VwGH 92/17/0158

VwGH92/17/015821.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der Stadt X, vertreten durch den Bürgermeister, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 24. März 1992, Zl. BauR-010775/1-1992 Pr/Vi, betreffend Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn einer öffentlichen Verkehrsfläche (mitbeteiligte Parteien: G und E D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §20 Abs1 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs1;
BauO OÖ 1976 §20 Abs11 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs12 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs1 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs1;
BauO OÖ 1976 §20 Abs11 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs12 idF 1988/033;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die mitbeteiligten Parteien sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 511 Grundbuch 51226 P, Bezirksgericht Wels, in welcher die Grundstücke 121/117 Garten im Ausmaß von 531 m2 und .501 Baufläche im Ausmaß von 54 m2 vorgetragen sind. Auf dem Grundstück .501 Baufläche ist das Haus X, N-Straße 8, errichtet. Das Gebäude wurde jedenfalls vor dem Jahre 1980 errichtet.

1.2. Anläßlich eines Umbaus im Jahre 1980 wurde den mitbeteiligten Parteien mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 31. März 1980 für die Grundstücke .501 Baufläche und 121/117 eine Bauplatzbewilligung erteilt. In der Folge wurde im Jahre 1988 auf der N-Straße (im Abschnitt P-Straße-T-Straße) eine Fahrbahndecke (Konstruktion: BTS III Ex 10) aufgebracht. Auf Grund dieser Baumaßnahme wurde den Mitbeteiligten mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom 7. Juni 1989 ein Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen in der Höhe von S 22.681,-- vorgeschrieben. Auf Grund der Berufung der Mitbeteiligten, einer darüber ergangenen Berufungsvorentscheidung und des Vorlageantrages der Mitbeteiligten erging die Berufungsentscheidung des Stadtsenates der Beschwerdeführerin vom 3. Februar 1992, mit welcher die Berufung als unbegründet abgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid erhoben die Mitbeteiligten Vorstellung.

1.3. Die belangte Behörde hob mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufungsentscheidung auf und begründete dies unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 85/17/0032, VwSlg. 6013 F/1985, im wesentlichen damit, daß die Aufbringung einer neuen Fahrbahndecke, wie sie im gegenständlichen Fall erfolgt ist, nicht der Neuerrichtung der Straße im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis aufgestellten Kriterien gleichzuhalten sei. Es sei unbestritten, daß die verfahrensgegenständliche Siedlungsstraße schon vor den Baumaßnahmen im Jahre 1988 in der Art bestanden habe, daß jedenfalls der Tragkörper (einschließlich der Oberflächenentwässerung) vorhanden gewesen sei. Als Belag sei lediglich eine Spritzdecke aufgebracht gewesen. Wenn eine Gemeinde die öffentliche Verkehrsfläche zum Zeitpunkt der Vorschreibung des Beitrages (Abs. 1 oder 11) in der Weise errichtet habe, daß nur der Tragkörper hergestellt worden sei, der staubfreie Belag aber erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgebracht werden solle, lege § 20 Abs. 12 OÖ BauO fest, daß, der Beitrag anläßlich der Erteilung der Bewilligung (Abs. 1) bzw. der Errichtung des Tragkörpers (Abs. 11) nur bis zu 50 v.H. und anläßlich der Aufbringung des staubfreien Belages mit dem ausständigen Rest vorgeschrieben werden dürfe. Daraus sei abzuleiten, daß der Gesetzgeber als Errichtung der Fahrbahn den Zustand angesehen habe, daß (lediglich) der Tragkörper hergestellt sei. Nachdem der Tragkörper der N-Straße bereits vor Durchführung der Baumaßnahmen im Jahr 1988 vorhanden gewesen sei, sei diese öffentliche Fahrbahn zu diesem Zeitpunkt bereits im Sinn der dargelegten Rechtslage errichtet gewesen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die Mitbeteiligten haben gleichfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen. Die Beschwerdeführerin hat auf diese Gegenschriften repliziert.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die Ausführungen in den Gegenschriften erwogen:

2.1. § 20 der OÖ Bauordnung 1976, LGBl. Nr. 35, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 33/1988, sieht zwei Möglichkeiten zur Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen vor:

Gemäß § 20 Abs. 1 hat die Gemeinde, wenn sie "eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet" hat, anläßlich der (späteren) Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes oder der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes einen Beitrag zu den ihr erwachsenden Kosten der Herstellung der Fahrbahn dieser öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben.

