VwGH 92/11/0206

VwGH92/11/020615.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in R, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 14. August 1992, Zl. 8V-FE-195/5/1992, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litg;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75;
StGB §88 Abs1;
StGB §88 Abs4;
StGB §94 Abs1;
StGB §94 Abs2;
AVG §64 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litg;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75;
StGB §88 Abs1;
StGB §88 Abs4;
StGB §94 Abs1;
StGB §94 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm der Führerschein nicht vor Ablauf von drei Monaten von der Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 27. Juli 1992 - das ist der 31. Juli 1992, somit nicht vor dem 31. Oktober 1992 - wieder ausgefolgt werden darf; die belangte Behörde bestätigte ferner den Ausspruch der Erstbehörde, daß der Berufung gegen den Erstbescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer ist mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22. November 1991 rechtskräftig der Begehung von Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs. 1 und 4 StGB) und des Imstichlassens eines Verletzten (§ 94 Abs. 1 StGB) für schuldig erkannt worden, weil er am 28. September 1991 einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verschuldet und es nach dem Unfall unterlassen habe, einem Schwerverletzten die erforderliche Hilfe zu leisten. Das Oberlandesgericht Graz hat mit Urteil vom 13. März 1992 der Berufung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt Folge gegeben und den Tagessatz betreffend die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe erhöht. In dieser strafbaren Handlung erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. g KFG 1967.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, daß eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 KFG 1967 vorliegt, die seine Verkehrsunzuverlässigkeit indiziert. Er vermeint aber, daß die Wertung dieser bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 zu dem Ergebnis hätte führen müssen, daß daraus nicht auf die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers hätte geschlossen werden dürfen. Er stützt sich dabei darauf, daß außer dem Vorfall vom 28. September 1991 nichts gegen ihn vorliege und daß seit diesem Vorfall eine ausreichend lange Zeit verstrichen sei, um im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde bereits wieder von der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist damit nicht im Recht. Die belangte Behörde ging - ebenso wie die Erstbehörde, deren Bescheid sie in Ausübung der Kontrollfunktion (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.327/A) bestätigte - davon aus, daß der Beschwerdeführer auf Grund des Vorfalles als verkehrsunzuverlässig anzusehen sei und daß die Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf von etwa 13 Monaten nach der Begehung der strafbaren Handlung wieder hergestellt sein werde.

Die Verwerflichkeit einer strafbaren Handlung wie der vorliegenden ist "schon an sich" gegeben (vgl. das Erkenntnis vom 21. Mai 1986, Zl. 84/11/0280). Besondere, die Verwerflichkeit erhöhende Umstände hat die belangte Behörde nicht angenommen. Sie hat im Gegenteil in ihre Beurteilung einbezogen, daß sich der Beschwerdeführer - "abgesehen von einigen, nicht allzu gravierenden Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung" - bisher wohlverhalten habe. Was die Zeit seit 28. September 1991 anlangt, hat sie zutreffend hervorgehoben, daß unter dem Gesichtspunkt des Wertungskriteriums der seit der strafbaren Handlung verstrichenen Zeit jene Zeit, in der das gerichtliche Strafverfahren anhängig war, von minderem Gewicht ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat gegen diese Überlegungen keine Bedenken. Es spielt auch eine Rolle, daß die "nicht allzu gravierenden Übertretungen der Straßenverkehrsordnung" drei Geschwindigkeitsüberschreitungen sind, die bei der Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 mit zu berücksichtigen sind.

Es kann daher entgegen den Beschwerdeausführungen nicht davon die Rede sein, daß das Wohlverhalten des Beschwerdeführers zwischen dem 28. September 1991 und dem 31. Juli 1992 - also durch etwa acht Monate (wenn die Dauer des strafgerichtlichen Verfahrens abgezogen wird) - den Charakter des Beschwerdeführers bereits in einem derartig günstigeren Licht erscheinen läßt, daß sein strafbares Verhalten vom 28. September 1991 nicht mehr gegen ihn ins Gewicht fiele. Solches hat der Verwaltungsgerichtshof erst bei wesentlich längeren Zeiträumen angenommen (vgl. außer dem bereits zitierten Erkenntnis vom 21. Mai 1986 die Erkenntnisse vom 19. Februar 1986, Zl. 84/11/0050, und vom 4. Oktober 1988, Zl. 88/11/0077). Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer der Aktenlage nach spätestens seit 25. Juni 1992 (der Zustellung einer Aufforderung zur Stellungnahme) in Kenntnis des gegen ihn anhängigen Entziehungsverfahrens war. Da die belangte Behörde lediglich in Ausübung der Kontrollfunktion tätig war (siehe oben), kam es nur auf die Zeit bis zur Erlassung des Erstbescheides und nicht auf die Zeit bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides an.

Daß eine (gerichtliche) Strafe bereits geeignet sei, den Verurteilten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und daß daher eine zusätzlich verfügte Entziehung der Lenkerberechtigung entbehrlich sei, trifft ebenfalls nicht zu. Einerseits verfolgt die Bestrafung einen zum größten Teil anderen Zweck als die Entziehung der Lenkerberechtigung - worauf der Beschwerdeführer in anderem Zusammenhang selbst hinweist -, andererseits liegt Verkehrsunzuverlässigkeit eines Kraftfahrzeuglenkers immer als Folge von ihm begangener strafbarer Handlungen vor und ergibt sich kein rechtlicher Anhaltspunkt dafür, daß die Bestrafung und die Entziehung der Lenkerberechtigung einander ausschließen würden.

In Ansehung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid ist der Beschwerdeführer auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es im öffentlichen Interesse geboten ist, eine als verkehrsunzuverlässig erkannte Person von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen (vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 1989, Zl. 88/11/0237).

Daß dem Beschwerdeführer im Zuge der Gewährung des Parteiengehörs die Absicht, ihm die Lenkerberechtigung zu entziehen, mitgeteilt wurde, er gegen diese Ankündigung Berufung erhoben hat und darüber nicht entschieden worden ist, hat keinen Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides; dies schon deswegen, weil dieser Ankündigung ganz offenkundig kein Bescheidcharakter zugekommen ist.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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