Normen
GmbHG §89 Abs1;
GmbHG §89 Abs2;
UStG 1972 §1;
UStG 1972 §2;
GmbHG §89 Abs1;
GmbHG §89 Abs2;
UStG 1972 §1;
UStG 1972 §2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Umsatzsteuer für das Jahr 1986 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde unter anderem über die von der IS Gesellschaft m.b.H. in X (in der Folge kurz: IS-GesmbH) gegen die im Anschluß an eine abgabenbehördliche Prüfung vom Finanzamt an diese Gesellschaft erlassenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1986 und 1987 erhobene Berufung; und zwar dahingehend, daß der Berufung hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1986 teilweise stattgegeben wurde und die Berufung hinsichtlich der vorläufig festgesetzten Umsatzsteuer für das Jahr 1987 als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung dieses Bescheides heißt es sinngemäß im wesentlichen, daß die am 3. Juli 1986 gegründete und am 11. August 1986 im Handelsregister eingetragene IS-GesmbH "unter ihrem Geschäftsführer HD" einen Textilwarenhandel betrieben habe. Mit Kaufvertrag vom 15. Dezember 1986 habe die Gesellschaft alle Aktiven und Passiven der S & Co GesmbH in X (in der Folge kurz: S-GesmbH) zum Stichtag 15. Juli 1986 übernommen, diese Gesellschaft sei jedoch bereits per 17. Juni 1986 von Amts wegen auf Grund des § 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934, RGBl. I. S 914, im Handelsregister gelöscht worden. Als "Einzelprokuristin" (richtig laut dem im Verwaltungsakt, OZ 24 bis 25, erliegenden Handelsregisterauszug: ALLEIN VERTRETUNGSBEFUGTE GESCHÄFTSFÜHRERIN) der S-GesmbH sei bis zu deren amtswegiger Löschung mit Verfügung des Handelsgerichtes vom 15. September 1986 im Handelsregister IS eingetragen gewesen. Der von dieser unterfertigte Kaufvertrag mit dem oben schon genannten Datum 15. Dezember 1986 weise einen mit dem Restkaufpreis identen, (im Jahre 1986 von der IS-GesmbH) als Vorsteuer geltend gemachten Umsatzsteuerbetrag von
S 1,127.087,25 aus. Der Abzug dieser Vorsteuer sei aber im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung deshalb verweigert worden, weil der Kaufvertrag mit einem nicht mehr existenten Unternehmen abgeschlossen worden sei. Diese Beurteilung sei auch nach Ansicht der belangten Behörde zutreffend, weil eine "rechtliche begründete (titulierte) Unternehmensveräußerung" nur im Falle der Bestellung eines Liquidators für die S-GesmbH hätte erfolgen können. Zwar sei es richtig, daß die Unternehmertätigkeit erst mit dem letzten Tätigwerden erlösche, weshalb auch Veräußerungen nach dem Einstellen des Betriebes sowie Geschäftsveräußerungen noch in den unternehmerischen Bereich fielen, dies gelte jedoch nur für Personengesellschaften; bei Kapitalgesellschaften, deren Existenz zivilrechtlich bedingt sei, sei der Form, insbesondere dem Namen und der Registrierung, ein vergleichsweise höherer Stellenwert einzuräumen. "Mangels Registrierung eines Liquidators bei nachträglich aufkommenden Vermögens" könne die gelöschte S-GesmbH im Hinblick auf das Fehlen eines für sie handelnden Organs weder als existent noch als rechts- oder handlungsfähig angesehen werden. Die S-GesmbH gelte damit auch nicht als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, zumal die Unternehmereigenschaft zur Voraussetzung habe, daß ein
- existenter - Unternehmer im Wirtschaftsleben nach außen hin (Dritten gegenüber) in Erscheinung trete. Schließlich baue das UStG auf existenten Personen und Gebilden auf, andernfalls das System einer Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug nicht vollziehbar wäre. Da somit die ehemalige Geschäftsführerin der S-GesmbH mangels Bestellung zur Liquidatorin nicht in der Lage gewesen sei, irgendwelche Rechtsgeschäfte für diese Gesellschaft abzuschließen, habe die IS-GesmbH das Unternehmen der S-GesmbH "rechtsgrundlos in Besitz genommen". Die von der ehemaligen Geschäftsführerin ausgestellte Rechnung habe ein Recht der IS-GesmbH auf Vorsteuerabzug nicht begründen können. Die nachträgliche Rechnungsberichtigung im Jahre 1991, auf Grund derer keine Umsatzsteuer mehr ausgewiesen erscheine, sei für die Umsatzsteuerfestsetzung des Jahres 1986 bedeutungslos.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1987 gab die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides
- soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung - Feststellungen des Prüfers wieder, denen zufolge die S-GesmbH an L (in der Folge L.) in diesem Jahr Ausgangsfakturen im Nettowert von S 1,501.200,-- ausgestellt hat, denen keinerlei Warenbewegungen zugrunde lagen. Im Dezember dieses Jahres sei der IS-GesmbH von L. im Hinblick auf eine "Warenretoursendung" im Wert von netto S 2,174.727,58 eine Gutschrift gewährt worden.
