Spruch:
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Zuspruch von Aufwandersatz findet nicht statt.
II. zu Recht erkannt:
Aufgrund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kundmachung vom 10. Dezember 1990 wurden die Beschwerdeführer vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz-Baurechtsamt davon verständigt, daß die mitbeteiligte Partei um gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Mehrdrahtziehanlage, z.B. MMH 101 für Kupferdrähte in der Halle W auf dem Grundstück Nr. 53/2 der KG A im Standort X-Straße 13a, angesucht habe und hierüber gemäß § 356 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes unter Bedachtnahme auf die §§ 40 bis 44 AVG 1950 die Augenscheinsverhandlung (Bauverhandlung) an Ort und Stelle für den Montag den 4. Februar 1991, 9 Uhr, angeordnet werde. In ihrer Stellungnahme vom 26. Jänner 1991 erhoben die Beschwerdeführer Einwendungen und führten aus, sie seien Eigentümer der unmittelbar an die gegenständliche Betriebsanlage angrenzenden Liegenschaften EZ 37, R-Weg 10, und EZ 19, X-Straße 19, (B-Hof mit Gastgarten) sowie von acht weiteren, an die vorgenannten Liegenschaften unmittelbar angrenzenden Objekten. Das Areal Y-Weg 10, Bauernhof, mit seinem Flächenausmaß von ca. 10.000 m2 sei laut rechtswirksamem Bebauungsplan der Stadt Linz Nr. S 110/8 als Kerngebiet mit achtgeschossiger Bebauung gewidmet; diese Widmung sei u.a. eine ihrer Bedingungen für den Verkauf von 31.000 m2 Grund neben ihrem Bauernhof an die Stadt Linz gewesen, welche diese Fläche dringend zur Erschließung der ihr eigentümlichen "Binderbauergrundstücke" benötigt habe, um dort Wohnblöcke errichten zu können. Sodann führten sie wörtlich aus:
"Durch die zunehmenden vom Betrieb des Antragstellers ausgehenden Lärm-, Staub-, Rauch- und Geruchsemissionen, die zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung und zu einer massiven Beeinträchtigung unserer Lebensqualität führen, befürchten wir, daß unsere Liegenschaft EZ 37 bald nicht mehr den vom § 16 Abs. 4 O.Ö. ROG geforderten Kriterien für "Kerngebiet" entsprechen wird, und es letztendlich zu einer Umwidmung kommen wird.
Unsere Befürchtungen gründen sich vor allem darauf, daß ich, OR, bereits seit längerer Zeit unter starker Atemnot und Augenbrennen leide und letztendlich auch meine Herzattacken auf diese unzumutbaren Emissionen zurückzuführen sind.
Wir sprechen uns daher vehement gegen jegliche, zusätzliche Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage, insbesondere gegen die verfahrensgegenständliche Errichtung und den Betrieb einer Mehrdrahtziehanlage aus."
Mit Bescheid vom 6. August 1991 erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 81, 333 und 356 GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988, in Verbindung mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer zweiten zu der mit Bescheid des Magistrates Linz Baurechtsamt vom 20. April 1990, GZ. 501/S-1250/87, genehmigten gleichwertigen Mehrdrahtziehanlage für Kupferdrähte, Type MMH 101 in der Halle W unter Vorschreibung mehrerer Auflagen. Unter Spruchpunkt III dieses Bescheides wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer "hinsichtlich der behaupteten Gesundheitsgefährdung durch die von der beantragten Betriebsanlage ausgehenden Lärm-, Staub-, Rauch- und Geruchsemissionen" gemäß § 77 Abs. 1 und 2 GewO 1973 als unbegründet abgewiesen. Die Berufung der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 31. Oktober 1991 als unbegründet abgewiesen. Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diese Berufung gemäß § 359 Abs. 4 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Bundesminister nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der §§ 74 Abs. 2, 356 Abs. 3 und 359 Abs. 4 GewO 1973 aus, für die Beurteilung der Parteistellung der Berufungswerber sei ihr Schriftsatz vom 26. Jänner 1991, in welchem sie zu der von der Gewerbebehörde erster Instanz anberaumten mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 1991 schriftliche Einwendungen erhoben hätten und aus welchen die Vorinstanzen teils unzulässige (insoweit sie im Zusammenhang mit raumordnungsrechtlichen Fragen stünden), teils taugliche Einwendungen (insoweit sie Belästigungen bzw. Gesundheitsgefährdung geltend machten) herausgelesen hätten, maßgeblich. Aus den vorzitieren Gesetzesstellen der GewO 1973 ergebe sich, daß in einem Verfahren betreffend die Genehmigung der Änderung einer genehmigten (gewerblichen) Betriebsanlage Nachbarn nur insoweit Parteistellung und damit ein Berufungsrecht zukomme, als sie rechtzeitig, d.h. zur von der Gewerbebehörde erster Instanz durchgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung, taugliche Einwendungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 erhoben hätten. Von einer Einwendung im Rechtssinn, könne dabei nur dann die Rede sein, wenn sie die Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Nachbarn zum Inhalt habe. Im vorliegenden Fall würden zwar Belästigungen und Gefährdungen in bezug auf die gegenständliche Betriebsanlage geltend gemacht, jedoch nicht als solche, sondern lediglich als Begründungselement für eine befürchtete Umwidmung des Areals Y-Weg 10, Bauernhof, auf welches die Berufungswerber ihre Nachbarstellung stützten. Lediglich diese befürchtete Umwidmung werde als drohende Verletzung ihrer Rechtssphäre vorgebracht. Dieses Vorbringen sei aber, da ohne Deckung in den nach § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 normierten Nachbarrechten, nicht geeignet, eine Parteistellung der Berufungswerber zu begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Über Aufforderung gab der Vertreter der Beschwerdeführer bekannt, daß der Erstbeschwerdeführer nach Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde am 19. Dezember 1992 verstorben sei und er die Verlassenschaft nach NR nicht vertrete.
