Normen
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4 lita;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4 litb;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §35 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs8;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4 lita;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4 litb;
BauG Vlbg 1972 §23 Abs4;
BauG Vlbg 1972 §31 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §35 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs8;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9;
BauRallg;
Spruch:
Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Mitbeteiligte beantragte am 15. September 1989 bei der Bezirkshauptmannschaft die Erteilung einer Baubewilligung für den Umbau seines Gasthauses auf Gp. 3780, KG N, wobei - den vorgelegten Bauplänen zufolge - an dem bestehenden Baukörper im Norden und im Osten angebaut und im Inneren zahlreiche Umbauten vorgenommen werden sollten, sodaß ein Endausbau von 32 Fremdenzimmern mit 64 Betten erreicht werden sollte. Bei der über dieses Vorhaben durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 4. November 1989 (bei der auch der Beschwerdeführer in Vertretung seiner Mutter als der damaligen Eigentümerin der Nachbarparzelle erschienen war), wurde zunächst festgestellt, daß die nach dem Baugesetz erforderlichen Bauabstandsflächen die angrenzende (damals im Eigentum der Mutter des Beschwerdeführers stehende) Liegenschaft Gp. 3759/1 überschnitten. Dem Verhandlungsleiter wurde daraufhin eine mit 12. Oktober 1989 datierte Vereinbarung über die Zustimmung der Mutter des Beschwerdeführers als Nachbarin zur Bauabstandsnachsicht - nämlich ein von der Mutter des Beschwerdeführers an die mitbeteiligte Partei gerichtetes Schreiben, in welchem die Zustimmung zur Erteilung der Bauabstandsnachsicht "auf 2 m an der engsten Stelle" unter verschiedenen "Auflagen" erteilt wird, darunter in Punkt 2., daß der Neubau nicht höher werden dürfe "als das jetzt bestehende Gebäude" - überreicht.
Ferner wurde der Verhandlungsniederschrift ein Auszug des Protokolles der Gemeindevorstandssitzung der Gemeinde N vom 11. Oktober 1989 beigeschlossen, worin unter Punkt 8b) das Ansuchen der mitbeteiligten Partei um Bauabstandsnachsicht für den Um- und Ausbau des Gasthauses auf der Gp. 3780 gegenüber der Gp. 3759/1 unter der Bedingung "einstimmig beschlossen" wurde, daß die zwischen der Mutter des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei "schriftlich vereinbarten 5 Punkte" eingehalten würden. Die Bauabstandsnachsicht betrage an der engsten Stelle 2 m.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 1989 wurde daraufhin der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung unter zahlreichen Auflagen erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 6 Abs. 9 Baugesetz, LGBl. Nr. 29/1972, die erforderliche Ausnahme von den gesetzlichen Bauabständen und Bauabstandsflächen gegenüber der Gp. 3759/1, KG N "nach Maßgabe der diesem Bescheid als wesentlicher Bestandteil zugrundeliegenden Plan- und Beschreibungsunterlagen vom 15. September 1989 zugelassen" (Spruchpunkt I). In diesen Bauplänen sind ein Seitenabstand des bestehenden Baukörpers zur Grundgrenze des Nachbargrundstückes von 1,90 m an der engsten und 3,10 m an der weitest entfernten Stelle (Lageplan), sowie eine Gebäudehöhe (gemessen von der westseitigen Giebelspitze lotrecht zum gewachsenen Grund) von 12,60 m eingetragen.
"Über Antrag" der Mutter des Beschwerdeführers wurden in den Bescheid auch mehrere, für das vorliegende Verfahren jedoch bedeutungslose Auflagen aufgenommen.
Dieser Bescheid wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten der Mutter des Beschwerdeführers am 19. Dezember 1989 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Am 10. September 1990 stellte der Beschwerdeführer "als jetziger Besitzer der Gp. 3759/1" bei der Bezirkshauptmannschaft den Antrag auf "Überprüfung der Bauausführung, nachdem ersichtlich gewesen ist, daß die nordseitig aufgebaute Dachgaupe bis auf ca. 1 m an die Westseite herangebaut wurde (laut Plan sind es ca. 1,50 m)."
