VwGH 92/10/0050

VwGH92/10/005025.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Jänner 1992, Zl. VI/4-Fo-203, betreffend Wiederbewaldungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
ForstG 1975 §1 Abs2;
ForstG 1975 §13 Abs1;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
VVG §4 Abs1;
AVG §59 Abs1;
ForstG 1975 §1 Abs2;
ForstG 1975 §13 Abs1;
ForstG 1975 §172 Abs6 lita;
VVG §4 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund einer Erhebung durch Forstaufsichtsorgane der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (BH) am 1. März 1989 wurde festgestellt, daß eine 600 m2 große Teilfläche der Parzelle nn, KG X, in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses der Beschwerdeführerin ohne Rodungsbewilligung gerodet worden sei.

In einer Stellungnahme vom 16. März 1989 vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß ihrer Ansicht nach keine Rodung im Sinne des § 17 des Forstgesetzes 1975 (in der Folge: ForstG), das heißt nicht die Beseitigung eines Waldgrundstückes, sondern nur ein "Tausch" innerhalb des eigenen Besitzes vorgenommen worden sei. Es bestehe die Absicht, den Verlauf des Waldrandes wegen der Anlage eines Tennisplatzes für den eigenen Bedarf geringfügig zu korrigieren. Es handle sich dabei um eine Fläche von 576 m2, wovon mindestens ein Viertel schon seit Jahrzehnten als Wäsche- und Mistablageplatz des Hausbereiches ohne jeglichen Baumbestand Verwendung finde. Für den Fall, daß das Anliegen rasche und unbürokratische Unterstützung finde, werde das Angebot gemacht, das Doppelte des echten Waldverlustes (2 x etwa 400 m2) auf bisherigen Nichtwaldflächen aufzuforsten. Es werde ersucht, dieses Schreiben als Ansuchen um Bewilligung des geringfügigen Flächentausches zu werten.

Mit Schreiben vom 17. April 1989 legte die Beschwerdeführerin einen Lageplan im Maßstab 1 : 2000 vor. Daraus ergibt sich im wesentlichen, daß die Rodungsfläche nordwestlich des unbestockten Hofbereiches und zum überwiegenden Teil (etwa 450 m2) außerhalb davon liegt.

Die BH veranlaßte am 27. Juni 1989 an Ort und Stelle eine mündliche Verhandlung, wobei der Beschwerdeführerin empfohlen wurde, von der Rodung der im Antrag bezeichneten Teilfläche (mangels des Fehlens öffentlicher Interessen) Abstand zu nehmen. Da sich neben der beantragten Rodefläche (im Hofbereich) ein Bauareal sowie eine Hausgartenfläche befinde, die schon über einen längeren Zeitraum hindurch unbestockt sei, werde ihr empfohlen, für diese Teilfläche die Feststellung nach § 5 ForstG zu beantragen, daß es sich dabei nicht um Wald handle. Der forsttechnische Amtssachverständige erstattete gleichzeitig ein Gutachten, wonach sich im Hofbereich, nörd-, west- und südlich des bestehenden Wohnhauses auf etwa 2.000 m2 ein Gemüsegarten, ein Wäscheplatz und eine Wiese befänden. Diese Fläche sei seit rund 25 Jahren unbestockt und daher nach § 5 ForstG nicht als Wald anzusehen. Die Beschwerdeführerin änderte ihr Ansuchen um Erteilung einer Rodungsbewilligung auf Feststellung im Sinne des § 5 ForstG.

Mit Bescheid vom 29. Juni 1989 stellte die BH fest, daß die Teilfläche des Grundstückes Nr. 1334 im Ausmaß von ca. 2.000 m2 nicht Wald im Sinne des Forstgesetzes sei. Diese Fläche sei in dem beiliegenden Lageplan, der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilde, grün umrandet eingezeichnet. In dem erwähnten Lageplan ist der Hofbereich (Wohnhaus sowie der umliegende Bereich von etwa 2.000 m2) grün umrandet.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Bei einer neuerlichen Erhebung am 6. Februar 1991 wurde festgestellt, daß der Tennisplatz im wesentlichen auf der "ursprünglich gerodeten Fläche" errichtet wurde.

Die Beschwerdeführerin erklärte in einer Stellungnahme vom 10. Mai 1991, daß der Tennisplatz entsprechend der Verhandlung vom 27. Juni 1989 wunschgemäß zurückversetzt und nur auf der mit Bescheid vom 29. Juli 1989 als Nicht-Wald festgestellten Teilfläche errichtet worden sei.

Nach einer Stellungnahme des Bezirksforsttechnikers vom 3. Juni 1991 wurde die "Rodefläche" zwar um ca. 10 m in Richtung Osten (zum Wohnhaus hin) zurückversetzt, der Tennisplatz aber dennoch zum Großteil (430 m2) auf Waldboden (auf der "ursprünglich gerodeten Fläche") angelegt. Die Aussage, daß der Tennisplatz nur auf der bescheidmäßig als Nicht-Wald festgestellten Teilfläche errichtet worden sei, sei daher unrichtig.

