VwGH 92/08/0098

VwGH92/08/009821.9.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 10. März 1992, Zl. IV b/69-34/1990, betreffend Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: Dr. M), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §44 Abs1;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs3 Z20;
ASVG §50;
EStG 1988 §26 Z5;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1993:1992080098.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. Juli 1990 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß der an den Dienstnehmer P für Fahrten vom Dienstort zum Wohnort und zurück vom Dienstgeber (Dr. M) kostenlos zur Verfügung gestellte PKW als Sachbezug gemäß § 50 ASVG und somit gemäß § 49 Abs. 1 ASVG als Entgelt entsprechend der Sachbezugsbewertung der Finanzlandesdirektion anzusehen sei. Eine Ausnahme vom beitragspflichtigen Entgelt gemäß § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG bestehe nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Einspruch, im wesentlichen mit der Begründung, § 50 ASVG stelle lediglich fest, wie ein Sachbezug zu bewerten sei, der nicht unter die Befreiungsbestimmung des § 49 Abs. 3 falle. § 50 ASVG enthalte jedoch keine Angaben darüber, welche Verdienstbestandteile beitragspflichtig bzw. beitragsfrei seien. Unter die Ausnahmebestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG falle nicht nur der Werksverkehr, sondern auch die Zurverfügungstellung eines dienstgebereigenen Fahrzeuges, da dem Dienstgeber freigestellt sei, auf welche Art er die Dienstnehmer von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück befördere.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Mitbeteiligten Folge und behob den bekämpften Bescheid der beschwerdeführenden Partei. Nach seiner Begründung seien gemäß der ab 1. Jänner 1989 in Kraft stehenden Kundmachung der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg als monatlicher Sachbezug 1,5 % des Listenneupreises des arbeitgebereigenen, dem Dienstnehmer im Rahmen eines Sachbezuges zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuges (einschließlich USt., maximal jedoch S 7.000,--) anzusetzen, wenn für den Arbeitnehmer die Möglichkeit bestehe, ein firmeneigenes Kraftfahrzeug für Privatfahrten (das seien auch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) zu benützen. Werde das firmeneigene Fahrzeug nachweislich im Jahresdurchschnitt für Privatfahrten (einschließlich Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte) von höchstens 500 km monatlich benützt, so sei der Sachbezugswert im halben Betrag anzusetzen. Aus dieser Verordnung der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg gehe hervor, daß die Fahrten vom Dienstort zum Wohnort und zurück mit einem vom Dienstgeber kostenlos zur Verfügung gestellten Personenkraftwagen als steuerpflichtiger Sachbezug anzusehen seien. Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Entscheidung zitierten Fälle gingen davon aus, daß es sich um keine steuerpflichtigen Sachbezüge gehandelt habe. Infolge dessen seien diese Bezüge im Hinblick auf § 50 ASVG auch nicht als beitragspflichtiges Entgelt zu bewerten gewesen. Diese beitragsrechtliche Bindung müsse jedoch nicht mehr im vollen Umfang gegeben sein, wenn Sachbezüge zu versteuern seien, wie im vorliegenden Fall. Trotz der angesprochenen Übereinstimmung von steuer- und beitragsrechtlichen Vorschriften bestehe insofern ein Unterschied in der abgabenmäßigen Behandlung, da gemäß § 4 EStG Aufwendungen, die dem Dienstgeber dadurch entstehen, daß er dem Dienstnehmer ein Kraftfahrzeug kostenlos für Fahrten zwischen der Wohnung und dem Arbeitsplatz zur Verfügung stelle, als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig seien. Eine solche Regelung sei in das Sozialversicherungsrecht nicht aufgenommen worden, weil die Absetzung von Betriebsausgaben dem Beitragsrecht fremd sei. Eine Beitragspflicht für die gegenständlichen Sachbezüge würde sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen mit sich bringen, die schon in Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz bedenklich wären. Anläßlich der 19. Novelle zum ASVG sei daher von der Anpassung von weiteren Begriffsbestimmungen des § 49 Abs. 3 ASVG an die Einkommensteuergesetzgebung die Rede gewesen. So sei eine beitragsfreie Beförderung der Dienstnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Kosten des Dienstgebers im § 49 Abs. 3 ASVG aufgenommen worden. Die Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG stehe daher der Regelung des § 50 ASVG entgegen. Die Vorschrift des § 50 ASVG sei, soweit es "sich um die kostenlose Nutzung des arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges für Fahrten zwischen der Wohnung und dem Arbeitsplatz handle", durch die später ergangene Bestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG neu geregelt worden. Es liege somit ein Fall der Aufhebung einer geltenden Vorschrift durch Derogation vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die (nach den Regeln der §§ 51 ff ASVG vorzunehmende) Bemessung (und Aufteilung) der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinn gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 leg. cit. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst (Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst- (Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. § 49 Abs. 3 ASVG enthält eine taxative Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit gelten, d.h. die zwar an sich die Merkmale der in den Abs. 1 und 2 angeführten Art aufweisen, jedoch kraft besonderer gesetzlicher Vorschriften im § 49 Abs. 3 leg. cit. von der Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind. Der Anwendungsbereich des durch § 49 Abs. 3 ASVG normierten Ausnahmenkataloges erstreckt sich demnach nur auf solche Bezüge, die "an sich" Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1 oder 2 sind (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1991, Zl. 90/08/0225, und vom 23. Februar 1993, Zl. 92/08/254). So gelten im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit. die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen Dienstnehmer und deren Angehörigen bei BEFÖRDERUNGSUNTERNEHMEN, die Beförderung der Dienstnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte AUF KOSTEN DES DIENSTGEBERS sowie der ERSATZ der tatsächlichen Kosten für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit MASSENBEFÖRDERUNGSMITTEL.

