VwGH 92/15/0118

VwGH92/15/011814.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Anträge des L in R, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in M, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung von gemäß § 34 Abs. 2 VwGG gesetzten Fristen in den hg. Verfahren Zlen. 92/15/0062, 0063, 0064, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Mit drei gleichlautenden Verfügungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. April 1992 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, die vom Verfassungsgerichtshof abgelehnten und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretenen Beschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4, 5, 6 und Abs. 2 VwGG zu ergänzen, außer dem ergänzenden Schriftsatz zwei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde beizubringen und den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen.

Der Beschwerdeführer entsprach den Verbesserungsaufträgen jeweils in den beiden erstangeführten Punkten, brachte jedoch die ergänzenden Schriftsätze, wie auch auf deren erster Seite jeweils ausdrücklich vermerkt wird, lediglich in einfacher Ausfertigung bei.

Der Verwaltungsgerichtshof stellte daraufhin die Verfahren mit seinen Beschlüssen vom 25. Mai 1992, Zlen. 92/15/0062-0064, gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ein.

Der Beschwerdeführer beantragt nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; dies mit folgender Begründung:

Die Ergänzungsschriftsätze seien von der beim Rechtsanwalt des Beschwerdeführers beschäftigten Rechtsanwaltsanwärterin auf Band diktiert worden. Zu Beginn des Diktates sei der Auftrag an die Kanzleileiterin erteilt worden, die Schriftsätze dreifach dem Verwaltungsgerichtshof zu schicken. Die Kanzleileiterin habe die Schriftsätze ausgeführt und diese gemeinsam mit den Beilagen in die Unterschriftenmappe des Rechtsanwaltes zur Durchsicht und Unterschrift gegeben. Als der Rechtsanwalt die Eingaben unterfertigt habe, hätten sich in der Mappe das Original zuzüglich zwei Kopien dieser Eingaben sowie Kopien der Beilagen befunden. Der Rechtsanwalt habe somit davon ausgehen können, daß von der Kanzleileiterin auftragsgemäß die erforderlichen Ausfertigungen hergestellt worden seien und auch dieses Konvolut von Unterlagen samt Kopien der Schriftsätze der Eingabe beigegeben und an die Behörde gesendet werden würden. Erst durch die Einstellungsbeschlüsse habe sich herausgestellt, daß die Kanzleileiterin zwar Kopien der Schriftsätze hergestellt und diese dem Rechtsanwalt zur Unterschrift vorgelegt, der Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht beigelegt habe. Sie habe vielmehr eine Kopie im Akt zurückgelassen und eine weitere dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme überreicht. Ein solches Versehen sei der Kanzleileiterin noch niemals unterlaufen. Diese sei dadurch irritiert gewesen, daß drei Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof zu richten waren. Sie habe daher den diktierten Auftrag "dreifach" so verstanden, daß ihr am Beginn des Diktates sozusagen die Information erteilt werde, daß drei Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof auszufertigen seien.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein Verschulden des Parteienvertreters ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 656 f zitierte Rechtsprechung).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. die bei Pichler, AnwBl. 1990, 180, angeführte Judikatur) trifft den Rechtsanwalt jedenfalls dann ein Verschulden, wenn er die ihm obliegenden und nach der Sachlage erforderlichen Überwachungs- und Kontrollpflichten nicht wahrnimmt. Einer Überwachung und Kontrolle durch den die Partei vertretenden Rechtsanwalt selbst oder (zumindest) durch einen mit der Sachlage vertrauten rechtskundigen und verläßlichen Substituten bedarf jedenfalls die Erledigung fristgebundener Maßnahmen, wenn die Fristversäumung den Verlust eines Rechtes der Partei zur Folge haben kann. Dies trifft auf Verbesserungsaufträge des Berichters im Sinne des § 34 Abs. 2 erster Satz VwGG zufolge der im letzten Halbsatz der genannten Gesetzesbestimmung angeordneten Rechtsfolge zu (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1990, Zl. 90/08/0148, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Art und Intensität der vom Parteienvertreter über seine Rechtsanwaltskanzlei ausgeübten Kontrolle ist schon im Wiedereinsetzungsantrag darzutun (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1991, Zl. 91/07/0045).

Im vorliegenden Fall erweist - abgesehen davon, daß der Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Behauptungen über Art und Intensität der vom Rechtsanwalt im allgemeinen ausgeübten Kontrolle enthält - schon die Aktenlage, daß der Vertreter des Beschwerdeführers seiner Überwachungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Die Verbesserungsschriftsätze tragen jeweils wenige Zentimeter unterhalb der Unterschrift des Rechtsanwaltes und deutlich hervorgehoben den Vermerk "einfach". Dies bedeutete einen deutlichen Hinweis darauf, daß die Übermittlung der Ergänzungsschriftsätze an den Verwaltungsgerichtshof jeweils (nur) in einfacher Ausfertigung beabsichtigt war. Bei dieser Sachlage wäre der Parteienvertreter selbst dann, wenn sich - der Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag entsprechend - jeweils drei Ausfertigungen der Ergänzungsschriftsätze in der Unterschriftenmappe befanden, verpflichtet gewesen, die Kanzleikraft, die mit der Abfertigung der Verbesserungsschriftsätze betraut war, gesondert darauf hinzuweisen, daß diese dem Verwaltungsgerichtshof jeweils in dreifacher Ausfertigung zu übermitteln wären. Derartiges wird jedoch nicht behauptet. Dem Vertreter des Beschwerdeführers fällt daher ein Verschulden an der Versäumung zur Last, das einen minderen Grad des Versehens im Sinne des Gesetzes übersteigt (vgl. z.B. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1991, Zl. 91/07/0015, vom 14. März 1991, Zl. 91/06/0026, und vom 22. März 1991, Zl. 90/10/0122).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte