VwGH 92/12/0131

VwGH92/12/013123.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Mai 1992, Zl. II/1-BE-99-13/1-92, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
GdBGehaltsO NÖ 1976 §46;
GdO NÖ 1965 §61;
AVG §56;
GdBGehaltsO NÖ 1976 §46;
GdO NÖ 1965 §61;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Baudirektor der Stadtgemeinde X in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur genannten Stadtgemeinde. In dem Aufnahme- und Ernennungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 26. April 1988 wurde die dienst- und besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers als Inhaber eines Dienstpostens des Dienstzweiges Nr. 46 (Gehobener Bau-, Vermessungs- und technischer Dienst) Verwendungsgruppe B, Dienstklasse V, Schema II, der NÖ Gemeindebeamtengehaltsordnung 1976 (GBGO), LGBl. Nr. 2440-5, in der Gehaltsstufe 2 bestimmt und eine Personalzulage gemäß § 46 Abs. 7 und 8 GBDO im Ausmaß von 30 v.H. mit S 5.637,30 bemessen.

Dieser Bescheid enthält keinen Hinweis darauf, daß mit der genannten Personalzulage eine quantitative Mehrleistung (Überstunden) abgegolten sei.

Am 18. September 1991 beschloß der Gemeinderat der Stadtgemeinde X, daß mit der genannten Personalzulage für den Beschwerdeführer 13 Überstunden abgegolten seien. Dies wurde dem Beschwerdeführer mit folgender vom Bürgermeister gefertigter Erledigung vom 11. November 1991 mitgeteilt:

"Der Gemeinderat der Stadtgemeinde X hat in seiner Sitzung vom 18. September 1991 einstimmig beschlossen, daß mit der Ihnen in der Sitzung des Gemeinderates vom 15. Februar 1988 zuerkannten Personalzulage gemäß § 46 Abs. 7 und 8 GBDO i. d.g.F. eventuell anfallende Überstunden in einer Gesamtzahl von 13 Stunden abgegolten sind."