Gemäß § 20 Abs. 11 leg. cit. kann ein derartiger Beitrag auch vorgeschrieben werden, wenn die öffentliche Verkehrsfläche von der Gemeinde erst nach Erteilung der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Bewilligung der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes oder einer solchen bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) errichtet wird.

2.2. Die Behörden der beschwerdeführenden Stadt haben sich im Verwaltungsverfahren auf § 20 Abs. 11 OÖ Bauordnung 1976 gestützt. Es ist unbestritten, daß den Mitbeteiligten im Jahre 1980 eine Bauplatzbewilligung erteilt wurde, sodaß § 20 OÖ BauO 1976 jedenfalls grundsätzlich angewendet werden kann (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1982, 81/05/0158).

2.3. Strittig ist im Beschwerdefall, ob die im Jahre 1988 vorgenommene Erneuerung der Fahrbahndecke die Abgabenpflicht gemäß § 20 Abs. 11 OÖ Bauordnung 1976 auslöste. Die Beschwerdeführerin bejaht dies unter Hinweis auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten, demzufolge der Oberbau einer Straße (Straßenbefestigung) aus der unteren Tragschicht (Frostschutzschicht), welche bei frostsicherem Untergrund entfallen könne, der oberen Tragschicht und der Decke bestehe. Von einer mittelschweren bituminösen Decke sei dann die Rede, wenn sie eine Stärke von 3 bis 6 cm aufweise. Dem Gutachten sei somit zu entnehmen, daß für das Vorliegen einer "mittelschweren Befestigung" außer einer ausreichenden Tragschicht auch eine mittelschwere Decke erforderlich sei. Erst ein mittelschwerer Tragkörper mit einer mittelschweren Decke ergebe die sogenannte mittelschwere Befestigung. Daraus ergebe sich, daß von einer Errichtung einer Straße erst dann gesprochen werden könne, wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt seien.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 85/17/0032, und die weitere Überlegung, daß aus § 20 Abs. 12 OÖ Bauordnung ergebe sich, daß die Errichtung der Fahrbahn schon dann erfolgt sei, wenn der Tragkörper hergestellt sei, die Auffassung vertreten, eine Abgabepflicht nach § 20 Abs. 11 OÖ Bauordnung bestehe nicht. Auch die Mitbeteiligten haben in ihrer Gegenschrift die Auffassung vertreten, daß die Aufbringung einer neuen, 3 bis 4 cm starken Decke technisch und wirtschaftlich einer Neuerrichtung im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht gleichzusetzen sei.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem auch von den Behörden der beschwerdeführenden Stadt ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 85/17/0032, ausgeführt, daß unter der Errichtung im Sinne des § 20 Abs. 1 OÖ Bauordnung auch der Ausbau einer schon vorhandenen Verkehrsfläche verstanden werden kann, ALLERDINGS NUR DANN,

WENN DER AUSBAU TECHNISCH UND WIRTSCHAFTLICH EINER ERRICHTUNG

GLEICHZUSETZEN IST. Wie der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis weiters festgehalten hat, kann von einem Ausbau im Sinne einer Errichtung der Verkehrsfläche nur dann gesprochen werden, "wenn eine mittelschwere Befestigung einschließlich Niveauherstellung samt Oberflächenentwässerung erfolgt, mag auch schon früher im betreffenden Bereich eine öffentliche Verkehrsfläche vorhanden gewesen sein". Der Verwaltungsgerichtshof ist zu dieser Auffassung insbesondere unter Einbeziehuntg des § 20 Abs. 6 OÖ BauO gekommen, der die für die Festsetzung des Einheitssatzes durch die Landesregierung maßgeblichen Kostenfaktoren nennt. Der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im genannten Erkenntnis liegt damit offensichtlich die Überlegung zugrunde, daß die Beitragspflicht im Falle einer Sanierung oder Erneuerung einer bereits bestehenden Straße nur gegeben ist, wenn dabei technisch der erstmaligen Errichtung gleichzuhaltende Maßnahmen gesetzt werden, sodaß wirtschaftlich der Aufwand vergleichbar ist ("technisch-wirtschaftlich gleichzuhalten").

In die gleiche Richtung weist auch - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - § 20 Abs. 12 OÖ BauO. Demnach stellt die Errichtung des Tragkörpers der Straße einen wesentlichen Teil der öffentlichen Verkehrsfläche dar, der im Sinne des § 20 Abs. 12 OÖ BauO die Vorschreibung von bis zu 50 v.H. des Beitrages erlaubt.