Dadurch verursache sie auf dem Grundstück des Beschwerdeführers wesentlich mehr Schatten. Die Mutter des Beschwerdeführers habe der Bauabstandsnachsicht "auf 2 bis 2,50 m" zugestimmt, nachdem der Mitbeteiligte und sein Architekt ausdrücklich erklärt hätten, daß der "Neubau ganz sicher nicht größer als der abgetragene Landwirtschaftstrakt" sein werde. Als Bekräftigung dieser Zusage sei erwähnt worden, daß sogar das bestehende Dach belassen werde. Mittlerweile sei das neue Dach auf das alte Dach darauf gebaut worden, mit der Erklärung, daß sich diese Erhöhung durch Angleichung an die Gebäudehöhe des Mittelteiles ergeben habe. Dies ergebe für den Beschwerdeführer "wesentlich mehr Schatten als der Altbestand (Erhöhung um ca. 30 cm)". Darüber hinaus führt der Beschwerdeführer weitere, seiner Auffassung nach unzulässige Abweichungen vom "Altbestand" an, die jedoch nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind. In einem weiteren Schriftsatz vom 12. September 1990 wies der Beschwerdeführer (nunmehr anwaltlich vertreten) darauf hin, daß seiner Auffassung nach jede Erhöhung des Gebäudes im Bereich der Bauabstandsflächen bewilligungspflichtig sei, wobei "gegen den Willen des Nachbarn unter den gegebenen Umständen" eine Bauabstandsnachsicht nicht erteilt werden dürfe.
Am 23. Oktober 1990 berichtete der bautechnische Amtssachverständige über die am 1. Oktober 1990 durchgeführte Überprüfung, wonach festgestellt worden sei, daß der Umbau nicht "planmäßig" ausgeführt worden sei; darin heißt es weiter:
"1. Im Keller, im Bereich der Sauna, wurde eine Türe ins Freie errichtet.
2. Die Dachgaupe in der Dachfläche Richtung B 200 ist nicht planmäßig situiert.
- 3. Eine planabweichende Fensteranordnung liegt vor.
- 4. Das ganze Haus wurde um etwa 30 cm (+/- 5 cm) höher gebaut. ...
6. (richtig: 5.) Ob der Innenausbau Änderungen aufweist, müßte durch einen Lokalaugenschein festgestellt werden.
Insbesondere der Punkt 4. ist wesentlich, da in der
privatrechtlichen Vereinbarung bezüglich Abstandsnachsicht
zwischen dem Bauherrn ... und dem Nachbarn ... ausdrücklich
festgelegt wurde, daß der Umbau nicht höher werden darf als der
Altbau. Der Planer hat auf ein mehrmaliges Ansuchen des
Nachbarn ... jedes Gespräch abgelehnt. Aufgrund dieser Umstände
wird bis zur Klärung des Sachverhaltes eine Einstellung der Bauarbeiten beantragt."
Mit Bescheid vom 31. Oktober 1990 wurde von der Bezirkshauptmannschaft gegenüber der mitbeteiligten Partei ein - allerdings nicht näher umschriebener - Auftrag zur Behebung der Mängel gemäß § 40 Abs. 2 des Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972, verfügt. In der Begründung dieses Bescheides wird im wesentlichen das Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen wiedergegeben.
Aus einem Aktenvermerk vom 14. November 1990 ist zu entnehmen, daß der Mitbeteiligte in der Folge bei der Bezirkshauptmannschaft vorsprach und u.a. erklärte, die Feststellung, das Haus sei um ca. 30 cm zu hoch gebaut worden, nicht zur Kenntnis zu nehmen. Nach den Angaben des Mitbeteiligten würde die "absolute Höhe der des Altbestandes entsprechen". Da das alte Dach jedoch in Richtung Westen leicht abgesenkt gewesen sei, sei dieser Fehler bei der Erstellung des neuen Dachstuhles ausgeglichen worden.