Zwischen den Parteien ist nun strittig, ob die Überlassung des firmeneigenen PKWs an den Dienstnehmer des Mitbeteiligten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz (ein Sachbezug im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG) der Ausnahme des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG zuzuordnen ist.

Infolge des engen sachlichen Zusammenhanges zur Regelung des Einkommensteuerrechtes ist (zunächst) auf die bezughabenden Regelungen des Einkommensteuergesetzes Bedacht zu nehmen.

Nach § 26 Z. 5 des Einkommensteuergesetzes 1972 idF des Art. I Z. 23 der EStG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 469, gehörten zu den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit nicht, die Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Kosten des Arbeitgebers EINSCHLIEßLICH DER FAHRTEN MIT

FIRMENEIGENEN FAHRZEUGEN ZWISCHEN WOHNUNG UND ARBEITSSTÄTTE,

der Ersatz der tatsächlichen Kosten des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Massenbeförderungsmitteln sowie Fahrtkostenzuschüsse aufgrund gesetzlicher Regelungen.

Die Beförderung der Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte "auf Kosten des Arbeitgebers" setzte daher voraus, daß der Arbeitgeber hiezu entweder eigene oder angemietete Beförderungsmittel verwendete. Der zweite Tatbestand der Z. 5 leg. cit. erfaßte daher auch jene Fälle, in denen der Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte das firmeneigene Kraftfahrzeug benützte. Dieser Sachbezug war bis einschließlich 8. August 1974 (Inkrafttreten der EStG-Novelle 1974) steuerpflichtig. Der Unterschied zum (ursprünglichen) ersten Tatbestand der Ziffer 5 leg. cit. bestand daher nach Inkrafttreten dieser Novelle darin, daß der Arbeitnehmer nicht befördert wurde, sondern sich selbst beförderte.

Mit Inkrafttreten des Einkommensteuergesetzes 1988 wurde die Bestimmung des § 26 Z. 5 EStG dahingehend eingeschränkt, daß nur mehr die Beförderung des Arbeitnehmers IM WERKVERKEHR nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört, wobei "Werkverkehr" nach der gesetzlichen Definition dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Fahrzeugen IN DER ART EINES MASSENBEFÖRDERUNGSMITTELS befördern läßt. Der in der Fassung der EStG-Novelle 1974 noch enthalten gewesene Tatbestand der Benützung eines firmeneigenen Kraftfahrzeuges durch den Dienstnehmer ist daher aufgrund des klaren Wortlautes des EStG 1988 als Ausnahmebestimmung weggefallen, sodaß diese Art des Sachbezuges grundsätzlich zu den steuerpflichtigen Einkünften zu zählen ist; einer der Steuerbefreiungstatbestände des § 3 Z. 21 EStG 1988 - vergleichbar mit der Vorgängerbestimmung des § 3 Z. 27 EStG 1972 - ist in der dem Beschwerdefall zugrunde liegenden Konstellation nicht gegeben, weil es sich nicht um ein "Beförderungsunternehmen" handelt.

