VwGH 92/13/0139

VwGH92/13/01393.7.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. März 1992, Zl. 6/3 - 3263/91-06, betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1986 und 1987, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §23;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG §2 Abs2;
EStG §2 Abs3;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §21 Abs1;
BAO §22 Abs1;
BAO §22 Abs2;
BAO §23;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3;
EStG §2 Abs2;
EStG §2 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 13.040,-- S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Gesellschaftergeschäftsführer der Komplementär GmbH einer den Großhandel mit Holzbearbeitungsmaschinen betreibenden GmbH & Co KG (im folgenden: KG). Seine Eltern nahmen die Stellung der Kommanditisten ein. Das Vermögen der KG war zur Gänze ihnen zuzurechnen. Der Beschwerdeführer erwarb im Februar 1985 um den Kaufpreis von 3,250.000,-- Schilling ein Wohn- und Geschäftsgebäude in T. Die Geschäftsräume vermietete er mit Wirkung ab März 1985 um den monatlichen Mietzins von 38.000,-- S zuzüglich Umsatzsteuer an die KG. Die Wohnräume vermietete er um den monatlichen Mietzins von 1.503,-- S an einen Dritten. Für die Jahre 1985 bis 1987 ermittelte er jeweils Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Diese errechnen sich wie folgt, wobei die für 1987 angesetzten Einnahmen eine Umsatzsteuergutschrift darstellen:

1985 1986 1987

Einahmen

inklusive USt 113.305,-- S 118.265,-- S 7.000,-- S

AfA 112.490,-- S 112.490,-- S ---

sonstige

Werbungs-

kosten

(insbesondere

Zinsen) 401.355,-- S 357.140,-- S 20.100,-- S

Verlust 400.540,-- S 351.365,-- S 13.100,-- S

Der Antrag der KG vom 19. September 1986 auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 9. Oktober 1986 mangels Vorhandenseins eines Vermögens abgewiesen. Mit Kaufvertrag vom 5. Dezember 1986 veräußerte der Beschwerdeführer die vermietete Liegenschaft. Im Jänner 1987 wurde über das Vermögen der KG der Konkurs eröffnet.

Das Finanzamt erließ gegenüber dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Jahre 1986 und 1987 Bescheide, mit denen festgestellt wurde, daß die Umsatzsteuer gemäß § 21 Abs. 7 UStG 1972 nicht festgesetzt werde und die Einkommensteuer gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1972 nicht veranlagt werde, weil die Vermietung als Liebhaberei qualifiziert werde.