In einer Stellungnahme vom 4. Juli 1991 zum Schreiben des Bezirksforsttechnikers vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, die Annahme, der Tennisplatz komme mit 430 m2 auf Waldboden zu liegen, sei wegen des "schematischen Charakters" des Lageplanes weit übertrieben. Der überwiegende Teil des wunschgemäß versetzten Tennisplatzes komme nämlich auf der (bei der Verhandlung vom 27. Juni 1989) tatsächlich festgestellten Nicht-Wald-Fläche zu liegen, die vorher jahrzehntelang Wäscheplatz gewesen sei. Es gebe Detailunterschiede zwischen der geradlinigen Planskizze des Bescheides (der nach dem Prinzip richtig sei) und dem tatsächlichen alten Waldrand, der nicht geradlinig verlaufen sei, was man auch jetzt noch sehe. Da in der Zwischenzeit Aufforstungen durchgeführt worden seien, sei die Gesamtwaldfläche insgesamt sogar noch um einige Quadratmeter größer geworden.

Der Stellungnahme der Beschwerdeführerin war ein Lageplan angeschlossen, aus dem sich ergibt, daß sich der errichtete Tennisplatz teilweise im Nordwesten des Hofbereiches sowie einem daran anschließenden Bereich befindet, wo teilweise Wald gerodet bzw. überhaupt nie Wald war.

Mit Bescheid der BH vom 1. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführerin die Wiederaufforstung jener gerodeten Teilfläche des Grundstückes nn, KG X, im Ausmaß von 430 m2 aufgetragen, die außerhalb der mit Bescheid der BH vom 29. Juni 1989 als Nicht-Wald im Sinne des Forstgesetzes festgestellten Teilfläche im Ausmaß von ca. 2.000 m2 liege. Bei der Aufforstung seien ausschließlich die Pflanzenarten Eiche und Weißkiefer zu verwenden. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens vertrat die BH im wesentlichen die Auffassung, daß der Tennisplatz zum Großteil (430 m2) auf Waldboden angelegt sei. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß der Tennisplatz nur auf der bescheidmäßig als Nicht-Wald festgestellten Teilfläche errichtet worden sei, sei daher nicht richtig.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie vertrat die Auffassung, daß die "ursprünglich gerodete Waldfläche" unter 500 m2 gelegen sei. Durch die Zurückversetzung des Tennisplatzes um ca. 10 m in Richtung Osten sei ein Bereich von etwa 165 m2 neu aufgeforstet worden. Es verbleibe somit eine Rodefläche von ca. 335 m2. Da südlich des Tennisplatzes ca. 250 m2 Grund aufgeforstet worden sei, verbleibe rechnerisch höchstens ein Waldverlust von 85 m2.

Die belangte Behörde holte Befund und Gutachten eines forstlichen Sachverständigen ein. Dieser bestätigte die Feststellungen des Bezirksforsttechnikers vom 3. Juni 1991. Der angelegte Tennisplatz stelle eine radikale Unterbrechung der gleichförmigen Kiefernbestände der benachbarten Flächen dar. Das Fehlen eines geschlossenen Waldrandes und die noch nicht verwachsenen Erdränder entlang dem waagrecht planierten Platz wiesen auf einen Eingriff in ein geschlossenes Waldsystem hin. Bei einer Erhebung vor Ort sei die Richtigkeit der erhobenen Maße des Tennisplatzes festgestellt worden. Die Fläche des illegal verwendeten Waldbodens mit 430 m2 sei zu bestätigen. Da keine Rodungsbewilligung für diese Fläche vorliege, seien auch die sonstigen freiwilligen Ersatzaufforstungen gegenstandslos.

In einer schriftlichen Stellungnahme vom 23. Dezember 1991 zum Gutachten des amtlichen Sachverständigen vertrat die Beschwerdeführerin wiederum die Auffassung, daß der überwiegende Teil des Tennisplatzes nie Wald gewesen sei. Dort habe sich nämlich ein Wäscheplatz befunden. Im übrigen sei der Wald aufgrund der vorgenommenen Ersatzaufforstungen größer geworden. Der Tennisplatz sei deshalb nicht in den Süden des Hofbereiches verlegt worden, weil dort aufgrund der Abschüssigkeit des Bodens die Kosten dafür enorm erhöht worden wären.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt. Nach der Begründung sei im bisherigen Verwaltungsverfahren unwidersprochen geblieben, daß zur Anlage des Tennisplatzes verbotenerweise Waldgrund verwendet worden sei. Eine durchgeführte Ersatzaufforstung hätte in einem Rodungsbewilligungsverfahren dann rechtliche Bedeutung gehabt, wenn zuvor ein überwiegendes öffentliches Interesse an der forstfremden Verwendung der Waldfläche hervorgekommen wäre. In einem Verfahren zur bestimmungsgemäßen Rückführung einer widerrechtlich gerodeten Waldfläche könne jedoch dem Einwand einer getätigten Ersatzaufforstung und einer die Gesundheit fördernden Betätigungsmöglichkeit (gemeint: Tennisspielen) keine rechtliche Bedeutung beigemessen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin ein Wiederbewaldungsauftrag nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG erteilt.