Gegen diese vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete Erledigung erhob er Berufung, die er im wesentlichen damit begründete, bei der Personalzulage laut Aufnahme- und Ernennungsbescheid vom 26. April 1988 handelte es sich um eine rein qualitative Zulage, die gemäß § 46 Abs. 8 GBDO auf Grund der Bedeutung und der Verantwortung des Dienstpostens bemessen worden sei. Durch den bekämpften Bescheid sei der qualitative Teil der Personalzulage (100 %) vermindert worden, ohne daß im Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers Änderungen eingetreten seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die als Vorstellung gewertete Berufung des Beschwerdeführers gegen die Erledigung der Stadtgemeinde X vom 11. November 1991 betreffend die Personalzulage gemäß § 61 Abs. 2 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. Nr. 1000-6, als unzulässig zurück. Begründend wird nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, gemäß § 61 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung 1973 könne nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behaupte. Der Beschwerdeführer habe seine Eingabe vom 21. November 1991 als "Berufung" bezeichnet. Aus der Eingabe sei zu erschließen, daß der Beschwerdeführer die Aufhebung der Erledigung der Stadtgemeinde X vom 1. November 1991 begehre. Diese vom Bürgermeister gefertigte Erledigung nehme auf den Beschluß des Gemeinderates der Stadtgemeinde vom 18. September 1991 Bezug. Für den Adressaten sei erkennbar, daß damit eine Entscheidung des Gemeinderates intimiert werde. Gegen Entscheidungen des Gemeinderates wäre jedoch keine Berufung, sondern lediglich eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde möglich. Vom offensichtlichen Sinn der Eingabe ausgehend sehe die Aufsichtsbehörde diese Eingabe als Vorstellung im Sinn des § 61 NÖGO, die rechtzeitig bei der Stadtgemeinde X eingebracht worden sei. Trotzdem sei die Vorstellung unzulässig. Das Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde vom 11. November 1991 sei weder als Bescheid bezeichnet, noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung unterteilt. Es sei aber auch nicht als Weisung gekennzeichnet. Auch sonst sei in keiner Weise objektiv erkennbar, ob die Stadtgemeinde X diese Erledigung in Form eines Bescheides oder einer Weisung erlassen habe wollen. Im Schreiben werde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß mit seiner Personalzulage auch 13 (eventuell anfallende) Überstunden abgegolten würden. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 46 Abs. 7 und 8 GBDO wird ausgeführt, das Recht auf Bezug der Personalzulage hänge hinsichtlich der Entstehung und des Bestandes kraft Gesetzes von der Innehabung eines Leiterpostens ab. Es bedürfe keines Bescheides zur Begründung oder Beendigung dieser Rechte (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1991, Zl. 88/12/0090). Mit dem vom Beschwerdeführer bekämpften Schreiben werde weder das Recht auf Bezug der Personalzulage beendet noch die Höhe der Personalzulage geändert. Dem Gemeindebeamten werde vielmehr mitgeteilt, daß der Gemeinderat bei Festsetzung der Höhe der Personalzulage in der Sitzung vom 15. Februar 1988 von einem "Ausmaß der Mehrdienstleistung" von 13 Stunden ausgegangen sei. Bei der Festsetzung der Personalzulage habe gemäß § 46 Abs. 8 GBDO der Gemeinderat einerseits auf die Bedeutung der Dienststellung und ihrer Verantwortlichkeit (qualitative Komponente) andererseits auf das Ausmaß der Mehrdienstleistung (quantitative Komponente) Bedacht zu nehmen (Hinweis auf Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1989, Zl. 88/13/0184). Mit dem bekämpften Schreiben sei daher keine Verfügung hinsichtlich des Bestandes bzw. der Höhe der Personalzulage getroffen worden, sondern nur die Entscheidungsgrundlage, von der der Gemeinderat bei der Festsetzung der Höhe der Personalzulage gemäß § 46 Abs. 8 GBDO ausgegangen sei, mitgeteilt. Dem Schreiben der Stadtgemeinde X vom 11. November 1991 komme daher keine Bescheidqualität zu, weshalb die Vorstellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Äußerung abgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist ausschließlich die Frage, ob die Zurückweisung der Vorstellung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde zu Recht ergangen ist oder nicht. Für die Entscheidung dieser Frage ist die Bescheidqualität der Erledigung des Bürgermeisters der Mitbeteiligten vom 11. November 1991 zu prüfen, deren Wortlaut oben wiedergegeben worden ist. Der mit Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 11. November 1991 intimierte Beschluß des Gemeinderates ist nach der Rechtsauffassung der belangten Behörde deshalb nicht als Bescheid zu werten, weil ihm ein normativer Abspruch fehle. Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgeltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. N.F. Nr. 9458/A). Durch den vom Bürgermeister intimierten Gemeinderatsschluß wurde erst das Ausmaß der quantitativen Mehrleistung, die bei der Bemessung der dem Beschwerdeführer schon bei seiner Ernennung zuerkannten Zulage nach § 46 Abs. 7 und 8 GBDO zugesprochenen Zulage festgelegt. Durch diese Feststellung wurde aber die dienst- und besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers näher bestimmt, da die mitbeteiligte Partei offenbar davon ausging, daß ohne eine solche Feststellung das Ausmaß der vom Beschwerdeführer ohne Abgeltung zu erbringenden Überstunden nicht feststehe, während der Beschwerdeführer von der Meinung ausgeht, durch die ihm bei der Ernennung bemessene Zulage werde ausschließlich die qualitative Komponente seiner Leistung abgegolten.

Diese Frage ist aber nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Vielmehr ergibt sich aus der von der Mitbeteiligten getroffenen Feststellung eindeutig, daß es sich um einen normativen (feststellenden) Bescheid handelt, durch den die dienst- und besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers näher bestimmt wurde. Daraus folgt aber auch schon, daß die belangte Behörde durch die Zurückweisung der richtig als Vorstellung zu wertenden als Berufung bezeichneten Eingabe des Beschwerdeführers ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat, sodaß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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