Am 21. November 1990 beantragte der Mitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für durchgeführte Planabweichungen, darunter auch für die neue Gebäudehöhe, die der des "Urzustandes" entspreche, da lediglich die "vorhanden gewesenen Setzungen ausgeglichen" worden seien; in einer dazu erstatteten Äußerung des bautechnischen Amtssachverständigen vom 22. Jänner 1991 heißt es u.a., daß die Front zum Beschwerdeführer tatsächlich "etwa um 30 cm" gegenüber dem Altbestand höher ausgeführt worden sei. Dies sei vom technischen Standpunkt berechtigt, da sich der über 100 Jahre alte Altbau einseitig gesenkt habe. Das Dach sei daher "schief" gewesen und die 30 cm seien "der Ausgleich in die Waage".
In einer mündlichen Bauverhandlung vom 21. Februar 1991, zu der auch der ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführer erschienen war, wurde diesbezüglich dargelegt, daß "aufgrund technischer und konstruktiver Notwendigkeiten" der Dachfirst Richtung Westen etwa um 25 bis 30 cm höher geworden sei. Bei den Baumaßnahmen sei vom höchsten Punkt ausgegangen worden, welcher auf der gegenüberliegenden Seite gelegen gewesen sei. Die Notwendigkeit der Anhebung bzw. des Ausgleiches des Dachfirstes sei von dem zu Beginn des Augenscheines anwesenden Zimmermeister bestätigt worden. Der bautechnische Amtssachverständige führte in der Folge aus, daß die Erhöhung des Firstes um etwa 30 cm aus konstruktiven Gründen als notwendig zu bezeichnen sei und "aus bautechnischen Gründen toleriert" werde. Der Beschwerdeführer kündigte in dieser Verhandlung eine abschließende schriftliche Stellungnahme an und verwies auf einen Schriftsatz vom 21. Februar 1991. In diesem - dem Protokoll über die mündliche Bauverhandlung vom 21. Februar 1991 beigeschlossenen - Schriftsatz wird - mit näherer Begründung - ausgeführt, daß der Beschwerdeführer "die Schenkung" (gemeint: die Zustimmung zur Erteilung der Bauabstandsnachsicht ohne Gegenleistung) wegen "Motivirrtums und Täuschung" widerrufe; der Beschwerdeführer wies darauf hin, daß nach § 6 Abs. 9 Baugesetz eine Abstandsnachsicht gegen den Willen des Nachbarn nicht in Betracht komme. Ferner erklärte sich der Beschwerdeführer darin bereit, unter bestimmten, näher bezeichneten Voraussetzungen, die Bauabstandsnachsicht erteilen zu wollen.
In der Folge erstattete der Beschwerdeführer durch den Beschwerdevertreter jedoch eine weitere Stellungnahme vom 7. März 1991, in der er die Abweichung der Höhe des gesamten Gebäudes um 30 cm von der seinerzeitigen Baubewilligung rügt und erklärt, eine Bauabstandsnachsicht nicht zu erteilen.
Die Bezirkshauptmannschaft ersuchte daraufhin den bautechnischen Amtssachverständigen, die Abstandsflächensituation an der (dem Beschwerdeführer zugewendeten) Westseite des Gebäudes darzustellen. Aus dem diesbezüglichen Amtsvermerk des Amtssachverständigen vom 16. Juli 1991 ergibt sich, daß die geplante "Schattenfläche" von 69,56 m2 bei einer Firsterhöhung von 50 cm um 2,89 m2, bei einer Firsterhöhung von 30 cm um 1,73 m2 überschritten würde. Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht.
