VwGH 92/06/0079

VwGH92/06/007921.5.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, in der Beschwerdesache des BL in Graz, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 9. September 1991, Zl. A 17 - K - 7.541/1991 -1, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Bausache, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist bewilligt.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragt, ihm gegen die Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung gemäß § 46 VwGG zu bewilligen und begründet diesen Antrag im wesentlichen wie folgt:

Der angefochtene Bescheid sei ihm am 30. September 1991 zugestellt worden, sodaß die Frist zur Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof am 11. November 1991 abgelaufen sei. Während des Laufes dieser Frist, nämlich am 25. Oktober 1991 sei der Beschwerdeführer (über richterlichen Auftrag des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) "vorgeführt" und in Untersuchungshaft genommen worden. Gleichzeitig sei - ebenfalls beginnend mit 25. Oktober 1991 - eine Beschlagnahme sämtlicher Unterlagen des Beschwerdeführers (darunter auch des Originals des angefochtenen Bescheides) erfolgt. Am 3. April 1992 sei der angefochtene Bescheid anläßlich der Sichtung und Bearbeitung der beschlagnahmten Unterlagen durch den Masseverwalter (hinsichtlich zweier Unternehmen im beruflichen Umfeld des Beschwerdeführers sei am 28. Oktober 1991 das Konkursverfahren eröffnet worden) gefunden worden. Ein früheres Auffinden des Bescheides sei aufgrund des enormen Umfangs der Firmenunterlagen und aufgrund der Tatsache, daß die Unterlagen im Zuge der Beschlagnahme in einen ungeordneten Zustand gebracht worden seien, nicht möglich gewesen. Der angefochtene Bescheid habe sich deshalb unter den beschlagnahmten Unterlagen befunden, da der Beschwerdeführer als faktischer Geschäftsführer bzw. Gesamtprokurist der insolvenzverfangenen Firmen tätig gewesen sei und deren sämtliche Unterlagen beschlagnahmt worden seien.

Dem Wiedereinsetzungsantrag liegt u.a. eine Bestätigung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 15. April 1992 bei, worin die Beschlagnahme von in einer ebenfalls in Ablichtung vorgelegten Niederschrift bezeichneten Unterlagen am 25. Oktober 1991 und in den folgenden Tagen bestätigt, sowie ferner betätigt wird, daß weder der Beschwerdeführer noch der Beschwerdevertreter bis zum 9. April 1992 zu diesen Unterlagen Zugriff gehabt hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt den oben dargestellten Sachverhalt als bescheinigt an und legt ihn der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zugrunde.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat.

Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen, wobei die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen ist.

Es kann im Beschwerdefall auf sich beruhen, ob im Falle einer für den Beschwerdeführer überraschenden Verhängung der Untersuchungshaft schon darin ein unvorhergesehenes Ereignis liegt, welches die Partei an der Wahrnehmung einer laufenden Frist hindert oder ob - ähnlich wie in Fällen der Krankheit - die völlige Abschließung von allen Kontakten mit der Außenwelt, (die auch die rechtzeitige Beauftragung eines Rechtsanwaltes zu hindern geeignet wäre) hinzukommen muß (ein Umstand der im Beschwerdefall nicht behauptet wird), weil hier (gleichsam erschwerend) die bescheinigte Beschlagnahme sämtlicher Firmenunterlagen des Beschwerdeführers, darunter auch des angefochtenen Bescheides, gleichzeitig verfügt wurde. Nun ist zwar nicht ausgeschlossen, daß in einem solchen Fall der Beschwerdeführer in der Lage sein könnte, aus dem Gedächtnis die Rechtssache ungefähr zu bezeichnen, auch wenn er den zu bekämpfenden Bescheid nicht in Händen hält; das Zusammentreffen von (überraschender) Inhaftnahme kurz vor Ablauf der Beschwerdefrist mit der gleichzeitigen Beschlagnahme großer Mengen an Unterlagen (darunter auch des angefochtenen Bescheides) stellt aber insgesamt eine an Dispositionsunfähigkeit grenzende, erhebliche Behinderung in der Rechtsverfolgung dar, sodaß im Falle einer dadurch bewirkten Fristversäumnis jedenfalls nicht davon die Rede sein kann, daß diese Fristversäumung auf einem groben (d.h. gemäß § 46 Abs. 1 letzter Satz VwGG die Wiedereinsetzung hindernden) Verschulden des Beschwerdeführers beruht.

Dem Antrag des Beschwerdeführers war daher spruchgemäß stattzugeben.

Über die Beschwerde selbst wird der Verwaltungsgerichtshof gesondert entscheiden.

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