Da Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG eine beschwerdeführende Person voraussetzt, die mit ihrer Beschwerde behauptet, durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in ihren Rechten verletzt zu sein, ist zu prüfen, ob diese Voraussetzung durch den Tod des Erstbeschwerdeführers im vorliegenden Fall weggefallen ist. Die von den Beschwerdeführern in ihrer Stellungnahme vom 26. Jänner 1991 erhobenen Einwendungen beziehen sich tatsächlich auf eine Belästigung durch die zu genehmigende Betriebsanlage infolge Lärm-, Staub-, Rauch- und Geruchsemissionen, die zu einer erheblichen Gesundheitsgefährdung und zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität führten. Behauptungen, wonach das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Beschwerdeführer durch die zu genehmigende Änderung der Betriebsanlage gefährdet werden könnten, wurden nicht aufgestellt. Eine allenfalls zu bejahende Parteistellung des verstorbenen Beschwerdeführers NR wurde sohin nicht mit der Gefährdung seines Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte begründet vielmehr ist diese von höchstpersönlichen Voraussetzungen abhängig. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nun nicht mehr zu erkennen, inwieweit der angefochtene Bescheid noch in die nunmehr von dessen Verlassenschaft repräsentierten Rechte des verstorbenen Beschwerdeführers NR einzugreifen und diese fortwirkend zu verletzen vermag. Demnach ist die von Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG vorausgesetzte Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers NR durch dessen Tod weggefallen, weshalb die Beschwerde diesbezüglich gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen war (vgl. den hg. Beschluß vom 25. September 1990 Zl. 88/04/0245).
Die Kostenentscheidung bezüglich des eingestellten Verfahrens gründet sich auf § 58 VwGG. Wenn eine Beschwerde zwar gegenstandslos geworden, das Verfahren jedoch nicht wegen Klaglosstellung eingestellt wird, steht weder dem Beschwerdeführer noch der belangten Behörde Kostenersatz zu, weil weder die Bestimmung des § 56 VwGG anwendbar ist, noch davon die Rede sein kann, daß die belangte Behörde als Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 Z. 2 VwGG zu gelten hat (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 10. Jänner 1979, Slg. NF Nr. 9732/A).
Bezüglich der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin OR hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin "in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter" verletzt, "da unsere Parteistellung zu Unrecht nicht anerkannt wurde und die belangte Behörde in der Sache selbst entscheiden hätte müssen", nach ihrem gesamten Vorbringen also in dem Recht auf materielle Erledigung ihrer Berufung. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Zweitbeschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, ihre Einwendungen betreffend die Gesundheitsgefährdung hätten sich nicht nur auf die befürchtete Umwidmung, sondern als solche gegen die Erteilung der entsprechenden Genehmigungen der gegenständlichen Betriebsanlage bezogen und seien nicht nur nach dem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen. Die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1973 setze eine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung der Anlage voraus, auf die sich die Änderung beziehe; eine solche liege jedoch nicht vor.
Nach § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung eine genehmigten Betriebsanlage nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3, oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Diese Rechtslage gilt auch uneingeschränkt in einem gemäß § 81 GewO 1973 durchzuführenden Verfahren über die Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage.
Wie auch von der belangten Behörde richtig erkannt, liegt eine Einwendung in diesem Sinne nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11.745/A und die dort zitierte Judikatur). Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der in § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder "in einer anderen Weise" auftretende Einwirkungen) abgestellt sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1988, Zl. 87/04/0129).
In ihrer Stellungnahme vom 26. Jänner 1991, die nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1989, Zl. 86/04/0224) nahmen die Beschwerdeführer (rechtzeitig im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973) in hinreichender Weise Gesundheitsschutz im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 sowie Belästigungsschutz gemäß § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 - bezogen auf Belästigungen durch Lärm, Staub, Rauch und Geruch - in Anspruch. Die Einwendungen erschöpften sich nicht - wie die belangte Behörde vermeinte - in der Befürchtung, die Liegenschaft der Beschwerdeführerin könnte umgewidmet werden, vielmehr verweisen die Beschwerdeführer ausdrücklich darauf, daß die Zweitbeschwerdeführerin seit längerer Zeit unter starker Atemnot und Augenbrennen leide und ihre Herzattacken auf die unzumutbaren Emissionen (der bereits bestehenden Betriebsanlange der mitbeteiligten Partei) zurückzuführen seien und deshalb - gemeint offensichtlich: weil durch die Genehmigung der Mehrdrahtziehanlage wie beantragt über die bereits bestehenden darüberhinausgehende, für die Beschwerdeführerin unzumutbare Emissionen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1973 entstünden - einer Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage entgegentrete.
Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie dem in Rede stehenden Vorbringen der Beschwerdeführer die rechtliche Qualifikation einer Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 absprach. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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