Der Beschwerdeführer berief gegen diese Bescheide und brachte vor, er habe ab Beginn der Vermietung der Liegenschaft in T mit Einnahmenüberschüssen rechnen dürfen. Nur wegen der Zahlungsschwierigkeiten des Mieters seien die Überschüsse nicht zu erreichen gewesen. Nach der nunmehr geltenden Liebhabereiverordnung müsse die Frage nach dem Vorliegen von Liebhaberei unter Zugrundelegung eines 35 Jahre dauernden Zeitraumes erfolgen. Es liege daher im gegenständlichen Fall eine steuerlich beachtliche Tätigkeit vor, weshalb die Veranlagung für die beiden Streitjahre beantragt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Verluste aus der Vermietung seien darauf zurückzuführen, daß der Ankauf der Liegenschaft fremdfinanziert worden und daher eine hohe Zinsbelastung angefallen sei. Hauptursache für die Verluste sei aber die finanzielle Situation der KG gewesen, weil diese die vereinbarten Mietzinse nicht habe zahlen können. Am 25. Oktober 1985 habe der Beschwerdeführer den schriftlichen Mietvertrag mit der KG abgeschlossen und dabei einen wirtschaftlich angemessenen Mietzins vereinbart, der, wenn er laufend und regelmäßig gezahlt worden wäre, die Erzielung von Einnahmenüberschüssen aus der Vermietung ermöglich hätte. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei die Mieterin zwar noch nicht zahlungsunfähig gewesen, habe sich aber in einer äußerst schlechten wirtschaftlichen Situation befunden. Die Wahrscheinlichkeit, daß die KG bald zahlungsunfähig würde, sei schon im Zeitpunkt des Grundstückserwerbes und im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages sehr hoch gewesen. Das ergebe sich insbesondere aus den von der KG in den Vorjahren erzielten hohen Verlusten, ihrem negativen Betriebsvermögen, der hohen Verschuldung bei Banken und den damit verbundenen Aufwand an Zinsen und Bankspesen und der Übergabe sämtlicher Handelsmaschinen und schließlich sogar der gesamten Betriebs- und Geschäftsausstattung in das Sicherungseigentum ihrer Kreditgeber. Da der Beschwerdeführer die Jahresabschlüsse der KG für die Jahre 1984 und 1985 unterzeichnet habe, sei ihm ihre wirtschaftliche Situation sowohl im Zeitpunkt des Ankaufes der in Rede stehenden Liegenschaft als auch im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages in vollem Ausmaß bekannt gewesen. Der KG sei es auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation nicht möglich gewesen, den im Mietvertrag vom 25. Oktober 1985 vereinbarten Mietzins zu entrichten; sie habe nur Zahlungen leisten können, die nicht einmal ein Viertel des vereinbarten Mietzinses ausmachten und daher bei weitem nicht dazu ausreichten, die Werbungskosten des Beschwerdeführers (Bankzinsen, AfA, etc.) abzudecken. Das Motiv des Beschwerdeführers für die Anschaffung der Liegenschaft sei nicht die Erzielung von Einnahmenüberschüssen, sondern die Rettung der KG vor dem drohenden Konkurs gewesen. Es sollte der KG die Tätigkeit auf dem günstigeren Standort in T. ermöglicht werden. Der Ankauf und die Vermietung der Liegenschaft sei daher der letzte und schließlich der vergebliche Versuch gewesen, den drohenden Konkurs der KG abzuwenden. Als der Konkurs der KG unvermeidlich geworden sei, habe der Beschwerdeführer die Liegenschaft verkauft. Bei Abschluß des Mietvertrages habe eine geringe Möglichkeit, daß die KG noch saniert werde und daraufhin die vereinbarten Mietzinse (einschließlich der rückständigen Mietzinse) zahlen könne, bestanden; selbst wenn aus diesem Grunde für 1985 eine Einkunftsquelle angenommen werden müßte, wäre für die Folgejahre das Vorliegen von Einkünften zu verneinen. Aus dem Sachverständigengutachten der Wirtschaftstreuhänderin Mag. G. ergebe sich, daß die Zahlungsunfähigkeit der KG spätestens Ende Dezember 1985 vorgelegen sei. Im Zuge des beim Landesgericht für Strafsachen Wien gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Strafverfahrens wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida, sei ein Gutachten des Sachverständigen Dr. B. eingeholt worden; aus diesem ergebe sich, daß die Zahlungsunfähigkeit der KG spätestens mit Vorliegen des Jahresabschlusses 1985 am 31. März 1986 klar erkennbar gewesen sei. Im Gutachten des Sachverständigen Dr. B. werde die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit deshalb erst mit März 1986 angegeben, weil auf die Erstellung der Bilanz abgestellt werde. Die Sachverständige Mag. G. habe hingegen aus objektiven Umständen (Andrängen der Gläubiger, ruinöse Umsatzentwicklung, Forderungen der Banken nach weiteren Sicherstellungen, Einstellung der Mietzahlungen, etc.) darauf geschlossen, daß bereits Ende 1985 die Zahlungsunfähigkeit erkennbar gewesen sei. Im gegenständlichen Fall sei der objektive Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der KG und die Kenntnis des Beschwerdeführers von den hiefür entsprechenden Umständen relevant. Diese Kenntnis sei bereits Ende 1985 gegeben gewesen. Trotz dieser Kenntnis habe der Beschwerdeführer nicht die Auflösung des Mietvertrages herbeigeführt, obwohl er infolge der nicht vollständigen Bezahlung des Mietzinses durch den Mieter jederzeit hiezu berechtigt gewesen wäre. Die freiwillige Fortsetzung eines Mietverhältnisses mit einem zahlungsunfähigen Mieter sei aber zweifellos ein Umstand, der das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht ausschließe. Die Vermietung führe daher in den Streitjahren nicht zu einer Einkunftsquelle. Da die Vermietung auf Dauer gesehen Einnahmenüberschüsse nicht erwarten lasse, sei sie gemäß § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 auch nicht als unternehmerische Tätigkeit anzusehen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 1991, V 53/91 u.a., Slg. Nr. 12943, hat der Verfassungsgerichtshof die Rückwirkungsbestimmung des Art. II LVO als verfassungswidrig aufgehoben. Auf Grund der am 21. Februar 1992 erfolgten Kundmachung der Aufhebung im BGBl. Nr. 106/1992 war die LVO ab diesem Tag nicht mehr auf den dem Beschwerdefall zugrundezulegenden Sachverhalt (Jahre 1986 und 1987) anzuwenden. Der angefochtene Bescheid wurde am 10. März 1992 durch Zustellung an den Beschwerdeführer erlassen. Er ist daher vom Verwaltungsgerichtshof am Maßstab der Rechtslage vor Inkrafttreten der LVO zu prüfen (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, 92/15/0087).