Die Bezirkshauptmannschaft erteilte der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 6. August 1991 die beantragte Baubewilligung für die angeführten Planabweichungen und wies die Einwendungen des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und nach Hinweisen auf die Rechtslage aus, daß nach dem Ergebnis der Verhandlung vom 21. Februar 1991 das Gebäude "gegenüber dem Urzustand nicht höher würde", weil sich der über 100 Jahre alte Bestand einseitig gesenkt habe und eine "Anhebung bzw. ein Ausgleich des Dachfirstes" aufgrund technischer und konstruktiver Notwendigkeiten erfolgt sei. Das Gebäude sei daher, was die absolute Höhe betreffe, ordnungsgemäß erstellt worden, weshalb sich auch die Frage einer allfälligen Neuerteilung einer Bauabstandsnachsicht nicht stelle. Die Einwendungen des Beschwerdeführers seien daher zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen ausführt, daß ein Höherbauen um 30 cm eine Änderung des bewilligten Gebäudes im Sinne des § 23 lit. b des Baugesetzes darstelle, für die wieder sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen gegeben sein müßten, ebenso auch eine Bauabstandsnachsicht, die nicht erteilt worden sei. Im übrigen bestritt der Beschwerdeführer die bautechnische Notwendigkeit der Erhöhung des Dachfirstes.
Die belangte Behörde holte zunächst ein ergänzendes Gutachten des Amtssachverständigen vom 2. Oktober 1991 ein, worin ausgeführt wird, daß sich das "über 200 Jahre alte" Haus gesetzt habe. Diese Setzung sei am schiefen Dachfirst sichtbar gewesen, wobei sich der heute niedrigste Punkt gegenüber der Horizontale gesenkt habe. Es sei daher "im Sinne des Urzustandes" rechtlich begründet, die Begradigung des Dachfirstes am höchsten Punkt zu beginnen, insbesondere dann, wenn - wie hier - das alte Tragwerk des Daches zur Gänze belassen worden sei. Durch zunehmende Aufpolsterung der Sparren habe erreicht werden können, daß bereits das Unterdach in einer Ebene gleicher Neigung liege und die Außenansicht nicht mehr schief sei. Die Verschiebung der Dachgaupe wirke sich auf die Abstandsfläche (zum Beschwerdeführer) nicht aus.
Zu diesem Gutachten erstattete der Beschwerdeführer über Aufforderung der belangten Behörde eine Stellungnahme, in der er im wesentlichen seinen bisherigen Rechtsstandpunkt wiederholte, eine - im Beschwerdeverfahren nicht mehr geltend gemachte - Befangenheit des Amtssachverständigen im Berufungsverfahren behauptete und die Auffassung vertrat, daß Änderungen der äußeren Abmessungen und der Bauweise jedenfalls bewilligungspflichtig seien und daher nicht als (bloße) Planabweichungen behandelt werden dürften. Ein Ausnahmefall, in welchem die Bauabstandsnachsicht gegen den Willen der Nachbarn erteilt werden dürfe, liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 24. Jänner 1992 hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin der Beschwerdeführer geltend macht, daß die Behörden des Verwaltungsverfahrens die Erhöhung des Gebäudes an der der Grundgrenze des Beschwerdeführers zugewendeten Seite um 30 cm als geringfügige Planabweichung "nicht in einem regulären Verfahren" bewilligt hätten; er tritt vor allem der Auffassung der Behörde entgegen, die Erhöhung des Gebäudes finde in dem Umstand seine rechtliche Deckung, daß es sich nur um eine Wiederherstellung des "Urzustandes" handle (nach einer zeitablaufsbedingten einseitigen Setzung des Gebäudes zur Grundgrenze des Beschwerdeführers hin). Der Beschwerdeführer erachtet sich - seinem gesamten Vorbringen zufolge - dadurch in seinen Rechten als verletzt, daß die Behörde die Planabweichung zu Unrecht ohne neuerliche Erteilung der Bauabstandsnachsicht (die ohne Zustimmung des Beschwerdeführers nicht zulässig gewesen sei) bewilligt habe.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und hielt dem in ihrer Gegenschrift (in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt) - wie schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides - entgegen, daß mit der Anhebung des Daches an der Westseite "um ca. 25 bis 30 cm" lediglich jener Zustand des Dachfirstes hergestellt worden sei, der dem Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt seiner Errichtung "vor 100 bis 200 Jahren" entspreche. Es handle sich um Instandsetzungsmaßnahmen, die gemäß §§ 23 und 24 des Baugesetzes weder baubewilligungspflichtig noch anzeigepflichtig seien, weshalb auch keine Notwendigkeit bestanden hätte, eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 Abs. 9 des Baugesetzes zu erteilen. Die Behörde erster Instanz habe - in Wahrheit - die Bewilligungs- oder Anzeigepflicht der Baumaßnahme mit Recht verneint; da Planabweichungen - so die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift weiter - "nur dann bewilligungspflichtig sind, wenn es sich um bewilligungspflichtige Bauvorhaben im Sinne des § 23 Abs. 1 des Baugesetzes handelt, ist auch nicht davon auszugehen, daß die Erstbehörde die Begradigung des Daches als planabweichend bewilligt hat."