Nach der genannten Gesetzesstelle hat die Behörde, wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.

Voraussetzung für die Erteilung eines forstbehördlichen Wiederbewaldungsauftrages nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG ist, daß es sich bei der wiederzubewaldenden Fläche zum Zeitpunkt des Beginnes der widerrechtlichen Entfernung des forstlichen Bewuchses und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des Forstgesetzes gehandelt hat. Dabei kommt es allerdings auf das Vorhandensein eines forstlichen Bewuchses nicht an; der Waldeigentümer ist nach § 13 ForstG verpflichtet, auch Kahlflächen, also Waldflächen ohne jeglichen Waldbewuchs (§ 1 Abs. 7; vgl. auch § 1 Abs. 2 ForstG), rechtzeitig wieder zu bewalden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. Oktober 1994, Zl. 93/10/0227, mit weiteren Judikaturhinweisen).

In der Beschwerde wird die Auffassung der belangten Behörde in Abrede gestellt, daß der Tennisplatz auf Waldboden errichtet worden sei. Er befinde sich zum überwiegenden Teil auf einer Fläche, die schon vorher jahrzehntelang als Wäscheplatz benützt worden sei, weshalb diese Fläche nicht als Wald qualifiziert werden könne. Die Feststellung der belangten Behörde, im bisherigen Verfahren sei unwidersprochen geblieben, daß zur Anlage des Tennisplatzes Waldgrund verwendet worden sei, sei daher unrichtig und aktenwidrig.

Dieses Vorbringen erweist sich als zutreffend: Die Beschwerdeführerin hat nämlich bereits in ihrer Stellungnahme zu den Ausführungen des Bezirksforsttechnikers vom 4. Juli 1991 und in ihrer Stellungnahme zu dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 23. Dezember 1991 unter Vorlage von Planskizzen darauf hingewiesen, daß ihrer Ansicht nach der Tennisplatz zum überwiegenden Teil auf einer Fläche angelegt worden sei, die wegen ihrer Verwendung als Wäscheplatz nie Wald gewesen sei. Bei dem diesbezüglich erstatteten Vorbringen in der Beschwerde handelt es sich daher nicht - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint - um eine erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattete Behauptung, auf die wegen des bestehenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 VwGG) nicht einzugehen sei. Mit diesen Vorbringen der Beschwerdeführerin haben sich allerdings weder die BH noch die belangte Behörde auseinandergesetzt. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der BH vom 29. Juni 1989 wurde eine Teilfläche des Grundstückes der Beschwerdeführerin im Ausmaß von ca. 2.000 m2 als Nicht-Wald festgestellt. Dabei handelt es sich entsprechend dem als wesentlicher Bestandteil des Bescheides anzusehenden Lageplan um den Hofbereich um das Wohnhaus der Beschwerdeführerin. Eine Feststellung über die Waldeigenschaft der in Rede stehenden Fläche wurde damit nicht getroffen.

Damit steht außer Streit, daß der Tennisplatz - zumindest zum Teil - auf Waldboden errichtet worden ist. Dafür sprechen sowohl die den Stellungnahmen vom 4. Juli 1991 und 23. Dezember 1991 angeschlossenen Planskizzen als auch das in der Berufung erstattete Vorbringen bezüglich eines eingetretenen "Waldverlustes". Die belangte Behörde hat aber nähere Feststellungen unterlassen, die zu einer entsprechend genaueren Umschreibung der vom Wiederbewaldungsauftrag betroffenen Fläche hätten führen können. Damit belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Mangels einer diesbezüglichen Trennbarkeit des Spruches des angefochtenen Bescheides war dieser zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Ferner ist auf folgendes hinzuweisen:

Ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG auferlegt wird, muß im übrigen so bestimmt sein, daß nötigenfalls eine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung möglich ist. Die Behörde hat der Vollstreckbarkeit wegen die zu setzenden Pflanzen nicht nur nach botanischer Art und Qualität, sondern nach Anzahl oder Pflanzenabstand vorzuschreiben (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 3. August 1995, Zl. 95/10/0065). Diesen Anforderungen entspricht die im Beschwerdefall erteilte bloße Verpflichtung zur Aufforstung mit den Pflanzenarten Eiche und Weißkiefer nicht. In Anbetracht der strittigen örtlichen Verhältnisse erschiene auch eine nähere wörtliche Umschreibung der Aufforstungsfläche bzw. die Erstellung eines Lageplanes, der Bestandteil des Bescheidspruches wäre, angebracht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1994, Zl. 93/10/0227).

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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