2.5. Die dargestellten Grundsätze für die Auslegung des Begriffes der "Errichtung" in § 20 Abs. 1 OÖ BauO können auch im Falle des § 20 Abs. 11 OÖ BauO angewendet werden. Zu beachten ist jedoch, daß der wesentliche Unterschied der beiden Tatbestände darin besteht, daß im Falle des Abs. 1 die Straße zum Zeitpunkt der Erteilung der Bauplatzbewilligung bereits errichtet sein muß, im Falle des Abs. 11 hingegen zuerst die Bauplatzbewilligung erteilt wird und DANACH die Straße errichtet wird.

Eine Übernahme der vom Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Erkenntnis vertretenen Auffassung zur "Errichtung" einer Straße auch für die Auslegung des Abs. 11 kann daher NUR insoweit erfolgen, als man davon ausgehen kann, daß auch eine NACH Erteilung der Bauplatzbewilligung erfolgende Sanierung einer Straße u.U. der Neuerrichtung gleichzuhalten ist. Wenn eine Straße zum Zeitpunkt der Erteilung der Bauplatzbewilligung NOCH NICHT FERTIGGESTELLT ist und die FERTIGSTELLUNG NACH der Erteilung der Bewilligung erfolgt, stellt sich zu Abs. 11 aber die Frage, ob die bloße Fertigstellung nach der Erteilung der Bewilligung ebenfalls die Beitragspflicht nach Abs. 11 auslöst, oder ob Abs. 11 voraussetzt, daß die gesamte Errichtung NACH der Erteilung der Bewilligung erfolgt.

2.6. Dies übersieht die Beschwerdeführerin in ihrer Argumentation. Der belangten Behörde ist auch insofern bezüglich ihres Hinweises auf § 20 Abs. 12 OÖ Bauordnung 1976 zuzustimmen. § 20 Abs. 12 OÖ BauO zeigt, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß § 20 Abs. 1 oder 11 auch schon eingreifen, wenn der Tragkörper der Straße errichtet ist. Die oben formulierte Frage, ob § 20 Abs. 11 OÖ BauO eingreift, wenn die Straße nach Erteilung der Bauplatzbewilligung zwar nicht zur Gänze HERgestellt, aber FERTIGgestellt wird, ist somit zu verneinen. Aus diesem Grund gehen die rechtlichen Überlegungen, wie sie auch in dem Schreiben des Straßen- und Brückenbaudienstes des Magistrats der Beschwerdeführerin vom 2. April 1991 unter Hinweis auf das Gutachten von Dipl.-Ing. H vom 5. April 1990 angestellt werden, ins Leere. Sowohl eine Übertragung der vom Verwaltungsgerichtshof im oben mehrfach genannten Erkenntnis zur Auslegung des § 20 Abs. 1 BauO entwickelten Grundsätze auch auf Abs. 11 als auch die Auslegung des § 20 Abs. 11 OÖ BauO im Zusammenhalt mit Abs. 12 führen zum Ergebnis: Eine Anwendung des Abs. 11 setzt voraus, daß eine der Errichtung technisch und wirtschaftlich gleichzuhaltende Erneuerung, Sanierung (oder allenfalls auch "Fertigstellung", die aber der Sache nach einer Neuerrichtung gleichkommen muß) NACH der Erteilung der Bauplatzbewilligung vorgenommen wurde (für den Fall, daß zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung des Bauplatzes bereits der Tragkörper einer Straße errichtet ist, greift § 20 Abs. 12 Oö BauO; soweit dieser im Falle der späteren Aufbringung der Decke die nach Abs. 12 vorgesehene Vorschreibung eines weiteren Beitrages zuläßt, könnte auch in einem derartigen Fall noch eine Vorschreibung eines Beitrags zur öffentlichen Verkehrsfläche erfolgen; die Vorschreibung des Beitrages in voller Höhe aus Anlaß einer Sanierung der Decke wie im Beschwerdefall scheidet aber aus).

2.7. Gerade wenn man die von den Gemeindebehörden auf Grund des Gutachtens vom 5. April 1990 angenommenen Erfordernisse für die Errichtung einer Straße zugrundelegt, zeigt sich, daß die Aufbringung einer neuen Decke allein wirtschaftlich nicht der Errichtung der Straße gleichzusetzen ist.

2.8. Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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