VwGH 92/18/0015

VwGH92/18/001520.2.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des P in H, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 18. September 1991, Zl. Fr-1279/91, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
FrPolG 1954 §11;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
ÜG 1929 Art2 §4;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
FrPolG 1954 §11;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
ÜG 1929 Art2 §4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterrich (der belangten Behörde) vom 18. September 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 und 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes unbefristetes Aufenthaltsverbot für das "gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.

Begründend stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer von inländischen Gerichten wie folgt rechtkräftig verurteilt worden sei:

1) Jugendgerichtshof Wien, 5a Vr 625/85, HV 21/86, vom 14. März 1986, wegen §§ 127 Abs. 1 und 2/1, 128 Abs. 1/4, 129/1 und 2, 223 Abs. 2, 224 StGB, drei Monate Freiheitsstrafe bedingt, Probezeit drei Jahre, Bestellung eines Bewährungshelfers.

2) Jugendgerichtshof Wien, 1a Vr 808/87, HV 182/87, vom 21. Jänner 1988, wegen §§ 127 Abs. 1 und 2/1, 128 Abs. 1/4, 129/1, 15, §§ 15, 269/1, §§ 83/1, 84 Abs. 2/4, 136/1 StGB, acht Monate Freiheitsstrafe bedingt, Probezeit drei Jahre.

3) Landesgericht für Strafsachen Wien, 6a Vr 3194/90, HV 5357/90, vom 4. September 1990, wegen §§ 12/1, 16/1 Suchtgiftgesetz und § 297/1 StGB, sechs Monate Freiheitsstrafe.

Aufgrund dieser Verurteilungen sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG in mehrfacher Hinsicht verwirklicht und solcherart das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 leg.cit zu bejahen. Damit sei die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG hielt die belangte Behörde in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen fest, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die vorgebrachten Umstände (insbesondere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 1979; starke Bindung zu seiner in Österreich lebenden Mutter, die seit 1976 österreichische Staatsbürgerin sei) einen nicht unerheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstelle. Familiäre Bindungen bestünden allerdings nur zu seiner Mutter; er selbst sei ledig und habe keine Kinder. Hinsichtlich der beruflichen Situation des Beschwerdeführers sei darauf hinzuweisen, daß er in den letzten Jahren mehrmals den Arbeitgeber gewechselt habe, und eine wesentliche Beeinträchtigung seines beruflichen Fortkommens durch das Aufenthaltsverbot nicht gegeben sei; den Beruf des Spenglers könne er auch im Ausland ausüben. Nach Abwägung aller Umstände komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes vor allem wegen der Schwere und der Anzahl der vom Beschwerdeführer begangenen Delikte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verhinderung weiterer strafbaren Handlungen erforderlich sei. Nach dem Gewicht der genannten öffentlichen Interessen würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als die Auswirkungen dieses Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, welcher deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 6. Dezember 1991, B 1238/91). Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides geltend und begehrt aus diesen Gründen dessen Aufhebung.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde ist der Meinung, der angefochtene Bescheid sei vom Sicherheitsdirektor und nicht von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erlassen worden. Dies ergebe sich daraus, daß der Bescheid, obzwar auf dem Briefpapier der Sicherheitsdirektion ausgefertigt, "für den Sicherheitsdirektor" gefertigt worden sei. Es habe demnach eine unzuständige Behörde entschieden.

1.2. Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, daß Bescheide in der monokratisch organisierten Behörde "Sicherheitsdirektion" vom Sicherheitsdirektor oder in seinem Auftrag erlassen werden. Aus der Tatsache der Unterfertigung eines Organwalters der sachlich (und örtlich) zuständigen (Berufungs-)Behörde "Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich" unter der Wortfolge "Für den Sicherheitsdirektor" kann somit nicht abgeleitet werden, es habe eine unzuständige Behörde entschieden.

2. Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 FrPolG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

3. Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eine Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

    3. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die - von der Beschwerde auch nicht bekämpfte - Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß durch die angeführten rechtskräftigen Verurteilungen der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG verwirklicht sei, und zwar sowohl aufgrund des Ausmaßes der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. September 1990 verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten, als auch der Verurteilung durch den Jungendgerichtshof Wien vom 21. Jänner 1988 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe im Aussmaß von acht Monaten, als auch aufgrund des Umstandes, daß diesem Urteil und dem Urteil desselben Gerichtes vom 14. März 1986 auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen des Beschwerdeführers zugrunde lagen. Damit war das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" (des § 3 FrPolG) zu bejahen und als Folge dessen die Annahme gerechtfertigt, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.

    4. Im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers hält der Gerichtshof die von der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG vorgenommene Interessenabwägung nicht für rechtswidrig. Sie hat auf alle vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten und für ihn sprechenden Umstände Bedacht genommen, indes darauf hingewiesen, daß die Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden strafbaren Handlungen den hier maßgeblichen öffentlichen Interessen besonderes Gewicht verleihe. Diese Wertung trifft jedenfalls in Ansehung der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Verstoßes gegen das Suchtgiftgesetz zu. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, weil das öffentliche Interesse an der Verhängung des Aufenhaltsverbotes in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/19/0105, und die dort zitierten Entscheidungen).

    5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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