Der Mitbeteiligte geht in seiner Gegenschrift (in welcher er ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt) hingegen davon aus, daß ihm zu Recht hinsichtlich der Planabweichungen eine Baubewilligung zulässigerweise ohne Zustimmung des Beschwerdeführers erteilt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die erstatteten Gegenschriften erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß es sich beim Altbestand auf dem Grundstück des Mitbeteiligten ursprünglich um ein "100 bis 200 Jahre altes" Bauwerk handelt, für welches eine schriftliche Baubewilligung offenbar nicht vorliegt, ohne jedoch konkrete Aussagen darüber zu treffen, ob das Gebäude im (allerdings von der Behörde nicht festgestellten) Zeitpunkt seiner mutmaßlichen Errichtung einer Baubewilligung nach den damals (allenfalls) geltenden baurechtlichen Vorschriften bedurfte (vgl. dazu Krzizek, System des österreichischen Baurechts I, S. 26 ff, hinsichtlich der Zeit ab 1782, sowie die ebenfalls in Betracht kommende Bauordnung für das Land Vorarlberg vom 27. Februar 1874, Gesetz- und Verordnungsblatt (G.-V.-Bl.) für die gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg, Nr. 17/1874, später abgelöst durch die Bauordnung für das Land Vorarlberg, G.-V.-Bl. Nr. 19/1886) oder ob das Gebäude im Zeitpunkt seiner ursprünglichen Errichtung bewilligungsfrei war. Dies kann aber für die Lösung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsfragen deshalb auf sich beruhen, weil auch für den Fall des Vorliegens des erstgenannten Falles (Bewilligungspflicht) die Voraussetzungen für die Vermutung des Vorliegens eines Baukonsenses vorliegen: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spricht die Vermutung dafür, daß ein Gebäude in seiner derzeitigen Gestalt aufgrund einer nach den im Zeitpunkt der Errichtung in Geltung gestandenen Vorschriften erteilten Baubewilligung errichtet (und diese nicht bloß auf Widerruf erteilt) worden ist, wenn das Gebäude seit Jahrzehnten besteht, Unterlagen über die seinerzeitige Baubewilligung nicht mehr auffindbar sind, aber hinsichtlich eines fehlenden Konsenses baubehördliche Beanstandungen niemals stattgefunden haben (vgl. die Erkenntnisse vom 4. Juni 1957, Slg. Nr. 4364/A, und vom 30. November 1964, Slg. Nr. 6509/A, sowie - aus jüngerer Zeit - das Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 89/06/0076 u.a.). Wie vor allem schon im Erkenntnis vom 4. Juni 1957, Slg. Nr. 4364/A, ausgesprochen wurde, bezieht sich die Vermutung des Konsenses jedoch auf die DERZEITIGE (d.h. im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt durch die Baubehörde vorliegende) Gestaltung des Gebäudes und nicht etwa auf eine frühere, mutmaßlich im Zeitpunkt der Errichtung vorliegende. Daher ist, (anders als offenbar die belangte Behörde und der Mitbeteiligte meinen), bei der Beurteilung der Frage der Bewilligungspflicht von Bauführungen an einem solchen Altbestand vom TATSÄCHLICH VORHANDENEN und nicht von einem einmal (vielleicht) gewesenen Bestand auszugehen. Die Vorgangsweise der belangten Behörde, den von ihr (wenn auch mit guten Gründen) angenommenen "Urzustand" des Gebäudes dem vermuteten Konsens zugrundezulegen, erweist sich daher schon im Ansatz als rechtsirrig. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde, kann daher das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Änderung des Gebäudes nicht schon unter Hinweis auf die Wiederherstellung des "Urzustandes" verneint werden.
