VwGH 92/16/0074

VwGH92/16/00743.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der H-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. März 1992, GZ. GA 11-1571/90, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3;
GrEStG 1955 §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In ihrer Abgabenerklärung vom 28. Juni 1985 zeigte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (im folgenden: Finanzamt) an, daß sie an diesem Tage die Liegenschaften EZ nn, KG X, und EZ nnn, KG X, gekauft habe. Sie begehrte Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a) GrEStG 1955 (in der Folge: GrEStG).

Eine Überprüfung des Finanzamtes ergab, daß die Liegenschaft EZ nnn am 24. September 1985 an die Ehegatten Th. und M. F. weiterverkauft worden war und daß die Erwerber laut Bauakt die Errichtung eines einstöckigen Wohnhauses mit zwei Wohnungen (150,54 m2 und 152,35 m2 Wohnnutzfläche) beabsichtigten. Die Liegenschaft EZ nn war am 15. November 1985 an die Ehegatten H. und Dr.G. D. verkauft worden, welche laut Bauakt die Errichtung eines Wohnhauses mit einer Großwohnung (411,16 m2) und einer Kleinwohnung (36,32 m2 Wohnnutzfläche) beabsichtigten.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1990 schrieb das Finanzamt für den Kaufvertrag vom "28. Juli 1985" - aus der Bemessungsgrundlage ergibt sich - daß der Kaufvertrag vom 28. Juni 1985 gemeint ist - gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. b GrEStG die Grunderwerbsteuer in der Höhe von 8 % der Bemessungsgrundlage vor.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, die Ehegatten F. hätten "Wohnungseigentum (nicht Arbeiterwohnstätten)" geschaffen; die Ehegatten D. hätten noch keine Baubewilligung, es könne noch innerhalb von acht Jahren Wohnungseigentum begründet werden. Es liege Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 GrEStG vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie stellte fest, daß die Beschwerdeführerin die Grundstücke weiterveräußerte, die Erwerber aber nicht die Absicht hätten, Arbeiterwohnstätten zu errichten. Auf § 4 Abs. 1 Zi. 3 lit. b) GrEStG könne sich die Beschwerdeführerin nicht berufen, weil diese Bestimmung nur den Erwerb VON einer Vereinigung zur Schaffung von Wohnungseigentum, nicht aber den vorausgehenden Erwerb DURCH eine solche Vereinigung von der Grunderwerbsteuer befreie.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, laut der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht "auf Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 (1) 3 b GrEStG 1955 verletzt" erachtet.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Unter anderem unterliegt dieser Erwerbsvorgang gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz leg. cit. der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb von acht Jahren vom Erwerber zum begünstigten Zweck verwendet worden ist. Gleiches gilt nach § 4 Abs. 2 dritter Satz leg. cit., wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird. Allerdings gilt nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. ein Grundstück auch dann von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum zum Zweck des Abs. 1 Z. 2 lit. a als verwendet, wenn es von der Vereinigung vor Ablauf von acht Jahren veräußert wurde und noch innerhalb dieses Zeitraumes auf dem Grundstück Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet werden.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie den begünstigten Zweck, den sie in der den in Rede stehenden Kaufvertrag vom 28. Juni 1985 betreffenden Abgabenerklärung angegeben hatte, nicht erfüllte, sondern räumt selbst ein, die Grundstücke in der Folge veräußert zu haben. Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht die Feststellung, daß die Erwerber keine Arbeiterwohnstätten zu errichten beabsichtigen. Sie betont vielmehr auf Grund ihrer Auffassung, Eigentumswohnungen im Sinne des § 4 Abs. 2 zweiter Satz GrEStG seien Eigentumswohnungen gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 leg. cit., daß es nicht auf Größe und Ausstattung, sondern nur auf die Rechtsform ankomme.

Dem ist nicht zu folgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die besondere Ausnahme von der Besteuerung auf Grund des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG schon dann nicht mehr anwendbar, wenn durch die Einreichung der Baupläne manifestiert wird, keine Arbeiterwohnstätte zu errichten. Daran vermag auch eine Aufgabe des befreiungsschädlichen Bauvorhabens nichts zu ändern. Denn die Absicht, auf einem Grundstück eine Arbeiterwohnstätte zu errichten oder nicht, ist ein Willensentschluß, der dann zu einer steuerlich erheblichen Tatsache wird, wenn er durch seine Manifestation in die Außenwelt tritt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/16/0058 m.w.N.).

Wird das Grundstück von der Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum, die den Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG angesprochen hat, vor Ablauf von acht Jahren veräußert und ist es der Erwerber, der vor Ablauf dieser acht Jahre den begünstigten Zweck durch Abstandnahme von der Absicht, Arbeiterwohnstätten zu errichten, aufgibt, dann kann in Anwendung der zum § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. ergangenen, eben erwähnten Rechtsprechung nicht mehr davon gesprochen werden, daß das Grundstück zu dem Zweck des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a leg. cit. als verwendet gilt. Eine andere, isolierte Betrachtung des § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit., daß die Frage, ob "Arbeiterwohnstätten im Wohnungseigentum errichtet werden", erst nach dem gänzlichen Verstreichen des achtjährigen Zeitraumes geprüft werden könnte, würde zu Wertungswidersprüchen führen.

Die Beschwerdeführerin verkennt, daß der im § 4 Abs. 1 Z. 3 GrEStG begünstigte Zweck (Schaffung eines Wohnhauses, Begründung von Wohnungseigentum unabhängig von der Größe und Ausstattung) von § 4 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. nicht erfaßt wird. Auf die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. kann sich die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, nicht berufen.

Die Beschwerde erweist sich daher zur Gänze als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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