Zwar sind die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Befreiungstatbestände einer gesonderten Überprüfung zu unterziehen, doch ist eine dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragende konforme Interpretation dort geboten, wo der Wille des Gesetzgebers nach gleicher Behandlung gleich gelagerter Sachverhalte erkennbar wird. Sowohl steuerrechtlich als auch sozialversicherungsrechtlich weiterhin begünstigt ist nur die "Beförderung" des Dienstnehmers durch den Dienstgeber in einer im Gesetz jeweils näher geregelten, auf Massenbeförderungsmittel bezug nehmenden Art und Weise. Die Zurverfügungstellung eines firmeneigenen PKWs geht aber über die bloße "Beförderung" hinaus, weil nicht nur dem dadurch begünstigten Dienstnehmer weitaus umfangreichere Gebrauchsmöglichkeiten eingeräumt werden, sondern ihm auch vom Dienstgeber getätigte Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erhaltung des Fahrzeuges (Versicherungsprämien, Kfz-Steuer, Serviceleistungen, etc.) zugute kommen, die über die reinen Kosten der Beförderung hinausgehen und daher der Ausnahmeregelung des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG nicht mehr unterfallen, sondern als Entgelt im Sinne der §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG nach § 50 ASVG zu bewerten sind.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt allerdings nicht die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, in dessen Erkenntnis vom 16. Juni 1992, B 511/91, wonach vom beitragspflichtigen Sachbezugswert für die Zurverfügungstellung eines Kraftfahrzeuges durch den Dienstgeber die fiktiven Kosten der Beförderung durch ein Massenbeförderungsmittel in Abzug zu bringen wären. Zum einen hält der erkennende Senat eine Differenzierung hinsichtlich der Beitragspflicht von Geld- oder Sachbezügen dahin, daß der Ersatz TATSÄCHLICH ENTSTANDENER Kosten eines Massenbeförderungsmittels begünstigt wird, nicht für verfassungsrechtlich bedenklich, weil die damit verbundene Besserstellung des Dienstnehmers, der ein öffentliches Verkehrsmittel tatsächlich benützt gegenüber jenem Dienstnehmer, der den Individualverkehr bevorzugt im Sinne einer Förderung des öffentlichen zulasten des Individualverkehrs einen sachlichen Grund für diese Differenzierung darstellt. Darüberhinaus sind fiktive Kosten eines Massenbeförderungsmittels dort nicht ermittelbar, wo es an einem solchen Beförderungsmittel fehlt; es käme daher zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen jenen Dienstnehmern, denen ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung steht im Verhältnis zu jenen, die auf die Verwendung eines Kraftfahrzeuges mangels Vorhandenseins eines öffentlichen Verkehrsmittels angewiesen sind. Drittens übersieht der Verfassungsgerichtshof, daß eine Differenzierung zwischen verschiedenen Entgeltteilen dahin, daß die Belassung fiktiver Beförderungkosten als beitragsfrei unter der Voraussetzung der Gewährung eines bestimmten Sachbezuges zu bejahen, im übrigen aber zu verneinen ist, aus dem Gesetz nicht begründet werden kann. Es wäre nicht einzusehen, aus welchem Grund zwar der Sachbezugswert, nicht aber auch ein vom Dienstgeber im Hinblick auf die Entfernung des Wohnortes des Dienstnehmers vom Arbeitsort gewährtes zusätzliches Entgelt im Ausmaß der fiktiven Kosten eines Massenbeförderungsmittels beitragsfrei zu belassen wäre. Schließlich hält der Verwaltungsgerichtshof die Gleichsetzung fiktiver mit den (im Gesetz ausdrücklich so bezeichneten) tatsächlichen Kosten für unvertretbar, weil dies den äußerst denkbaren Wortsinn des § 49 Abs. 2 ZK. 20 ASVG überschreitet.

Ausgehend von der vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht belastete daher die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

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