Der zu diesen Feststellungen des Prüfers vernommene L. habe gegenüber dem Finanzamt niederschriftlich angegeben, daß den insgesamt vier näher angeführten Rechnungen keinerlei tatsächliche Warenbewegungen zugrunde gelegen seien. Die Aussage des L. sei weder durch das Vorbringen im Vorlageantrag, daß es sich um eine Schutzbehauptung gehandelt habe, noch auch durch die von der Berufungswerberin vorgelegten, teils unleserlichen Kopien von Lieferscheinen widerlegt worden, zumal die Originallieferscheine im Hinblick auf ihre Übermittlung an einen gerichtlich bestellten Buchsachverständigen zumindest vorübergehend nicht greifbar gewesen seien. Die Lieferscheine stünden nämlich in keinem Zusammenhang mit vier näher bezeichneten Rechnungen; weder die einzelnen Warengruppen, die jeweils gelieferte Warenstückzahl noch die lesbaren Beträge laut Lieferscheinen stimmten mit den ausgestellten Rechnungen überein. Außerdem bestehe zwischen den Lieferscheinen und den Rechnungen auch kein zeitlicher Zusammenhang, da erstere in der Regel vor Erstellung der Rechnung ausgestellt würden, was aber im Beschwerdefall nicht zutreffe, weil die Rechnungen mit 27. Februar, 9. März und 8. April 1987 datiert seien, während die Lieferungen laut Lieferscheinen erst am 22. April, 9. Mai und 10. Juli 1987 stattgefunden hätten. Schließlich werde in der den höchsten Betrag (S 880.000,-- netto) aufweisenden Rechnung auf eine im Verfahren nicht vorgelegte Liste verwiesen. Das Fehlen eines Zusammenhanges zwischen den Lieferscheinen und den Rechnungen werde schließlich noch dadurch erhärtet, daß auf den Lieferscheinen Waren aufschienen, die laut den Rechnungen nicht geliefert worden seien. Im übrigen habe die Berufungswerberin ihre Mitwirkungspflicht im Abgabenverfahren verletzt, weil die zu Büchern oder Aufzeichnungen gehörigen Belege der Abgabenbehörde jederzeit vorgelegt werden müßten. Auch von der von der Berufungswerberin behaupteten "Warenretoursendung" könne auf Grund der Aussage des L. keine Rede sein. Die belangte Behörde messe der Aussage des L. in freier Beweiswürdigung daher höhere Beweiskraft zu als den Sachverhaltsdarstellungen der Berufungswerberin und von deren ehemaligen Geschäftsführer HD, der nach der Aktenlage gegen die erstinstanzlichen Umsatzsteuerbescheide anläßlich seiner Inanspruchnahme als persönlich Haftungspflichtiger gemäß § 248 BAO ebenfalls Berufung erhoben hat. Bei der Beweiswürdigung sei als weiteres Indiz für die Annahme von Scheinfakturen auch berücksichtigt worden, daß für die behaupteten Warenlieferungen entsprechende Buchungen im Rechenwerk des L. fehlten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Umsatzsteuer für das Jahr 1986:
Soweit die belangte Behörde der S-GesmbH im angefochtenen Bescheid die Rechtsfähigkeit und die Fähigkeit, durch IS mit Kaufvertrag vom 15. Dezember 1986 Vermögensgegenstände zu veräußern bzw. die Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG auch für den Fall des Vorhandenseins von Aktivvermögen - von einem solchen Fall geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst aus - nach der Löschung im Handelsregister (jetzt: Firmenbuch) abspricht, verkennt sie insofern die Rechtslage, als sie ungeachtet der Bejahung der nur deklarativen Wirkung der amtwegigen Löschung einer GesmbH im Handelsregister (jetzt: Firmenbuch) und ungeachtet der Bestimmung des ersten Satzes des § 89 Abs. 2 GmbHG, wonach die Geschäftsführer einer GesmbH als Liquidatoren eintreten, wenn nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Gesellschaft eine oder mehrere andere Personen dazu bestellt werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1993, Zl. 91/15/0157), die S-GesmbH im Zeitpunkt des behaupteten Verkaufes ihres Vermögens an die IS-GesmbH bereits als "vollbeendet" und nicht mehr durch IS vertreten ansah und deswegen auch die Unternehmereigenschaft bzw. Vertretung des Unternehmers im umsatzsteuerrechtlichen Sinn als nicht gegeben erachtete. Nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 5. Dezember 1991, Zl. 91/17/0091, sowie Kastner-Doralt-Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5, 444, und den Beschluß des OGH vom 10. April 1991, EvBl 1991/125 mwN) erlischt nämlich eine Gesellschaft mbH nicht schon mit ihrer Auflösung, sondern erst mit ihrer Vollbeendigung, wenn somit kein Abwicklungsbedarf mehr vorhanden ist. Darauf stellt auch die Unternehmereigenschaft ab (vgl. Kolacny-Mayer, UStG, Tz 14 zu § 1). Von einer fehlenden Vertretung der S-GesmbH in der Zeit zwischen ihrer Auflösung und Vollbeendigung kann schon im Hinblick darauf nicht die Rede sein, daß IS als vormalige Geschäftsführerin dieser Gesellschaft ab deren Auflösung als "geborener Liquidator" fungierte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1993, Zl. 91/15/0157).
2. Zur Umsatzsteuer für das Jahr 1987:
Die Beschwerde bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde, vier näher bezeichneten Ausgangsrechnungen der IS-GesmbH an L. bzw. einer "Warenretoursendung" des L. an die IS-GesmbH seien Warenlieferungen bzw. -rücklieferungen tatsächlich nicht zugrunde gelegen. Vor allem wird gerügt, die belangte Behörde hätte nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor die damals nur vorübergehend nicht greifbaren Originallieferscheine einzusehen.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde immerhin über Kopien der ins Treffen geführten Beweismittel verfügte, sodaß sie im Hinblick darauf, daß selbst der Beschwerdeführer nicht behauptet, die Kopien stimmten mit den Originallieferscheinen nicht überein, aus ihrem Inhalt in Verbindung mit dem Inhalt der vier schon erwähnten Ausgangsrechnungen aus den im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Gründen - durchaus nachvollziehbar und im Einklang mit der Lebenserfahrung - darauf schließen konnte, auch mit den Originallieferscheinen seien tatsächliche Warenbewegungen nicht erweisbar. Die behauptete "Warenretoursendung" steht wiederum in einem engen Konnex mit den angeblich vorher erfolgten, aber nach dem eben Gesagten tatsächlich nicht durchgeführten Warenlieferungen; die Beweiswürdigung der belangten Behörde erscheint daher insgesamt schlüssig und beruht auch hinsichtlich der Zeugenaussage des L. auf einem mängelfreien Verfahren.
Da somit die belangte Behörde das Gesetz hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzungen für das Jahr 1986 verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden; im übrigen - nämlich hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1987 - mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
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