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/13/0171, auf dessen ausführliche Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof durch einen verstärkten Senat ausgesprochen: Dem Gesetz ist zu entnehmen, daß eine Betätigung nur dann als Einkunftsquelle anzusehen ist, wenn nach der ausgeübten Art der Betätigung objektive Ertragsfähigkeit vorliegt, dh wenn nach der konkreten Art der Wirtschaftsführung ein positives steuerliches Gesamtergebnis innerhalb eines absehbaren Zeitraumes erzielbar ist. Ergibt die Prüfung der objektiven Ertragsfähigkeit kein eindeutiges Bild, so ist zu prüfen, ob die Betätigung mit subjektivem Ertragsstreben, also dem Streben nach Erzielung eines positiven steuerlichen Gesamtergebnisses, ausgeübt wird, wobei dieses Streben durch das Handeln nach Wirtschaftlichkeitsprinzipien zu identifizieren ist. Die Einkunftsquelleneigenschaft kann nicht deshalb verneint werden, weil trotz Vorliegens objektiver Ertragsfähigkeit einer Betätigung im Einzelfall aufgrund von Unwägbarkeiten ein Gesamterfolg nicht - innerhalb eines bestimmten Zeitraumes - erzielt worden ist. Nicht ein tatsächlich erwirtschafteter Gesamterfolg, sondern die objektive Eignung der Betätigung zur Erwirtschaftung eines solchen, subsidiär das nach außen in Erscheinung tretende Streben des Tätigen nach einen solchen Erfolg hat somit als Tatbestandsvoraussetzung des Vorliegens von Einkünften zu gelten.

Ob eine konkrete Betätigung objektiv geeignet ist, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes lohnend zu gestalten, ist eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage. Gleiches gilt für die Frage, ob der Steuerpflichtige einen Gesamtgewinn (Einnahmenüberschuß) überhaupt erzielen will.

Soweit die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die objektive Ertragsfähigkeit der Betätigung ausschließt, hält ihre Beweiswürdigung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand. Sie hat festgestellt, das in Rede stehende Mietverhältnis beinhalte einen angemessenen Mietzins, der

Wenn die Behörde das subjektive Streben des Beschwerdeführers nach Einnahmenüberschüssen deshalb ausschließt, weil sie annimmt, er habe primär die KG sanieren wollen, so erweist sich diese Überlegung als nicht schlüssig, weil die Sanierung der KG ja grundsätzlich auch zu einer positiven Entwicklung der Vermietung geführt hätte.

Wird eine objektiv ertragsfähige Betätigung aufgenommen und stellt sich sodann die Gewinnsituation aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Vertragspartners nicht ein, so wird Liebhaberei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht anzunehmen sein, wenn der Steuerpflichtige sein Streben nach Gewinnerzielung durch eine nach Wirtschaftlichkeitsgrundsätzen orientierte, rasche Reaktion dokumentiert.

Soweit die belangte Behörde für die Jahre 1986 und 1987 das subjektive Streben nach Erzielung eines Einnahmenüberschusses deshalb ausschließt, weil seit Ende 1985 die Zahlungsunfähigkeit der KG gegeben und auch dem Beschwerdeführer bekannt gewesen sei und dieser trotzdem das Mietverhältnis nicht beendet habe, erweist sich ihr Gedankengang als nicht schlüssig. Der Beschwerdeführer hat unwidersprochen vorgebracht, daß die anderweitige Vermietung der Liegenschaft nicht möglich gewesen sei. Er hat aber noch innerhalb eines Jahres nach Erkennen der Zahlungsunfähigkeit der Mieterin sein Vermietungsprojekt durch Beendigung des Mietvertrages und Veräußerung der Liegenschaft beendet. Wenn er für den kurzen Zeitraum bis zur Veräußerung das Mietverhältnis aufrecht erhalten hat und damit - anders als im Fall des Leerstehens des Objektes - zumindest eine geringe Miete vereinnahmen konnte, so ist dieses Gesamtverhalten nicht als dem Wirtschaftlichkeitsprinzip widersprechend anzusehen. Der Verlust des Jahres 1987 resultiert nicht mehr aus einer Vermietung; er ist darauf zurückzuführen, daß Vorgänge des Jahres 1986 erst im Folgejahr zu einem Zufluß bzw. Abfluß geführt haben.

In der Gegenschrift verweist die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer die Liegenschaft an die KG vermietet habe, an deren Vermögen (ausschließlich) seine Eltern beteiligt gewesen seien. Es wären daher auf den Mietvertrag die Kriterien der Verträge zwischen nahen Angehörigen anzuwenden. Derartige Verträge könnten ua nur dann Anerkennung finden, wenn sie auch unter Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Die Vermietung an einen überschuldeten Vertragspartner halte aber einem Fremdvergleich nicht stand. Mit diesem Vorbringen verkennt die belangte Behörde, daß die Kriterien, die die Rechtsprechung zur Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen entwickelt hat, die Ebene der Beweiswürdigung treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1991, 89/13/0093). Im gegenständlichen Fall wurde allerdings in der Sachverhaltsfeststellung des angefochtenen Bescheides der Abschluß eines verbindlichen Mietvertrages nicht in Zweifel gezogen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz der Beilagengebühr konnte für die Vorlage nur einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zugesprochen werden.

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