar der "Amtlichen Nachrichten Arbeit-Gesundheit-Soziales" (Sondernummer 1/1989) verlautbart und mangels abweichender Anordnung nicht vor diesem Tag rechtswirksam geworden ist.
Da der genannten Kundmachung demnach am 3. Oktober 1989, dem von der belangten Behörde angenommenen Tatzeitpunkt, noch nicht verbindliche Kraft zukam, war es unzulässig, sie auf den spruchmäßig als erwiesen angenommenen Sachverhalt anzuwenden, ohne gegen das Verbot rückwirkender Strafgesetze zu verstoßen.
2.1. In Ansehung der von der belangten Behörde aufrecht erhaltenen Umschreibung der unter Punkt 2.) des Straferkenntnisses als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z. 1 VStG) bringt die Beschwerde vor, daß die im bekämpften Bescheid dazu vorgenommene Änderung in der Bezeichnung der als verletzt erachteten Vorschrift dem § 44a Z. 2 VStG nicht Rechnung trage.
2.2. Während die Erstbehörde als verletzte Verwaltungsvorschrift § 3 Abs. 1 Z. 21 der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung BGBl. Nr. 39/1974 idF BGBl. Nr. 358/1988 angeführt hatte, lautet im angefochtenen Bescheid die Angabe jener Norm, unter die die Tat des Beschwerdeführers zu subsumieren ist, auf "§ 3 der Verordnung zum Arbeitnehmerschutzgesetz".
Wenngleich dem Beschwerdeführer darin Recht zu geben ist, daß zum Arbeitnehmerschutzgesetz eine Reihe von Verordnungen ergangen sind, also die Bezugnahme auf "die" Verordnung zu diesem Gesetz für sich allein betrachtet zu unbestimmt ist, darf der Konnex dieses Zitates zum konkret umschriebenen inkriminierten Verhalten nicht außer Betracht bleiben. Aus der im Straferkenntnis umschriebenen und von der belangten Behörde unverändert gelassenen Tatumschreibung ergibt sich ohne weiteres, daß unter "der" Verordnung zum Arbeitnehmerschutzgesetz die von der Erstinstanz der Fundstelle nach zitierte Verordnung zu verstehen ist.
Ungeachtet dessen reicht die Anführung des "§ 3" als verletzte Verwaltungsvorschrift nicht aus, um dem Gebot des § 44a Z. 2 VStG Genüge zu tun. Diese Norm gewährleistet dem Beschuldigten das subjektive Recht, daß ihm die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 85/18/0175). Durch die spruchmäßige Änderung der durch das Verhalten des Beschwerdeführers verletzten Vorschrift von "§ 3 Abs. 1 Z. 21" auf "§ 3" der besagten Verordnung hat die belangte Behörde die von ihr als verletzt erachtete Vorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG gegenüber der präzisen Angabe seitens der Erstbehörde in völlig unbestimmter Weise ausgeweitet. Da § 3 der genannten Verordnung zahlreiche einschlägige Gebotsnormen enthält, die jeweils einen eigenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bilden, mangelt es der Bezeichnung der verletzten Verwaltungsvorschrift an der vom Gesetz gebotenen Konkretheit; ohne diese kann nicht von einer richtigen und vollständigen, Zweifel ausschließenden Zitierung derselben gesprochen werden.
3. Da nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leidet, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigte.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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