Es kann im Beschwerdefall aber auch nicht ohne weiteres nur der ZULETZT BESTANDENE Altbestand als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, zumal dieser durch die vorgenommenen baulichen Maßnahmen in weitem Umfang verändert worden und dieser Umbau und Zubau soweit jedenfalls konsensgemäß ist, als er sich im Rahmen der Baubewilligung vom 5. Dezember 1989 samt den dieser Baubewilligung zugrundeliegenden Planunterlagen hält. Vergleichsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine Abweichung vom Konsens vorliegt, hatte somit primär der Altbestand in der "Fassung" der Baubewilligung vom 5. Dezember 1989 zu sein. Danach käme dem Umstand, daß die neue Dachhaut (zumindest) am Dachfirst 25 bis 30 cm über dem Altbestand liegt, dann keine Bedeutung zu, wenn die Gebäudehöhe an der Westwand an der höchsten Stelle (Giebelspitze) die ursprünglich bewilligte Höhe (nach einer mit Rotstift vorgenommenen Planeintragung offenbar 12,60 m lotrecht über gewachsenem Grund) nicht (nennenswert) überschritte. Ob dies der Fall ist oder nicht, kann den Verwaltungsakten derzeit nicht entnommen werden, sodaß das Verwaltungsverfahren diesbezüglich ergänzungsbedürftig geblieben ist.
Erst wenn feststünde, daß die Bauführung tatsächlich im Ergebnis von der Baubewilligung vom 5. Dezember 1989 abweicht, wäre die weitere Frage zu untersuchen, ob diese Planabweichung schon gemäß § 35 Baugesetz zulässig ist oder ob sie einer besonderen Baubewilligung bedarf. Letzteres ist gemäß § 35 Abs. 1 BauG dann der Fall, wenn die Abweichung Änderungen betrifft, die gemäß § 23 Abs. 1 BauG bewilligungspflichtig sind. Gemäß § 23 Abs. 1 lit. b BauG sind (u.a.) wesentliche Änderungen von Gebäuden bewilligungspflichtig. Dies sind gemäß § 23 Abs. 4 BauG Änderungen, die (lit. a) am ganzen Bauwerk oder an seinen Hauptbestandteilen vorgenommen werden oder wodurch das Aussehen eines Gebäudes geändert wird bzw. (lit. b) durch die Interessen der Sicherheit oder der Gesundheit oder die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden können. Bei einer Anhebung des Dachfirstes um 25 bis 30 cm (und damit einer Vergrößerung der Gebäudehöhe) zur seitlichen Grundgrenze wäre nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Wesentlichkeit der Änderung (und damit die Bewilligungspflicht der Maßnahme) sowohl nach § 23 Abs. 4 lit. a als auch nach lit. b BauG zu bejahen.
Da Feststellungen über die tatsächliche Abweichung der nunmehr an der Westseite gegebenen Gebäudehöhe gegenüber der Baubewilligung vom 5. Dezember 1989 deshalb unterblieben sind, weil die Behörden die unzutreffende Rechtsansicht vertreten haben, daß die Wiederherstellung des "Urzustandes" jedenfalls bewilligungsfrei (so die belangte Behörde) bzw. ohne weiteres bewilligungsfähig sei (so die Behörde erster Instanz, die - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch tatsächlich eine Bewilligung erteilt hat), ist der angefochtene Bescheid (im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte, wenn auch aus anderen, als in der Beschwerde geltend gemachten Gründen) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei hat der Beschwerdeführer auch das Recht, dies geltend zu machen:
Das Mitspracherecht des Nachbarn ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbarn solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.)
