VwGH 92/16/0199

VwGH92/16/019918.8.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Steiner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerden

1.) des A und 2.) der F, beide in L, beide vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide der FLD für OÖ je vom 23. Oktober 1992, Zlen. 556/1-9/Mü-1988 und 557/1-9/Mü-1988, je betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §279;
ABGB §297;
ABGB §435;
GrEStG 1955 §1 Abs2;
GrEStG 1955 §16 Abs2;
GrEStG 1955 §2 Abs2 Z2;
VwRallg;
ABGB §279;
ABGB §297;
ABGB §435;
GrEStG 1955 §1 Abs2;
GrEStG 1955 §16 Abs2;
GrEStG 1955 §2 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.770,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden vom 18. April 1988 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (im folgenden: Finanzamt) für den Erwerbsvorgang, der in dem bei der Behörde unter den Zahlen 88/009.561-1 und 88/009.562-9 erfaßten Pachtvertrag vom 2. November 1983 enthalten ist, gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG 1955 Grunderwerbsteuer fest. Mit diesem Vertrag verpachteten die Beschwerdeführer aus der ihnen gehörenden Liegenschaft EZ 18 das Grundstück 967/2 an Ing. R zum Zwecke der Errichtung und des Betriebes einer Halle samt Nebenanlagen.

Der Vertrag hat u.a. folgenden Inhalt:

"Pachtvertrag

welcher am heutigen Tage zwischen Herrn A und Frau F, Landwirtsehegatten,..., als Verpächter einerseits und Herrn Ing. R, Kaufmann,..., als Pächter andererseits, abgeschlossen wurde wie folgt:

I.

Herr A und Frau F - im folgenden kurz Verpächter genannt - verpachten an Herrn Ing. R - im folgenden kurz Pächter genannt - und letzterer pachtet von ersteren die im noch nicht rechtskräftigen Lageplan des Dipl. Ing. W, vom 8.8.1983, GZ. 7781a, orange umschriebene Teilfläche des Grundstückes 967 Baufläche, inneliegend in EZ. 18 bezeichnet als neues Grundstück 967/2, zum Zwecke der Errichtung und des Betriebes einer Halle samt Nebenanlagen (Parkplätze usw.).

II.

Das Pachtverhältnis beginnt am 1.1.1984, und wird dasselbe

auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Das Pachtverhältnis kann von beiden Vertragsteilen unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist jeweils zum 30.6 und 31.12. eines jeden Jahres aufgekündigt werden.

Soweit nicht eine gerichtliche Kündigung gesetzlich vorgeschrieben ist, hat die Kündigung mittels eingeschriebenen Briefes zu erfolgen.

Die Verpächter verzichten jedoch für sich und ihre Rechtsnachfolger auf die Dauer von 60 Jahren, das ist bis 31. Dezember 2043, von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.

III.

Die Verpächter sind jedoch zur sofortigen Vertragsauflösung

berechtigt

  1. a) aus den Gründen des § 1118 AGBG,
  2. b) im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Pächters.

.....

VII.

Einverständlich wird festgehalten, daß der Pächter berechtigt ist, auf dem Pachtgrundstück auf eigene Kosten und Gefahr, sowie unter Einhaltung sämtlicher bau- und feuerpolizeilicher sowie sonstiger behördlicher Auflagen und Vorschriften eine Halle gemäß dem Einreichplan vom 10.10.1983 zu errichten. Dem Pächter ist es aber auch in Zukunft ohne Einholung einer ausdrücklichen Genehmigung durch die Verpächter gestattet, Neubauten, Zubauten und Umbauten jeglicher Art durchzuführen, soweit diese baubehördlich gestattet sind.

Bezüglich der Bebauung und Aufschließung des Pachtgegenstandes übernehmen die Verpächter keinerlei Haftung und Kosten und verpflichtet sich der Pächter ausdrücklich, diese zu übernehmen.

VIII.

Im Falle einer Auflösung des gegenständlichen Pachtvertrages sind die Verpächter nicht verpflichtet, dem Pächter irgendwelche Ablösebeträge für die vom Pächter getragenen Aufwendungen zu ersetzen und geht mit dessen Auflösung die auf dem Pachtobjekt errichtete Baulichkeit entschädigungslos in das Eigentum des Verpächters über, soweit diese nicht ohne Verletzung der Substanz des Pachtobjektes entfernt werden können.

.....

XII.

Die Kosten der Vermessung des Bestandobjektes sowie alle mit der Errichtung und Vergebührung des gegenständlichen Pachtvertrages verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben trägt der Pächter, jedoch trägt jeder Teil die Kosten seiner Rechtsberatung.

.....

XIV.

Sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag gehen auf die beiderseitigen Rechts- und Besitznachfolger über. ..."

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung; nach abweisenden Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes und fristgerecht gestellten Anträgen auf Entscheidung gab die belangte Behörde den gegen die Steuerbescheide erstatteten Berufungen mit den angefochtenen Bescheiden keine Folge. Wenn das Bauwerk in jedem Falle mit der Beendigung des Bestandverhältnisses in das Eigentum des Verpächters übergehe, so sei nur der Übergang des Eigentumes befristet, die Steuerschuld entstehe aber bereits mit Abschluß des Bestandvertrages.

