Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 10. Juli 1992 wurde die Beschwerdeführerin wie folgt schuldig erkannt (Spruchteil nach § 44a Z. 1 VStG):
"Die Beschuldigte ... hat, wie aus der Anzeige der Kammer
der gewerblichen Wirtschaft für OÖ. vom 18.2.1992 sowie aus dem
ha. aufliegenden Flugblatt hervorgeht, dadurch das
Hafnerhandwerk unbefugt ausgeübt, indem sie als Inhaberin der
"Fliesenstube X" ... veranlaßt hat, daß in der Zeit vom
2. März 1992 bis 7. März 1992 (10.-11. Kalenderwoche) den Haushalten in X als "Postwurfsendung" ein Flugblatt zugestellt wurde, das neben der Firmenbezeichnung "Fliesenstube X - W-Gasse 4" auch die Formulierungen "Ihr Kachelofen individuell geplant" und "Holen Sie sich Ihren Kostenvoranschlag" enthielt, was in Verbindung mit dem ebenfalls auf dem Flugblatt abgebildeten Modell eines fertigen Kachelofens zweifelsfrei dokumentiert, daß von der Beschuldigten an einen größeren Kreis von Personen eine Tätigkeit angeboten wurde (nämlich das Planen von Kachelöfen), die unter den Berechtigungsumfang des Hafnerhandwerkes fällt, wobei gemäß § 1 Abs. 4 der Gewerbeordnung 1973 das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten wird und die Beschuldigte nicht im Besitze einer hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Hafnerhandwerkes ist."
Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 in Verbindung mit § 94 Z. 28 sowie in Verbindung mit § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 begangen. Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, welche u.a. folgende Ausführungen enthält:
"Bei sachgerechter Würdigung der vorliegenden Beweise" - nämlich nach dem Text der Berufung das bereits im Straferkenntnis angeführte Flugblatt und ferner ein Schreiben der Beschwerdeführerin an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich - "hätte lediglich festgestellt werden dürfen, daß ich im Rahmen der Ausübung meines Gewerbes auch Kachelöfen zum Verkauf angeboten habe und daß mit einer solchen Vorgangsweise irgendwelche Straftatbestände der Gewerbeordnung nicht verwirklicht wurden."
"Es ist nicht erschließbar, die Begehung welchen Tatbestandes die Verwaltungsbehörde mit ihrem Straferkenntnis
mir zur Last legen will ... Der Verkauf von Kachelöfen findet
vollständig Deckung in der mir erteilten Gewerbeberechtigung. Es ist nicht erkennbar, wie durch den Verkauf und das Anpreisen eines solchen Verkaufes in gewerbliche Tätigkeiten eingegriffen werden könnte, die unter dem von der Behörde angenommenen Vorbehalt stünden."
"Nur dem Scheine nach stellt die Behörde" zum Ausspruch über die Strafe "Überlegungen an, tatsächlich verhängt sie ohne jede Berücksichtigung des Maßes der Schuld einerseits und meiner wirtschaftlichen Verhältnisse andererseits eine Geldstrafe, deren Zustandekommen völlig unnachvollziehbar
bleibt ... Tatsächlich hätte selbst bei Verwirklichung eines
Straftatbestandes unter Berücksichtigung des geringen Grades der Schuld sowie meiner ökonomischen Verhältnisse mit der Verhängung einer S 3.000,-- nicht übersteigenden Geldstrafe das Auslangen gefunden werden müssen."
Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (4. Kammer) vom 24. August 1992 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 und § 51 VStG sowie § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, als Berufungsgründe seien unrichtige Sachverhaltsfeststellung, unrichtige rechtliche Beurteilung und unrichtiger Strafausspruch geltend gemacht worden. Im erstbehördlichen Straferkenntnis sei eine im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Die Berufungseingabe entbehre aber eines konkreten Antrages - wie z.B. Aufhebung des Straferkenntnisses, Einstellung des Verfahrens, Herabsetzung der Strafe -, sodaß das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei. Das Fehlen eines solchen Antrages stelle nämlich keinen bloßen Formmangel, sondern einen unbehebbaren inhaltlichen Mangel dar, der die Unzulässigkeit der Berufung zur Folge habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1992 ist die belangte Behörde aufgefordert worden, eine Gegenschrift einzubringen.
Dem Verwaltungsgerichtshof ging der als Gegenschrift bezeichnete Schriftsatz vom 19. November 1992 zu, der nicht erkennen läßt, daß ihm eine Beschlußfassung der 4. Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich als jenes Kollegialorgan, welchem der angefochtene Bescheid zuzurechnen ist, zugrundeläge; der Schriftsatz vom 19. November 1992 wurde vielmehr ohne Hinweis auf einen Beschluß des Kollegialorganes "für den O.ö.Verwaltungssenat" von der Berichterin unterfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß sich die belangte Behörde in Ansehung der Beschwerdesache selbst mit diesem Einschreiten der Berichterin begnügte. Im Hinblick auf die mit dem vorliegenden Erkenntnis ausgesprochene Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der sich daraus ergebenden Kostenfolge nach § 47 Abs. 2 Z. 1 VwGG war die Untersuchung der Frage entbehrlich, ob der Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz durch einen Beschluß des Kollegialorganes gedeckt hätte sein müssen.
Mit dem Schriftsatz vom 19. November 1992 wurden die Akten
des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die vorliegende Beschwerde enthält folgende Erklärung über
den Beschwerdepunkt:
"Der vorgenannte Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich verletzt mich in meinem gesetzlich gewährleisteten Recht gemäß § 66 AVG, eine Sachentscheidung durch die Berufungsbehörde zu erhalten."
Der vorliegenden Beschwerde ist im Hinblick auf diesen Beschwerdepunkt Erfolg beschieden.
Nach § 63 Abs. 3 AVG (§ 24 VStG) hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Zur Frage des Erfordernisses eines "begründeten Berufungsantrages" ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Erwägung ausgegangen, daß ein begründeter Antrag dann vorliegt, wenn die Eingabe erkennen läßt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, selbst wenn die Begründung nicht als stichhältig anzusehen ist (siehe u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 89/04/0005).
Insbesondere die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen aus der Berufung der Beschwerdeführerin schließen - abgestellt auf die "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens - zweifelsfrei erkennbar das Begehren in sich, daß das erstbehördliche Straferkenntnis aufgehoben und daß das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt, in eventu, daß das Ausmaß der Geldstrafe herabgesetzt wird.
Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den unter dem Titel "Barauslagen" geltend gemachten Betrag (siehe hiezu den Tatbestand "Barauslagen" in § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG und die in dieser Gesetzesstelle enthaltenen anderen Tatbestände).
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