Das Vorarlberger Baugesetz zählte Nachbarrechte im § 30 Abs. 1 lit. a bis f taxativ auf; dazu zählt gemäß § 30 Abs. 1 lit. b auch die Befugnis der Geltendmachung einer Verletzung des § 6 leg. cit. insoweit, als diese Bestimmung den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm betrifft. In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, die an der Seite zu seiner Grundgrenze abweichende Gebäudehöhe führe zu mehr Schatten, also einer schlechteren Belichtung seiner Liegenschaft. Die Bestimmungen des § 6 Baugesetz über die Abstandsflächen dienen - wie auch dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 lit. b Baugesetz unmittelbar entnommen werden kann - u.a. auch der Belichtung. § 6 Abs. 2, 5 und 7 bis 9 Baugesetz lauten:
"(2) Die Abstandsfläche muß so tief sein, wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt, der sich auf einer in Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegten Waagrechten ergibt, wenn über das Gebäude Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Bei der Ermittlung der Schattenpunkte sind untergeordnete Bauteile, wie Kamine u.dgl., sowie Vorsprünge und Vorbauten gemäß § 7 bis zu dem dort genannten Ausmaß nicht zu berücksichtigen. Als Außenwand gilt eine lotrechte Ebene in der äußersten Begrenzungslinie des Gebäudes, wobei Vorsprünge und Vorbauten nur soweit zu berücksichtigen sind, als sie das im § 7 genannte Ausmaß überschreiten.
(3) ...
(4) ...
(5) Soweit im Abs. 6 nichts anderes bestimmt ist, müssen die Abstandsflächen auf dem Baugründstück selbst liegen.
(6) ...
(7) Von der Nachbargrenze müssen oberirdische Gebäude mindestens 3 m entfernt sein.
(8) Bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, hat der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m und bei unterirdischen Bauwerken mindestens 1 m zu betragen, falls nicht der Nachbar einem geringeren Abstand zustimmt und die im Abs. 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden.
(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden."
Der Umfang der Abstandsflächen gemäß § 6 Abs. 2 BauG hängt somit primär und maßgebend von der Gebäudehöhe ab. Auch wenn eine Nachsicht im Sinne des § 6 Abs. 8 oder 9 Baugesetz erteilt wurde, ist das Ausmaß jener Abstandsfläche, von der Nachsicht erteilt wurde (und damit auch die Gebäudehöhe, aus der diese Abstandsfläche ermittelt wurde) Bestandteil des Baukonsenses. Der Nachbar ist daher gemäß § 30 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 6 Baugesetz auch berechtigt, in einem nachträglichen Bewilligungsverfahren die Verletzung seiner Rechte aus der erteilten Abstandsnachsicht zufolge einer Überschreitung (dieser nunmehr höchstzulässigen) Gebäudehöhe geltend zu machen.