Dagegen richten sich die vorliegenden, auf Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützten Beschwerden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschriften der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres engen und sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die beiden Beschwerdeführer in ihrem Recht darauf verletzt, im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag und insbesondere dafür, daß ihnen als Grundstückseigentümer das auf dem Pachtgrund vom Pächter errichtete Bauwerk nach Ablauf der Vertragsdauer des Bestandvertrages zufalle, keine Grunderwerbsteuer entrichten zu müssen. Aufgrund des gegenständlichen Pachtvertrages erwürben die Beschwerdeführer nicht ein Gebäude auf FREMDEN Boden, sondern auf ihrem eigenen Boden. Es sei ungerechtfertigt und unbillig, daß ihnen eine Grunderwerbsteuer dafür vorgeschrieben werde, daß nicht ihnen, sondern der nächsten oder irgendeiner kommenden Generation VIELLEICHT ein Gebäude zukomme, obgleich gar nicht feststehe, ob im Zeitpunkt der Beendigung des Bestandverhältnisses auf der Liegenschaft noch ein Gebäude stehe. Die Heranziehung der Bfr als am Erwerbsvorgang beteiligter Personen hätte nur nach Maßgabe des § 20 BAO erfolgen dürfen. Die Pächter hätten auch keine Verfügungsmacht über das Gebäude im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG. Schließlich könne nicht vom Einheitswert des Gebäudes im derzeitigen Zustand ausgegangen werden; es sei zu überlegen, ob die Ermittlung einer Gegenleistung gemäß § 4 Abs. 2 Z. 1 GrEStG wirklich unmöglich oder die Bemessungsgrundlage für die Steuererhebung nach § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen sei.

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung gestandenen gesetzlichen Vorschriften anzuwenden. Unter "Verwirklichung" ist u.a. aber bereits die Willenseinigung der Vertragparteien zu verstehen (Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz 1987, R 2 zu § 12 GrEStG). Die hier zu beurteilende Willenseinigung erfolgte am 2. November 1983, sodaß die Bestimmungen des GrEStG 1955 (im: folgenden: GrEStG) zur Anwendung gelangen.

Gem. § 1 Abs. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbssteuer Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, und zwar gem. Z. 1 ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Gemäß § 2 Abs. 1 sind unter Grundstücken im Sinne dieses Gesetzes Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen. Nach Abs. 2 Z. 2 dieser Bestimmung stehen den Grundstücken Gebäude auf fremdem Boden gleich. Somit unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Gebäudes auf fremdem Boden begründet, der Grunderwerbssteuer.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 1985, Zl. 85/16/0064, 0065, mit dem Begriff des "Gebäudes auf fremdem Boden" auseinandergesetzt. Er gelangte unter Bedachtnahme auf die Absicht des historischen Gesetzgebers des GrEStG 1940 zum Ergebnis, daß es sich bei diesem Begriff um einen Begriff des Steuerrechtes handle, der dem ABGB fremd sei und sich nicht mit dem Begriff des Gebäudes nach § 297 ABGB decke. Erfasst seien nämlich nicht nur Superädifikate im Sinne des § 435 ABGB, sondern auch Gebäude, die nach dem Grundsatz "superficies solo cedit" dem Grundeigentümer gehörten. Rechtsvorgänge über Gebäude auf fremdem Boden unterlägen grundsätzlich der Grunderwerbssteuer, unabhängig davon, ob das ABGB sie als Superädifikate (§ 435) oder als Bestandteile des Grundstückes (§ 297) behandle. Auch im vorliegenden Fall kann somit dahingestellt bleiben, ob die Halle als Superädifikat zu qualifizieren ist oder nicht: Gem. § 16 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesen Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist; ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung abhängig, so entsteht die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung. Eine solche aufschiebende Bedingung wurde im Punkt VIII des Pachtvertrages vereinbart. Abgesehen davon, daß das Pachtverhältnis auf UNBESTIMMTE Zeit abgeschlossen wurde, also gar nicht feststeht, daß es einmal aufgelöst werden wird, hängt die Eigentumsübertragung davon ab, ob die Baulichkeit dann nicht ohne Verletzung der Substanz des Grundstückes entfernt werden kann. Kann der Pächter also die zuletzt genannte Auflage erfüllen, dann steht es ihm frei, das Gebäude abzutragen, sodaß es zu gar KEINEM Erwerb kommt.

Wie im Falle des hg. Erkenntnisses vom 7. Juli 1954, Zl. 1913/52 (wiedergegeben bei Czurda, a.a.O., Rz. 16 zu § 8 GrEStG 1987), ist somit auch hier der Rechtserwerb durch eine verneinende Bedingung aufschiebend bedingt, weil er gleichfalls davon abhängt, ob das Gebäude nicht vorher entfernt wird. Mangels Erfüllung der Bedingung ist die Steuerschuld daher im Zeitpunkt der Vorschreibung noch nicht entstanden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß sie gem. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren. Eines Eingehens auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, warum die Behörde ohne weitere Begründung entgegen der im Punkt XII des Vertrages geregelten Abgabentragung der Verpächterin die Steuer vorschrieb, bedarf es daher nicht.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Artikel III Abs. 3.

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