Ob der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte zu Recht rügt, hängt jedoch vom Ergebnis der erforderlichen weiteren Prüfung ab, ob überhaupt hinsichtlich der Gebäudehöhe (und damit hinsichtlich des "Soll-Abstandes") eine Abweichung von der Baubewilligung vom 5. Dezember 1989 vorliegt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Zur Vermeidung von offenbar bestehenden Mißverständnissen weist der Verwaltungsgerichtshof jedoch ergänzend auf folgendes hin:
Die Baubehörde erster Instanz hat es bei Erteilung der Baubewilligung vom 5. Dezember 1989 zu Recht als erforderlich angesehen, eine Ausnahme von den gesetzlichen Bauabstandsflächen "nach Maßgabe der Plan- und Baubeschreibungsunterlagen vom 15.9.1989" (d.h. auf 1,90 m an der engsten und 3,10 m an der weitesten Stelle) zu gewähren und zwar ungeachtet des Umstandes, daß die Westwand des bestehenden Altbestandes weiterhin Verwendung finden und daher die bestehenden Abstandsverhältnisse (abgesehen von der Frage der Gebäudehöhe) nicht verändert werden sollten: Da wegen des (bloß) vermuteten Konsenses des Altbestandes eine ausdrückliche Abstandsnachsicht nicht vorlag, bedurfte jedenfalls die erste baubewilligungspflichtige Maßnahme nach den Bestimmungen des Baugesetzes der Erteilung einer solchen Nachsicht, weil damit
- nach der Aktenlage - auch eine Änderung des Verwendungszweckes des Gebäudes verbunden war (vgl. das Erkenntnis vom 16. September 1982, Slg. Nr. 10815/A). Diese wurde auch zu Recht nach § 6 ABS. 9 Baugesetz erteilt, zumal § 6 ABS. 8 Baugesetz seinem klaren Wortlaut nach NICHT auf oberirdische GEBÄUDE anzuwenden ist. Der Beschwerdeführer ging und geht (ebenso wie offenbar die Baubehörde erster Instanz) daher auch zu Unrecht davon aus, daß ohne seine Zustimmung eine Abstandsnachsicht nicht erteilt werden dürfte, zumal einer Zustimmung des Nachbarn nur in den Fällen des § 6 ABS. 8 nicht aber in jenen des § 6 ABS. 9 Baugesetz Bedeutung zukommt. Die Erteilung der Ausnahmebewilligung nach § 6 Abs. 9 Baugesetz hängt hier vielmehr - sachverhaltsbezogen - davon ab, ob nach dem zweiten Fall dieser Gesetzesstelle Gründe "einer zweckmäßigeren Bebauung" dafür sprechen und die in dieser Bestimmung genannten Interessen nicht verletzt werden. Die Erteilung der Abstandsnachsicht zu dem Zweck, einen seit langem bestehenden und als konsentiert geltenden Gebäudeteil im Zuge eines bewilligungspflichtigen Umbaues weiterhin verwenden zu können, wird diesen Kriterien im allgemeinen entsprechen; dies kann im Beschwerdefall jedoch insoweit ununtersucht bleiben, als der die Ausnahmebewilligung gemäß § 6 Abs. 9 BauG erteilende Bescheid vom 5. Dezember 1989 unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist und auch nicht etwa dadurch hinfällig wurde, daß der Beschwerdeführer seine (bzw. seiner Mutter)
- gar nicht erforderliche - Zustimmung zur Abstandsnachsicht widerrufen bzw. zurückgezogen hat.
Sollte das fortgesetzte Ermittlungsverfahren ergeben, daß eine Überschreitung der (gemessen am Bescheid vom 5. September 1989) konsensgemäßen Gebäudehöhe als wesentliche Änderung des Gebäudes im Sinne des § 23 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Abs. 4 Baugesetz (und damit eine bewilligungspflichtige Baumaßnahme) vorliegt und diese Überschreitung so wesentlich sein, daß sie auch nicht mehr als von der Rechtskraft der Abstandsnachsicht (Spruchpunkt I des Bescheides vom 5. Dezember 1989) erfaßt angesehen werden könnte, so dürfte die Behörde nicht ohne weiteres - wie im Falle des Bescheides vom 6. August 1991 - eine ergänzende Baubewilligung erteilen, sondern hätte auch über eine weitere Abstandsnachsicht (nach Einholung eines Beschlusses der Gemeindevertretung) abzusprechen, wobei bemerkt sei, daß nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Anhebung des Dachfirstes in die Waagrechte zum Ausgleich für eine erfolgte Gebäudesetzung durchaus noch als zweckmäßige Bebauungsmaßnahme im Sinne des § 6 Abs. 9 zweiter Fall Baugesetz angesehen werden könnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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